3.1 Begriff
Rz. 58
§ 322 Abs. 4 Satz 1 sieht vor, dass der Bestätigungsvermerk einzuschränken oder zu versagen ist, wenn Einwendungen bestehen. Es werden darunter Beanstandungen verstanden, die sich i. R. d. Prüfungsdurchführung gegen die Rechnungslegung (Abschluss und Lagebericht) und ggf. einen sonstigen Prüfungsgegenstand (Rz 27) ergeben haben und bis zur Beendigung der Abschlussprüfung nicht behoben wurden. IDW PS 405.7a n. F. definiert Einwendungen anhand der bei gesetzlichen Abschlussprüfungen möglichen Prüfungsgegenstände als Schlussfolgerung des Abschlussprüfers auf der Grundlage der erlangten Prüfungsnachweise, dass
- der Abschluss als Ganzes falsche Darstellungen enthält, die einzeln oder kumuliert wesentlich sind, bzw.
- der (Konzern-)Lagebericht insg. nicht bzw. nur mit Ausnahmen in allen wesentlichen Belangen den maßgebenden Rechnungslegungsgrundsätzen entspricht, bzw.
- ein sonstiger Prüfungsgegenstand nicht bzw. nur mit Ausnahmen in allen wesentlichen Belangen den maßgebenden gesetzlichen Vorschriften entspricht.
Bei Einwendungen ist es gängige Praxis, dass nur solche Einwendungen zu einer Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks führen, die wesentlich sind. Sind Einwendungen nicht nur wesentlich, sondern umfassend, ist die Grenze zwischen Einschränkung und Versagung überschritten. Neben Einwendungen existieren auch noch Prüfungshemmnisse. Hierbei handelt es sich um eine Schlussfolgerung des Abschlussprüfers, dass er nach Ausschöpfung aller angemessenen Möglichkeiten zur Klärung des Sachverhalts nicht in der Lage ist, ausreichend geeignete Prüfungsnachweise zu erlangen, um festzustellen, ob eine Einwendung zu erheben ist. Modifizierung ist ein früher in der deutschen Prüfungswelt nicht verwendeter Begriff aus den ISA, der den Oberbegriff für ein eingeschränktes Prüfungsurteil, ein versagtes Prüfungsurteil und einer Erklärung über die Nichtabgabe eines Prüfungsurteils bildet. Unter Bezugnahme auf die vorgenannten Einwendungen und Prüfungshemmnisse ergeben sich folgende Arten von modifizierten Prüfungsurteilen:
Abb. 4: Arten von modifizierten Prüfungsurteilen
Rz. 59
Wird zum geprüften Abschluss ein versagtes Prüfungsurteil oder eine Erklärung der Nichtabgabe eines Prüfungsurteils abgegeben, ist der Bestätigungsvermerk als "Versagungsvermerk des unabhängigen Abschlussprüfers" zu bezeichnen. In allen übrigen Fällen ist die Überschrift "Bestätigungsvermerk des unabhängigen Abschlussprüfers" zu verwenden. Die nachfolgende Übersicht zeigt die zu verwendende Überschrift des Bestätigungs- bzw. Versagungsvermerks in Abhängigkeit von den Arten der modifizierten Prüfungsurteile:
Abb. 5: Überschrift des Bestätigungs- bzw. Versagungsvermerks
Rz. 60
Soweit die Modifizierung eines Prüfungsurteils in Betracht kommt, hat der Abschlussprüfer mit den für die Überwachung Verantwortlichen (z. B. Aufsichtsrat) die Umstände, die dazu geführt haben und den Wortlaut der beabsichtigten Modifizierung zu erörtern. Hier zeigt sich die Korrektivfunktion der Abschlussprüfung. Der Aufsichtsrat soll Gelegenheit haben, auf die Geschäftsführung einzuwirken, um ggf. eine Modifizierung zu verhindern.
3.2 Eingeschränkter Bestätigungsvermerk (Abs. 4 Satz 1 1. Alt.)
3.2.1 Einschränkung aufgrund von Einwendungen
Rz. 61
Eine Einschränkung ist nach § 322 Abs. 4 Satz 1 HGB geboten, wenn Einwendungen gegen die Rechnungslegung zu erheben sind und eine Versagung nicht in Betracht kommt.
Rz. 62
Ob ein festgestellter Verstoß die Nichtigkeit des Jahresabschlusses bewirken kann, hat grds. keine Auswirkung darauf, ob eine Einschränkung oder eine Versagung vorzunehmen ist. Die notwendigen Schlussfolgerungen haben die Adressaten der Rechnungslegung zu ziehen; der Bestätigungsvermerk weist "lediglich" auf einen bestehenden Mangel hin. Allerdings wird ein die Nichtigkeit des Jahresabschlusses bewirkender Verstoß wohl regelmäßig als so schwerwiegend anzusehen sein, dass der Abschlussprüfer den Bestätigungsvermerk einschränkt.
Rz. 63
Nicht jede Beanstandung, die der Abschlussprüfer bei seiner Abschlussprüfung zur Rechnungslegung feststellt, begründet eine Einschränkung. Die Beanstandung muss das Wesentlichkeitskriterium erfüllen, um zu einer Einschränkung des Bestätigungsvermerks zu berechtigen. Ob das Wesentlichkeitskriterium erfüllt ist, hat der Abschlussprüfer dabei nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen.
Rz. 64
Das Wesentlichkeitskriterium dürfte insb. dann erfüllt sein, wenn die Beanstandung wegen ihrer relativen Bedeutung zu einer unzutreffenden Beurteilung der Rechnungslegung führen kann. Die Wesentlichkeit einer Beanstandung lässt sich somit häufig mittels einer quantitativen Komponente, d. h. der Relation zwischen der Auswirkung eines Fehlers und einer sinnvollen Bezugsgröße, ermitteln. Darüber hinaus kann bei Verstößen gegen besonders bed...