Zurechnung von Kinderbetreuungskosten beim paritätischen Wechselmodell
Das FG Thüringen hatte einen solchen Fall zu entscheiden. Im Streitfall unterhielt der Kläger mit seinem Sohn und dessen Mutter bis September 2015 einen gemeinsamen Hausstand. Danach zog die Mutter aus der gemeinsamen Wohnung aus. Der Sohn blieb weiterhin beim Kläger gemeldet; meldete sich aber auch bei der Mutter an. Seitdem wurde das sogenannte Wechselmodell praktiziert, wonach der Sohn wechselseitig eine Woche bei der Mutter und eine Woche beim Kläger lebte.
Mit seiner Einkommensteuererklärung beantragte der Kläger den Abzug von Kinderbetreuungskosten für seinen Sohn in Höhe von 590 EUR (Hälfte der Gesamtsumme). Die Rechnungen lauteten auf beide Elternteile. Überwiesen hat aber nur die Mutter. Das Kindergeld wird an die Mutter ausgezahlt. Das Finanzamt gewährte keinen Abzug der Kinderbetreuungskosten.
Argumentation des Klägers: Überlassung des Kindergeldes
Der Kläger argumentierte im Klageverfahren vor dem FG Thüringen, dass er die Kinderbetreuungskosten zur Hälfte getragen habe. Der Ausgleich der Kosten an die Kindsmutter sei durch die Überlassung des Kindergeldes (bei der Günstigerprüfung "Kinderfreibetrag" wird grds. auch die Hälfte des Kindergeldes berücksichtigt) in Anlehnung an den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch erfolgt.
Durch die Kindsmutter sei sodann die Zahlung der Betreuungskosten für das gemeinsame Kind vorgenommen worden. Beim paritätischen Wechselmodell müsse unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes eine hälftige Zuordnung der Kinderbetreuungskosten bei beiden Eltern erfolgen und es dürfe von dieser Regelung nur bei einer einvernehmlichen Erklärung beider Elternteile abgewichen werden, denn es sei beim paritätischen Wechselmodell grundsätzlich anzunehmen, dass beide Elternteile sich zu gleichen Teilen an den Betreuungskosten beteiligten und die alleinige Kostentragung durch einen Elternteil untypisch sei.
FG Thüringen stimmt Finanzamt zu
Das FG Thüringen hat sich aber der Auffassung des Finanzamts angeschlossen (Urteil v. 23.11.2021, 3 K 799/18). Für den Abzug von Kinderbetreuungskosten ist nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 EStG Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist.
Hier gehöre der Sohn zwar zum Haushalt des Klägers, welcher auch entsprechende Rechnungen betreffend die Betreuung seines Kindes erhalten hat. Allerdings habe er keine entsprechenden Aufwendungen getragen und von ihm sei auch keine Zahlung auf das Konto des Leistungserbringers erfolgt.
Soweit der Kläger vorträgt, der Ausgleich der Kosten an die Kindsmutter sei durch die Überlassung des Kindergeldes in Anlehnung an den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch erfolgt, führe dies nicht zur Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Kinderbetreuungskosten.
Keine Abkürzung des Zahlungsweges
In den Fällen der sog. Abkürzung des Zahlungsweges tilgt der Dritte im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen dessen Schuld, statt dem Steuerpflichtigen den Geldbetrag unmittelbar zu geben und ihn die Zahlung vornehmen zu lassen. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Kindsmutter im Einvernehmen mit dem Kläger dessen Schuld gegenüber den Betreuungseinrichtungen getilgt hat.
Insbesondere habe schon der Kläger nicht vorgetragen, dass er mit der Kindsmutter eine Vereinbarung dahingehend getroffen hat, dass diese - im Einvernehmen mit ihm - seine gegenüber den Betreuungseinrichtungen bestehenden Verbindlichkeiten unter Verwendung des Kindergeldes für ihn tilgen soll.
