FinMin Baden-Württemberg, Erlass v. 15.4.2010, 3 - S 450.0/30
Zu der Frage, von welcher Bemessungsgrundlage die Grunderwerbsteuer zu erheben ist, wenn
- Grundstückskaufverträge zugleich Regelungen über die Beseitigung von Altlasten enthalten,
- der Erwerber sich verpflichtet, bestimmte Investitionen zu tätigen und/oder einen bestimmten Beschäftigungsstand aufzubauen bzw. beizubehalten,
bitte ich, folgende Auffassung zu vertreten:
Bemessungsgrundlage bei Erwerb kontaminierter Grundstücke und bei Übernahme von Investitions- und Beschäftigungsgarantien
zu 1
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gelten bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen als Gegenleistung.
Grundsätzlich kann eine Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks auch darin liegen, dass der Erwerber vertraglich eine bereits durch Sanierungsverfügung konkretisierte Verpflichtung des Grundstücksverkäufers übernimmt. Unter "sonstige Leistungen" fallen nämlich alle Verpflichtungen des Käufers, die zwar nicht unmittelbar Kaufpreis für das Grundstück im bürgerlich-rechtlichen Sinne, aber gleichwohl Entgelt für den Erwerb des Grundstücks sind (BFH-Urteil vom 25. April 2002 II R 57/00, BFH/NV 2002, 1612, m.w.N.). Dazu gehört auch die Übernahme von Verpflichtungen des Veräußerers durch den Erwerber (BFH-Urteil vom 8. Juni 2005 II R 26/03, BFHE 210, 372, BStBl II 2005, 613). Voraussetzung ist allerdings, dass die Verpflichtung bereits in der Person des Veräußerers entstanden ist.
Bei Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast entsteht eine öffentlich-rechtliche Sanierungsverpflichtung erst und ausschließlich dann, wenn sich die materielle, aus dem einschlägigen Bodenschutzrecht ergebende Sanierungsverantwortlichkeit durch Erlass einer formellen Sanierungsverfügung einzelfallbezogen konkretisiert hat (BFH-Urteil vom 30. März 2009 II R 62/06, BStBl II 2009, 854). Liegt eine solche hinreichend konkretisierte Sanierungsverpflichtung vor, die auf den Erwerber übergeht, sind die Sanierungskosten in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.
Die Kosten für die Beseitigung der Altlasten gehören nicht zur Gegenleistung, wenn keine formelle Sanierungsverpflichtung vorliegt. In diesen Fällen ist Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer der vereinbarte Kaufpreis.
Wird ein Grundstück übertragen, in dem Altlasten festgestellt worden sind oder vermutet werden und wird deswegen keine Gegenleistung oder nur ein symbolischer Kaufpreis vereinbart, so ist die Steuer nach dem Wert des Grundstücks zu bemessen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG). Die Anwendung des § 3 Nr. 2 GrEStG scheidet für einen derartigen Erwerbsvorgang aus, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Veräußerer den Erwerber mit der Übertragung des Grundstücks aus seinem Vermögen bereichern will und daher eine Schenkung unter Lebenden im Sinne des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts nicht gegeben ist.
Jedoch kann auch ein niedriger Grundstückskaufpreis (z.B. sog. 1 EUR Verträge) im Vergleich zum höheren Wert nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG die Gegenleistung i.S. des § 8 Abs. 1 GrEStG bilden, wenn er ernsthaft vereinbart worden ist.
zu 2.
- Werden mit der Grundstücksübertragung nur Investitions- und Beschäftigungsgarantien übernommen und ist eine Gegenleistung im grunderwerbsteuerlichen Sinne für das übertragene Grundstück nicht zu erbringen, so ist die Grunderwerbsteuer nach dem Wert des Grundstücks zu bemessen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG).
- Werden mit der Grundstücksübertragung Investitions- und Beschäftigungsgarantien übernommen und ist eine Gegenleistung im grunderwerbsteuerlichen Sinne für das übertragene Grundstück zu erbringen, so bemisst sich die Grunderwerbsteuer regelmäßig nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Die Grunderwerbsteuer berechnet sich auch dann nach dem Wert der Gegenleistung, wenn diese niedriger ist als der Wert des Grundstücks (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG). Ein symbolischer Kaufpreis kann aber nicht als grunderwerbsteuerlich maßgebliche Gegenleistung angesehen werden (vgl. auch BFH-Urteil vom 7. Dezember 1994 II R 9/92, BStBl II 1995, 268).
In der späteren Zahlung einer Vertragsstrafe wegen Nichterfüllung oder nicht rechtzeitiger Erfüllung der Investitions- und Beschäftigungsgarantie ist keine zusätzliche Gegenleistung zu sehen. Die Vertragsstrafe wird nicht gezahlt, weil der Erwerber ein Grundstück erworben hat, sondern weil er nach dem Vertrag für die Nichterfüllung oder nicht rechtzeitige Erfüllung der Investitions- und Beschäftigungsgarantie einzustehen hat.
Dieser Erlass ergeht im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder und tritt an die Stelle der Bezugserlasse.
Normenkette
§ 8 Abs. 1 GrEStG
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG
§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG