Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
1. Wird die Einzelpraxis eines Arztes in eine GbR eingebracht und werden deren Wirtschaftsgüter erst in einem späteren Veranlagungszeitraum als dem der Einbringung in der Eröffnungsbilanz der GbR erfasst, stellt die Erstellung und Einreichung der Eröffnungsbilanz ein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO für die Bemessung des Einbringungsgewinns dar.
2. Der Wert, mit dem das eingebrachte Betriebsvermögen in der Bilanz der GbR einschließlich der Ergänzungsbilanzen angesetzt wird, gilt gem. § 24 Abs. 3 Satz 1 UmwStG – zwingend – als Veräußerungspreis des Einbringenden. Das Wahlrecht i.S.d. § 24 Abs. 3 Satz 1 UmwStG wird ausschließlich durch die aufnehmende Personengesellschaft ausgeübt.
3. Ein Veto- oder Mitspracherecht des Einbringenden besteht nicht (Anschluss an BFH-Urteil vom 25.4.2006, VIII R 52/04, BFH/NV 2006, 1772, m.w.N.). Eventuelle Abweichungen von einer vorherigen einvernehmlichen Festlegung der Bilanzansätze zwischen dem Einbringenden und der aufnehmenden Gesellschaft sind damit steuerrechtlich ohne Bedeutung (Anschluss an BFH-Urteil vom 26.1.1994, III R 39/91, Haufe-Index 65037, BStBl II 1994, 458).
Normenkette
§ 24 Abs. 3 UmwStG, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, § 16 EStG
Sachverhalt
Ein Arzt brachte seine mit 125.000 DM bewertete Einzelpraxis in eine GbR ein und erhielt dafür Anteile an der GbR. Im Einbringungsvertrag verzichtete er zugunsten der GbR auf die vor dem Einbringungszeitpunkt erwirtschafteten und nach diesem Zeitpunkt eingehenden Forderungen aus seiner ärztlichen Tätigkeit. Er erklärte einen Veräußerungsverlust, bei dessen Ermittlung er die Forderungen nicht berücksichtigt hatte.
Das FA folgte zunächst der Erklärung, berücksichtigte aber sodann mit gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändertem ESt-Bescheid einen Veräußerungsgewinn. Die Änderung des ESt-Bescheides beruhte darauf, dass die vom Einbringenden zugunsten der GbR abgetretenen Forderungen bei dieser im Rahmen der Einbringung der Einzelpraxis aktiviert worden waren.
Das FG wies die Klage ab (FG Düsseldorf, Urteil vom 14.3.2008, 2 K 2106/06 E, Haufe-Index 1996713, EFG 2008, 910).
Entscheidung
Auch die Revision blieb erfolglos. Der BFH hielt die Änderung nach § 175 AO für rechtmäßig, weil in der Bilanz der GbR erstmals die vom Einbringenden abgetretenen Forderungen aktiviert worden seien und der Wertansatz des eingebrachten Betriebsvermögens bei der GbR zwingend als Veräußerungspreis des Einbringenden anzusetzen sei.
Hinweis
1. Gem. § 16 Abs. 2 EStG ist Veräußerungsgewinn der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Buchwert des Betriebsvermögens übersteigt. Wird ein Betrieb in eine Personengesellschaft eingebracht und wird der Einbringende Mitunternehmer der Gesellschaft, so gilt gem. § 24 Abs. 3 Satz 1 UmwStGder Wert, mit dem das eingebrachte Betriebsvermögen in der Bilanz der Personengesellschaft einschließlich der Ergänzungsbilanzen für ihre Gesellschafter angesetzt wird, für den Einbringenden als Veräußerungspreis. Die Höhe des angesetzten Wertes des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmenden Gesellschaft wird somit als Veräußerungspreis und zugleich als Anschaffungskosten der neuen Anteile fingiert.
2. Da der Gesetzgeber eine Fiktion gewählt hat, liegt darin die Anordnung, einen bestimmten Sachverhalt ohne weitere Prüfung zu unterstellen, auch wenn tatsächlich der Sachverhalt unklar ist oder möglicherweise entgegen der gesetzlichen Fiktion nicht vorliegt. Der Wertansatz des übernehmenden Unternehmens ist daher im Besteuerungsverfahren des Einbringenden zu übernehmen und kann grundsätzlich nicht auf seine Richtigkeit hin überprüft werden.
3. Da die Wertansätze für das eingebrachte Betriebsvermögen in der Bilanz der aufnehmenden GbR gem. § 24 Abs. 3 Satz 1 UmwStG zwingend als Veräußerungspreis gelten, kann sich die Notwendigkeit ergeben, den Einbringungsgewinn des Einbringenden entsprechend zu korrigieren. Der Wertansatz in der Eröffnungsbilanz der aufnehmenden GbR ist – soweit er von dem bei der Veräußerungsgewinnermittlung des Einbringenden abweicht – ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Wenn zwischen dem Einbringenden und der aufnehmenden GbR im Einbringungsvertrag ein anderweitiger Wert für das eingebrachte Vermögen vereinbart war, ist dies steuerrechtlich unerheblich.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.10.2011 – VIII R 12/08