Prof. Dr. Inge Wulf, Dipl.-Oec. Jürgen Lars Sackbrook
3.1 Anlagevermögen (Abs. 2 A.)
3.1.1 Überblick
Rz. 19
Unter der Position AV sind alle VG auszuweisen, die dazu bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen (§ 247 Rz 18). Die Gliederungsvorschrift des § 266 HGB unterscheidet drei Arten des AV:
Rz. 20
Immaterielle VG und Sachanlagen werden unmittelbar im Unt eingesetzt, während Finanzanlagen außerhalb des bilanzierenden Unt verwendete Mittel sind. Das Unterscheidungsmerkmal ist somit nicht die Aufteilung in Sachen oder Rechte, sondern die betriebswirtschaftliche Zuordnung der eingesetzten Mittel inner- oder außerhalb des Unt. So werden Erträge aus Finanzanlagen außerhalb des bilanzierenden Unternehmens erwirtschaftet, während Sach- und Immaterialanlagen unmittelbar im Unternehmen genutzt werden. Bei grundstücksgleichen Rechten handelt es sich zwar im rechtlichen Sinne um "Rechte", die jedoch innerhalb der Sachanlagen erfasst werden.
Rz. 21
Die Unterteilung des AV in abnutzbare und nicht abnutzbare Anlagen ist für die Folgebewertung relevant. I. d. R. gelten Finanzanlagen als nicht abnutzbares AV und sind somit nur außerplanmäßig abzuschreiben. Dagegen können Sachanlagen und immaterielle Anlagen sowohl abnutzbar als auch nicht-abnutzbar sein.
Zu den abnutzbaren Anlagen zählen z. B. Gebäude, Maschinen und Kraftfahrzeuge, Software und Patente; nicht abnutzbar sind bspw. Grund und Boden (es sei denn, es handelt sich um abnutzbare Grundstücke, z. B. Kiesgruben, Steinbrüche oder andere Rohstoffvorkommen) sowie Verkehrs- und Transportkonzessionen (Annahme: formal zeitlich begrenzte Rechte werden immer wieder auf unbegrenzte Zeit verlängert).
Die Nutzungsdauer wird vom technischen Verschleiß (materielles AV) oder von der wirtschaftlichen Abnutzung (materielles und immaterielles AV) bestimmt (§ 253 Rz 168 ff.).
3.1.2 Immaterielle Vermögensgegenstände (Abs. 2 A. I.)
Rz. 22
Für den Begriff "immaterieller Vermögensgegenstand" existiert keine einheitliche bzw. konkrete Definition. Die Definition wird jeweils zweckgerichtet betrachtet. Als ein zweckentsprechendes Abgrenzungskriterium immaterieller Güter dient vielfach das Vorhandensein bzw. Nicht-Vorhandensein einer physischen Substanz. Immaterielle Güter umfassen alle Güter, die nicht materiell und zusätzlich – in Abgrenzung zum Finanzvermögen – nicht monetär sind. DRS 24.8 definiert einen immateriellen Vermögensgegenstand wie folgt: "Nichfinanzieller Vermögensgegenstand ohne bedeutende physische Substanz." IAS 38.8 definiert immaterielle Vermögenswerte als identifizierbare, nicht-monetäre Vermögenswerte ohne physische Substanz, über die eine Verfügungsmacht des Unt besteht und aus denen in Zukunft ein Nutzenzufluss resultiert.
Rz. 23
Die Abgrenzung der materiellen von den immateriellen VG ist in bestimmten Fällen schwierig, weil häufig immaterielle Komponenten in materielle Vermögenswerte integriert sind (funktionale Einheit), z. B. die Steuerungssoftware von Maschinen oder das Betriebssystem eines Computers. Wenn ein Gut beide Merkmale erfüllt, sind für die Zuordnung die Wertrelation, das wirtschaftliche Interesse, die Vervielfältigungsmöglichkeiten oder das relative Funktionenverhältnis ausschlaggebend.
IDW RS HFA 11.3 unterscheidet drei Arten von Software: Firmware, Systemsoftware und Anwendungssoftware. Bei Firmware handelt es sich um eine Software, die fest mit einem elektronischen Gerät (Hardware) verbunden und nur zusammen mit diesem lauffähig ist. Insofern erfolgt eine Zuordnung zum SAV. Zu solchen Programmbausteinen gehören bspw. Steuerungssoftware einer Maschine oder das BIOS (Basic-Input/Output System) eines Computers. Dagegen gelten Systemsoftware (Betriebssysteme wie bspw. Windows, Linux oder Mac OS X) und Anwendungssoftware (Programme zur Lösung von Datenbearbeitungsaufgaben in Form von Individualsoftware und davon zu unterscheiden Standardsoftware, wie z. B. Microsoft Office) grundsätzlich als immaterielles AV.
Bspw. hat bei Anwendungssoftware das Speichermedium keine eigenständige Bedeutung, sodass es sich i. d. R. um einen immateriellen VG handelt. Dagegen ist eine eigenständige Bedeutung gegeben, wenn die besondere Art der Speicherung für den Erwerber wichtig ist.
VG, die sowohl aus immateriellen und materiellen Komponenten bestehen, sind immer dann den immateriellen Gütern zuzuordnen, wenn die materiellen Komponenten nur eine untergeordnete Bedeutung haben und vornehmlich Transport-, Dokumentations-, Speicherungs- und Lagerungszwecken dienen.
Rz. 24
Entsprechend dem Vollständigkeitsgebot gem. § 246 Abs. 1 HGB besteht für immaterielle VG des AV eine Aktivierungspflicht, wenn den Definitionskriterien entsprochen wird (abstrakte Aktivierungsfähigkeit). Gem. § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB besteht jedoch ein Ansatzwahlrecht ...