PD Dr. Markus Philipp Kreipl, Prof. Dr. Stefan Müller
2.3.1 Inhalt und Regelungszweck
Rz. 44
Nach Art. 67 Abs. 3 Satz 1 EGHGB besteht ein – mitunter auch teilweises – Beibehaltungswahlrecht für bestimmte Posten unter Anwendung der für sie geltenden Vorschriften in der Fassung vor dem BilMoG. Das Wahlrecht war im ersten Jahresabschluss unter Anwendung der BilMoG-Regelungen, d. h., dem Abschluss für das nach dem 31.12.2009 beginnende Gj auszuüben. Es konnte für jeden Sachverhalt einzeln wahrgenommen werden, es bestand somit keine Methodenstetigkeit. Wurde das Wahlrecht für einige oder alle Sachverhalte nicht genutzt, hatte mit Ausnahme der im letzten Jahr vor der Anwendung des BilMoG zugeführten Rückstellungsbeträge eine erfolgsneutrale Anpassung der Bilanz unter Auflösung der Beträge direkt in die Gewinnrücklagen zu erfolgen, die nicht rückgängig gemacht werden kann. Die Option zur Einstellung der Zuschreibungsbeträge in die Gewinnrücklagen war bei PersG häufig ausgeschlossen, da gesellschaftsvertragliche Regelungen zur Rücklagenbildung i. d. R. nicht vorlagen. Die Beträge waren dann den Kapitalkonten der Gesellschafter zuzurechnen.
Bei Beibehaltung aller oder eines Teils der "Alt-Posten" ergeben sich jedoch noch ggf. über einen sehr langen Zeitraum Konsequenzen.
Abb. 3: Sachverhalte mit Beibehaltungsmöglichkeit nach Art 67 Abs. 3 EGHGB
Rz. 45
Art. 67 Abs. 3 Satz 2 EGHGB gibt vor, wie bei Nichtausübung des Wahlrechts zu verfahren war. Grundsätzlich war eine unmittelbare Einstellung in die Gewinnrücklagen vorgeschrieben. Davon ausgenommen waren jedoch Beträge, die der Rückstellung nach § 249 Abs. 1 Satz 3 HGB i. d. F. vor BilMoG (Instandhaltung) oder § 249 Abs. 2 HGB i. d. F. vor BilMoG im letzten vor dem 1.1.2010 beginnenden Gj zugeführt wurden.
Rz. 46
Sofern das Beibehaltungswahlrecht in Anspruch genommen wurde, ist Art. 67 Abs. 3 EGHGB für Jahresabschlüsse für nach dem 31.12.2012 beginnende Gj nur noch in Bezug auf die Behandlung von nach Altvorschriften angesetzten Aufwandsrückstellungen, Sonderposten mit Rücklageanteil und nur höchst selten noch für RAP nach § 250 Abs. 1 HGB i. d. F. vor BilMoG denkbar. Die folgenden Ausführungen sind insofern nur diesbezüglich zu beachten. Wurden keine derartigen Sachverhalte bilanziert bzw. sind alle bereits aufgelöst, sind die folgenden Ausführungen ohne weitere praktische Bedeutung.
2.3.2 Aufwandsrückstellung nach § 249 Abs. 2 HGB i. d. F. vor BilMoG
2.3.2.1 Grundlegendes
Rz. 47
Das nur im Jahresabschluss für das nach dem 31.12.2009 beginnende Gj ausübbare Beibehaltungswahlrecht (eine anfängliche Beibehaltung und spätere erfolgsneutrale Umgliederung in Gewinnrücklagen ist unzulässig) des Art. 67 Abs. 3 Satz 1 EGHGB für Aufwandsrückstellungen konnte sachverhaltsbezogen in Anspruch genommen werden. Die Option zur sachverhaltsbezogenen Ausübung ergibt sich aus Art. 67 Abs. 3 Satz 1 EGHGB, der für Rückstellungen nach § 249 Abs. 1 Satz 3 HGB i. d. F. vor BilMoG und § 249 Abs. 2 HGB i. d. F. vor BilMoG explizit die teilweise Beibehaltung erlaubt.
Ein Raffineriebetreiber in der Rechtsform einer AG hatte zum 31.12.2007 für Zwecke der Generalüberholung der Pumpenanlage zur Versorgung des Pipelinenetzes durch Austausch von Verschleißteilen in 8 Jahren (2014) mit Kosten von zusammen 800.000 EUR bereits im Jahresabschluss zum 21.12.2008 eine Rückstellung i. H. v. 200.000 EUR nach § 249 Abs. 2 HGB i. d. F. vor BilMoG gebildet. Zum 31.12.2009 erfolgte erneut eine Zuführung i. H. v. 100.000 EUR. Der Wert der Rückstellung betrug zum 31.12.2009 entsprechend 300.000 EUR. In der Steuerbilanz erfolgte kein Ansatz einer Rückstellung, da die Bildung von Aufwandsrückstellungen i. S. d. § 249 Abs. 2 HGB a. F. nicht gestattet war/ist. Der kumulierte Ertragsteuersatz betrug/beträgt 30 %.
Die Einbuchungen erfolgten somit mit folgender Buchung (z. B. 2008):
Datum |
Konto |
Soll |
Haben |
31.12.2008 |
Aufwand für Zuführung zu Rückstellungen |
100.000 |
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Rückstellungen |
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100.000 |
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Aktive latente Steuern |
30.000 |
|
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Latenter Steuerertrag |
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30.000 |
Im Übergangszeitpunkt am 1.1.2010 hatte die AG das Wahlrecht, die Rückstellung unter Anwendung der bisher geltenden Vorschriften beizubehalten oder diese unter Beachtung des Art. 67 Abs. 3 EGHGB aufzulösen.
Bei Entscheidung für die Beibehaltung
Es entfallen seit dem Gj 2010 die eingeplanten Zuführungen von 100.000 EUR jährlich. Die Bewertung der Rückstellung bleibt unverändert bei 300.000 EUR, eine aktive latente Steuer wird mit 90.000 EUR ausgewiesen. Zudem erfolgt im Anhang ein Hinweis auf die Bilanzierung von Aufwandsrückstellungen. Ein Ansatz zum Erfüllungsbetrag kommt nicht in Betracht, da nach neuem Recht gar kein bilanzierungsfähiger Rückstellungssachverhalt vorliegt.
Bei der Überholung der Pumpenanlage (der Auflösung) ergab sich...