Revisionsverfahren beim BFH anhängig
Gegen die Entscheidung des FG Thüringen läuft ein Revisionsverfahren vor dem BFH. Hier geht es um folgende Fragen:
- Ist bei einem paritätischen Wechselmodell eine Verrechnung des hälftigen Kindergeldanspruchs mit den Kinderbetreuungskosten durch einseitige Erklärung und ohne ausdrückliche Zustimmung des anderen Elternteils zulässig?
- Steht im Falle einer fehlenden Bestimmung der Eltern, die das paritätische Wechselmodell praktizieren, der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende demjenigen zu, welcher das Kindergeld bezieht? Besteht bei § 24b EStG eine Regelungslücke?
- Kann dem nicht das Kindergeld beziehende Elternteil bei einem paritätischen Wechselmodell in der Günstigerprüfung die Zahlung von Kindergeld angerechnet werden? Ist die Regelung des § 31 Satz 4 Halbsatz 2 EStG durch die Anerkennung dieses Modells überholt?
Bezüglich des Entlastungsbetrags für Alleinerziehenden ist anzumerken, dass der BFH bereits am 28.4.2010, III R 79/08, entschieden hat, dass auch wenn mehrere Steuerpflichtige die Voraussetzungen für den Abzug des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende erfüllen, den Entlastungsbetrag nur einer der Berechtigten abziehen kann. Treffen die Eltern keine Bestimmung über die Zuordnung des Entlastungsbetrags, steht er demjenigen zu, an den das Kindergeld ausgezahlt wird.
Aktualisierung: BFH hat entschieden
Der BFH hat sich nun der Auffassung des FG angeschlossen ( Urteil v. 10.7.2024, III R 1/22). Nach den allgemeinen Grundsätzen können Sonderausgaben nur bei demjenigen steuermindernd berücksichtigt werden, der sie getragen hat. Ausgaben Dritter (sogenannter Drittaufwand) können grundsätzlich nicht bei dem insoweit nicht belasteten Steuerpflichtigen berücksichtigt; dies gilt auch für Kinderbetreuungskosten. Als Beleg für eine hälftige Kostentragung ist der Vortrag, der andere Elternteil habe das volle Kindergeld erhalten, für sich genommen nicht ausreichend.
Es obliegt demjenigen, der den Sonderausgabenabzug geltend macht, substantiiert vorzutragen und gegebenenfalls nachzuweisen, in welchem Umfang er tatsächlich Aufwendungen für die Betreuung des Kindes getragen hat. Wenn er sich auf eine Aufrechnung beruft, muss er darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er zur Aufrechnung berechtigt war und diese erklärt hat. Der Kläger habe weder vorgetragen noch nachgewiesen, dass er die entsprechenden Aufwendungen der Kindsmutter (zum Teil) erstattet hat, noch dass er ihr gegenüber zur Aufrechnung berechtigt war und eine Aufrechnung erklärt hat.
Auch bezüglich des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende hat der BFH seine Rechtsprechung noch einmal bestätigt. Erfüllen bei annähernd gleichwertiger Haushaltsaufnahme des Kindes beide Elternteile die Voraussetzungen für den Abzug des Entlastungsbetrags nach § 24b EStG, ist für die Entscheidung, wem dieser zusteht, analog § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG grundsätzlich vorrangig den Berechtigten die Bestimmung zu überlassen, wer von ihnen den Entlastungsbetrag erhalten soll, unabhängig davon, an welchen Berechtigten das Kindergeld ausgezahlt wird.
Treffen die Berechtigten hinsichtlich des Entlastungsbetrags keine Bestimmung untereinander, steht der Entlastungsbetrag demjenigen zu, an den das Kindergeld gezahlt wird. Aus der Konkurrenzregelung des § 24b Abs. 1 Satz 3 EStG ergibt sich demnach, dass der Entlastungsbetrag wegen desselben Kindes für denselben Monat nur einem Berechtigten gewährt wird, auch wenn mehrere Berechtigte die Voraussetzungen für seine Gewährung erfüllen; eine Aufteilung ist nicht vorgesehen.
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