Leitsatz
1. Die Regelung des § 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV ist auch im Fall einer mittelbaren Grundstücksschenkung anzuwenden.
2. Wird dem Steuerpflichtigen eine der Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung dienende Eigentumswohnung (einschließlich Inventar) im Wege der mittelbaren Grundstücksschenkung zugewendet, kann er mithin nach § 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV AfA auf die vom Schenker getragenen Anschaffungskosten vornehmen.
Normenkette
§ 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV
Sachverhalt
Die Klägerin erwarb eine zu Vermietungszwecken genutzte Eigentumswohnung. Das Geld hatten ihr ihre Eltern unter der Auflage, damit die Wohnung zu bezahlen, geschenkt.
Das FA erkannte die geltend gemachte AfA auf die AK nicht an. Das FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 17.3.2015, 13 K 156/13, Haufe-Index 8792100) hat der Klage stattgegeben.
Entscheidung
Die Revision des FA hatte keinen Erfolg. Der BFH hat das Urteil der Vorinstanz bestätigt.
Hinweis
Der BFH bejaht die AfA-Berechtigung des Beschenkten im Fall der mittelbaren Grundstücksschenkung nun auch, wenn ihm die gesamten AK/HK zugewendet werden. Das Ergebnis ist für Steuerpflichtige erfreulich. Der Weg dorthin – das zeigt die Lektüre des Urteils – war indes alles andere als glatt.
1. Die AfA-Berechtigung setzt u.a. voraus, dass der Steuerpflichtige die AK/HK selbst getragen hat oder dass sie ihm steuerlich zuzurechnen sind.
a) Vordergründig hatte die Klägerin die AK sogar selbst getragen. Die finanziellen Mittel dafür hatte sie sich jedoch unter Auflage der Verwendung für den Immobilienerwerb von ihren Eltern schenken lassen. In einem solchen Fall nimmt die Rechtsprechung keine Geldschenkung, sondern eine mittelbare Schenkung des Grundstücks an.
Der Fall ist nicht anders zu beurteilen, als wenn der Schenker die AK für das Vermietungsobjekt direkt an den Verkäufer zahlt, ohne das Geld zuvor dem Beschenkten auszuhändigen. Bei wirtschaftlicher Betrachtung wird in allen diesen Fällen das Objekt und nicht das Geld zugewendet, denn nur über das Objekt kann der Beschenkte frei verfügen.
b) Als steuerliche Zurechnungsnorm kam nur § 11d Abs. 1 EStDV in Betracht. Die Vorschrift setzt indes einen unentgeltlichen Erwerb vom Rechtsvorgänger voraus. Zwar ist die mittelbare Grundstücksschenkung ein unentgeltlicher Vorgang. Da der mittelbare Schenker jedoch kein Eigentum erwirbt, fehlt es zivilrechtlich schon an einer Rechtsnachfolge.
Der Schenker hat auch handelsrechtlich keine AK/HK, weil er den Schenkungsgegenstand nicht in seine eigene Verfügungsmacht überführt. Aus diesen Gründen hat der BFH bisher in ständiger Rechtsprechung im Fall der mittelbaren Grundstücksschenkung die Belastung des Beschenkten mit AK/HK jedenfalls dann verneint, wenn ihm die gesamten AK/HK zugewendet worden sind.
c) Im Streitfall hat der BFH dies nun erstmals anders beurteilt. Zur Begründung stützt er sich auf eine rein wirtschaftliche Betrachtung. Deren Rechtsgrundlage verortet er in § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO (sog. wirtschaftliches Eigentum). Danach sei der Fall der mittelbaren Grundstücksschenkung ertragsteuerlich nicht anders zu beurteilen als der Fall der unmittelbaren Grundstücksschenkung. Wirtschaftlich liege ein unentgeltlicher Erwerb vom Schenker als Rechtsvorgänger vor, und der Schenker sei auch (wirtschaftlich) mit Anschaffungskosten belastet.
Keine Kollision mit Drittaufwandsbeschluss des Großen Senats
Der IX. Senat sieht damit die Voraussetzungen des § 11d Abs. 1 EStDV als erfüllt an und verneint eine analoge Anwendung der Vorschrift, die der Große Senat des BFH in einem Drittaufwandsfall ausgeschlossen hat (vgl. BFH, Beschluss vom 23.8.1999, GrS 2/97, BStBl II 1999, 782).
2. Die Entscheidung beruht auf einem ungewöhnlich weiten Verständnis der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Sie impliziert für die Fälle der mittelbaren Grundstücksschenkung zugleich die Abkehr vom handelsrechtlichen Anschaffungskostenbegriff.
Die Reichweite dieser Entwicklung ist schwer abzuschätzen. Unklar ist z.B., ob die zahlreiche bisherige Rechtsprechung zur mittelbaren Grundstücksschenkung im Einkommensteuerrecht (etwa BFH, Urteil vom 23.4.2009, IV R 9/06, BStBl II 2010, 664 zu § 6b EStG) nun überholt ist oder ob die Erwägungen des IX. Senats nur für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gelten sollen, für die er allein zuständig ist.
Davon ist trotz des weiten 1. Leitsatzes bis auf Weiteres wohl auszugehen, denn einen Grund für die Anrufung des Großen Senats hat der IX. Senat nicht gesehen. Er hat aber auch nicht bei anderen Senaten angefragt, ob sie der Abweichung von ihrer Rechtsprechung zustimmen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 4.10.2016 – IX R 26/15