Leitsatz
Bei Anwendung eines vom Grundtarif oder Splittingtarif abweichenden Steuersatzes kann es geboten sein, bei der Günstigerprüfung nach § 31 Satz 4 EStG das Ergebnis bei kumulativer Gewährung der Kinderfreibeträge in die Vergleichsrechnung einzubeziehen, wenn dies gegenüber der isolierten Günstigerprüfung zu einer niedrigeren steuerlichen Gesamtbelastung führt.
Sachverhalt
Die Kläger sind Ehegatten und haben zwei minderjährige Kinder, für die sie im gesamten Streitjahr Kindergeld in Höhe von jeweils 1.848 EUR erhielten. Bei der Festsetzung der Einkommensteuer der Kläger, bei der der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG anzuwenden war, blieben Kinderfreibeträge unberücksichtigt, weil die auf das einzelne Kind bezogene Günstigerprüfung nach § 31 EStG im Streitfall dazu führte, dass die Gewährung des Kindergeldes ohne Berücksich-tigung von Kinderfreibeträgen für die Kläger günstiger war. Im Klageverfahren begehren die Kläger die nach § 31 Satz 4 EStG vorzunehmende Günstigerprüfung nicht für jedes Kind einzeln sondern insgesamt vorzunehmen. Dies führt zu einer Minderung der ESt des Streitjahres um 1.761 EUR.
Entscheidung
Wegen der Besonderheit der tariflichen Belastung der Kläger durch Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG auf den Veräußerungsgewinn des Klägers fällt die nach § 31 Satz 4 EStG durchzuführende Günstigerprüfung im Streitfall zugunsten des Abzugs der vorgeschriebenen Freibeträge für beide Kinder der Kläger aus. Nach Ansicht des FG findet die von der Finanzverwaltung bei einer Mehrzahl von Kindern praktizierte isolierte Günstigerprüfung (R 175 (1) S. 3 EStR 2003) keine Stütze im Gesetz. Trotzdem ist dieses Verfahren bei Anwendung des normalen Steuertarifs für die Steuerpflichtigen günstiger. Da jedoch im Streitfall unter Berücksichtigung der sog. Fünftel-Regelung (§ 34 Abs. 1 EStG) ein sachgerechtes Ergebnis nur durch eine insgesamt für alle Kinder vorgenommene Günstigerprüfung erzielt wird, und der Wortlaut des § 31 Satz 4 EStG nicht zwingend die isolierte Günstigerprüfung vorschreibt, ist es geboten, das für die Kläger günstigere Ergebnis, welches sich bei kumulativer Gewährung der Kinderfreibeträge ergibt, bei der Vergleichsberechnung zu Grunde zu legen.
Hinweis
Die von dem FG zugelassene Revision wurde eingelegt und wird beim BFH unter dem Az. III R 50/08 geführt. Außerdem ist wegen der gleichen Rechtsfrage das Verfahren III R 86/07 beim BFH anhängig. In diesem Verfahren hatte das FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 26.4.2007 - 3 K 60/07 - die gleiche Entscheidung getroffen. In vergleichbaren Fällen sollte daher Einspruch eingelegt und auf das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO verwiesen werden.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 19.06.2008, 15 K 4625/05