Leitsatz
1. Der nach Art. 2 Abs. 1 Anstrich 2 der VO (EG) Nr. 1484/95 in der Fassung vor Änderung durch die VO (EG) Nr. 816/2009 für die Berechnung des Zusatzzolls maßgebliche cif-Einfuhrpreis ist der fob-Preis des letzten drittländischen Verkäufers zuzüglich der tatsächlichen Transport- und Versicherungskosten. Dies gilt auch dann, wenn nach dem tatsächlichen Verbringen in das Zollgebiet der Union erst ein späterer Erwerber die Ware zum freien Verkehr anmeldet.
2. Bei Unkenntnis des cif-Einfuhrpreises wegen fehlender Vorlage der Handelsrechnung des letzten drittländischen Veräußerers kann zur Berechnung des Zusatzzolls auf den repräsentativen Preis nach Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1484/95 zurückgegriffen werden.
Normenkette
Art. 2 Abs. 1 Anstrich 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 VO (EG) Nr. 1484/95, Art. 5 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 2777/75, Art. 5 WTOÜbk, Art. 30, 31 ZK
Sachverhalt
Die Klägerin erwarb gefrorene Hühnerteile aus Brasilien von einem in Dänemark ansässigen Unternehmen, das die Erzeugnisse zuvor von einem brasilianischen Ausführer erworben hatte. Die Klägerin meldete die Waren zur Überführung in den freien Verkehr an. Das HZA berechnete die Einfuhrabgaben einschließlich des Zusatzzolls zunächst auf Grundlage der vom dänischen Unternehmen gestellten Handelsrechnung.
Aufgrund einer Prüfung meinte das HZA jedoch, der Zusatzzoll sei nach dem vom brasilianischen Verkäufer berechneten (niedrigeren) cif-Einfuhrpreis zu berechnen. Die entsprechende Rechnung legte die Klägerin aber nicht vor. Sie machte geltend, das dänische Unternehmen stelle diese Rechnung nicht zur Verfügung.
Das HZA berechnete daraufhin den nach der VO Nr. 1484/95 zu erhebenden Zusatzzoll anhand des repräsentativen Preises und forderte Einfuhrabgaben nach. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (FG Hamburg, Urteil vom 23.11.2012, 4 K 106/09, Haufe-Index 3598203).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Rechtsauffassung des FG aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen und wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Die rechtlichen Probleme des Streitfalls entsprechen zum Teil denen im Verfahren des BFH, Urteil vom 23.4.2014, VII R 1/13. Auch hier war streitig, welcher Einfuhrpreis für die Berechnung des zusätzlichen Einfuhrzolls zugrunde zu legen ist, wenn die Erzeugnisse, nachdem sie aus dem Drittland in das Zollgebiet der Union verbracht worden sind, vom Käufer weiterverkauft werden und erst dieser folgende Käufer die Erzeugnisse zum freien Verkehr abfertigen lässt.
2. Hier kam das Problem hinzu, dass die Klägerin, die die Erzeugnisse zur Überführung in den freien Verkehr angemeldet hatte, geltend gemacht hatte, den vom HZA (und später auch vom FG und vom BFH) für maßgeblich gehaltenen Preis des drittländischen Verkäufers nicht zu kennen, weil ihr der Verkäufer die Rechnung des drittländischen Ausführers nicht zur Verfügung stelle.
3. Die im Streitfall anzuwendende VO (EG) Nr. 1484/95 regelt nicht, wie der Zusatzzoll zu bestimmen ist, wenn der hierfür heranzuziehende cif-Einfuhrpreis nicht bekannt ist.
4. Allerdings ermittelt die Kommission für die betreffenden landwirtschaftlichen Erzeugnisse ständig repräsentative Preise, d.h. die auf dem Weltmarkt üblichen Preise. Diese werden nach der VO herangezogen, um den vom Einführer für eine bestimmte Sendung angegebenen cif-Einfuhrpreis auf seine Plausibilität zu prüfen. Liegt der angegebene cif-Einfuhrpreis über dem aktuellen repräsentativen Preis, muss der Einführer (auf in der VO beschriebene Weise) belegen, den angegebenen cif-Einfuhrpreis tatsächlich bezahlt zu haben. Gelingt ihm das nicht, wird der Zusatzzoll auf der Grundlage des repräsentativen Preises bestimmt.
5.Der BFH hielt diesen Fall eines vom Einführer angegebenen, aber nicht belegten cif-Einfuhrpreises für vergleichbar mit dem Fall, in dem der Einführer keine Angaben zum cif-Einfuhrpreis machen kann, und bestätigte die Berechnung des Zusatzzolls durch das HZA, das insoweit den im Streitfall geltenden repräsentativen Preis herangezogen hatte.
6.Der Fall ist ein weiterer Beleg für den alten EuGH-Grundsatz, dass sich ein Wirtschaftsbeteiligter seine Geschäftspartner sorgsam aussuchen muss und sich nicht mit dem Hinweis auf Probleme in dieser Geschäftsbeziehung seiner abgabenrechtlichen Verantwortung entziehen kann. Wer Waren erwirbt und anschließend in die Union einführt, muss im eigenen Interesse sicherstellen, dass sein Vertragspartner ihm die für die Einfuhrabfertigung notwendigen Unterlagen zur Verfügung stellt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.4.2014 – VII R 2/13