Kommentar
Bei dem Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Auslegung von Artikel 20 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie. Nach dieser Vorschrift ist bei der Lieferung eines Investitionsgutes innerhalb des Berichtigungszeitraums davon auszugehen, dass das Investitionsgut bis zum Ablauf des Berichtigungszeitraums weiterhin für eine unternehmerische Tätigkeit verwendet worden wäre. Diese Tätigkeit gilt als steuerpflichtig, wenn die Lieferung steuerpflichtig gewesen ist und als steuerfrei, wenn die Lieferung steuerfrei war. Die Berichtigung wird in diesen Fällen für den gesamten, noch verbleibenden Berichtigungszeitraum auf einmal vorgenommen. Dieser Regelung entspricht § 15a Abs. 4 UStG.
In dem Streitfall hat die Klägerin, die Centralan Property LtD. (C) von einer Universität (U) ein Grundstück zu einem Preis von 6,5 Mio. GBP zzgl. Umsatzsteuer erworben und dieses Grundstück an die U für 20 Jahre gegen eine jährliche Miete von 300.000 GBP zzgl. Mehrwertsteuer zurückvermietet. Etwa zwei Jahre später veräußerte C das Grundstück. Die Veräußerung erfolgte in zwei Vorgängen. Der erste Vorgang war die Vermietung für 999 Jahre (in Abhängigkeit von der bereits bestehenden Vermietung an U) an die Inhoco 546 Ltd. (I) zu einem Preis von rd. 6,3 Mio. GBP ohne Umsatzsteuer. C und I sind 100 %ige Tochtergesellschaften einer Holdings Ltd., die wiederum sich zu 100 % im Besitz der U befindet. Die Vermietung von C an I konnte steuerfrei erfolgen, da C und I miteinander verbundene juristische Personen im Sinne des britischen Mehrwertsteuerrechts waren. Der zweite Teil der Veräußerung des Grundstücks erfolgte drei Tage nach der Vermietung auf 999 Jahre durch einen Verkauf des belastenden Grundstücks an U zum Preis von 1000 GBP zzgl. Mehrwertsteuer.
Bei dem Sachverhalt war streitig, ob C wegen der steuerfreien Vermietung an I eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus den Anschaffungskosten beim Erwerb von U vornehmen muss oder ob der steuerpflichtige Verkauf an U eine die Vorsteuerberichtigung nicht berührende maßgebliche Lieferung darstellt oder ob die beiden Schritte der Veräußerung, die steuerfreie Vermietung und der steuerpflichtige Verkauf zusammen genommen als ein Umsatz im Sinne von Artikel 20 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie anzusehen sind mit der Folge, dass jedenfalls entsprechend des Verhältnisses der bei den beiden Veräußerungsschritten erzielten Erlösen eine Vorsteuerberichtigung durchzuführen wäre.
Die britische Finanzbehörde war der Auffassung, dass in jedem Fall eine entsprechende Aufteilung mit der Folge einer Vorsteuerberichtigung stattfinden muss. Die Klägerin meinte, die Veräußerung des Grundstücks an U sei der maßgebliche Umsatz im Sinne von Artikel 20 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie.
Nach dem Urteil können beide Umsätze zusammen (die Vermietung und die Lieferung) zur Anwendung von Artikel 20 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie führen. Das nationale Gericht muss allerdings entscheiden, ob die Vermietungsleistung dazu führt, dass dem Mieter ein eigentümerähnliches Recht übertragen wird, was wie eine Lieferung des Grundstücks an ihn wirkt. Ob eine Steuerumgehung vorlag, musste der EuGH nicht prüfen, weil die Frage vom Vorlagegericht nicht aufgebracht worden war.
Die Vorsteuerberichtigung erfolgt nach dem Urteil entsprechend dem Wertverhältnis der beiden Umsätze zueinander. Der maßgebliche Umsatz, der die Vorsteuerberichtigung zu Lasten des Steuerpflichtigen prägt, dürfte die steuerfreie Vermietung auf 999 Jahre gewesen sein, da sich in dem geringen Verkaufspreis bei der Veräußerung an U ausdrückt, dass U nur ein Resteigentum übertragen bekommen hat. Demzufolge müsste das nationale Gericht in der Vermietungsleistung auch einen lieferähnlichen Vorgang erkennen, der eine Vorsteuerberichtigung nach Artikel 20 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie auslöst.
Das Urteil lässt keinen Änderungsbedarf für das deutsche Umsatzsteuerrecht erkennen.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 15.12.2005, C-63/04