Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung eines Grundstücks durch zwei Rechtsgeschäfte als Lieferung, Vorsteuerberichtigung
Leitsatz (amtlich)
Artikel 20 Absatz 3 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der Fassung der Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 ist dahin auszulegen, dass dann, wenn ein Investitionsgut gegen Zahlung einer hohen Abstandszahlung für 999 Jahre an eine Person vermietet wird und das Resteigentumsrecht an diesem Gegenstand drei Tage später zu einem weitaus geringeren Preis an eine andere Person veräußert wird und wenn diese beiden Umsätze
‐ unlöslich miteinander verbunden sind und
‐ aus einem ersten, steuerfreien, und einem zweiten, besteuerten, Umsatz bestehen
‐ und wenn diese Umsätze aufgrund der Übertragung der Befugnis, über dieses Investitionsgut wie ein Eigentümer zu verfügen, Lieferungen im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 dieser Richtlinie darstellen,
der fragliche Gegenstand bis zum Ablauf des Berichtigungszeitraums so behandelt wird, als ob er für gewerbliche Tätigkeiten verwendet worden ist, die je nach dem Anteil der jeweiligen Werte der beiden Umsätze teilweise besteuert und teilweise von der Steuer befreit sind.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 20 Abs. 3
Beteiligte
Commissioners of Customs & Excise |
Verfahrensgang
High Court of Justice London (Entscheidung vom 21.02.2003) |
Tatbestand
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Artikel 20 Absatz 3 ‐ Investitionsgüter ‐ Vorsteuerabzug ‐ Berichtigung des Vorsteuerabzugs ‐ Immobilien ‐ Übertragung durch zwei zusammenhängende Geschäfte, von denen das eine steuerfrei und das andere besteuert ist ‐ Aufteilung“
In der Rechtssache C-63/04
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 21. Februar 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Februar 2004, in dem Verfahren
Centralan Property Ltd
gegen
Commissioners of Customs & Excise
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. La Pergola, J.-P. Puissochet, U. Lõhmus und A. Ó Caoimh (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Centralan Property Ltd, vertreten durch R. Cordara, QC, und P. Key, Barrister, beauftragt durch die Kanzlei Landwell, Solicitor,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch K. Manji als Bevollmächtigten im Beistand von N. Pleming, QC,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 17. März 2005
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 20 Absatz 3 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 (ABl. L 102, S. 18) (im Folgenden: Sechste Richtlinie).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft Centralan Property Ltd (im Folgenden: Centralan) und den im Vereinigten Königreich für die Erhebung der Mehrwertsteuer zuständigen Commissioners of Customs & Excise (im Folgenden: Commissioners) über die Berichtigung des Abzugs der von dieser Gesellschaft entrichteten Vorsteuer.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Nach Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“, der Mehrwertsteuer.
4
Artikel 4 Absatz 3 dieser Richtlinie hat folgenden Wortlaut:
„Die Mitgliedstaaten können auch solche Personen als Steuerpflichtige betrachten, die gelegentlich eine der in Absatz 2 genannten Tätigkeiten ausüben und insbesondere eine der folgenden Leistungen erbringen:
a) die Lieferung von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden, wenn sie vor dem Erstbezug erfolgt. …
Die Mitgliedstaaten können andere Kriterien als das des Erstbezugs bestimmen, z. B. den Zeitraum zwischen der Fertigstellung des Gebäudes und dem Zeitpunkt seiner ersten Lieferung …“
5
Artikel 5 „Lieferung von Gegenständen“ dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Als Lieferung eines Gegenstands gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.
…
(3) Die Mitgliedstaaten können als körperlichen Gegenstand behandeln:
a) bestimmte Rechte an Grundstücken;
b) dingliche Recht...