Dr. Markus Leinen, Prof. Dr. Harald Kessler
Rz. 85
Grundtatbestand der Herstellung ist die Schaffung eines neuen VG (Herstellung i. e. S.). Darüber hinaus zählen sowohl die Erweiterung als auch die wesentliche Verbesserung eines VG über seinen ursprünglichen Zustand hinaus, die auch als nachträgliche Herstellung bezeichnet werden, zur Herstellung (Herstellung i. w. S.). Eine Abgrenzung der nachträglichen HK von Instandhaltungsaufwendungen kann unter Rückgriff auf die steuerliche Rechtsprechung erfolgen. HK können nach Meinung des BFH auch für fremde VG anfallen, die nicht im wirtschaftlichen Eigentum des Unt stehen, da die tatsächliche Sachherrschaft insoweit nicht vorliegt, als andere von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut nicht ausgeschlossen werden können. Dieser HK-Vorgang sei "wie ein materielles Wirtschaftsgut" zu aktivieren und nach den Abschreibungsregeln des Gebäudes abzuschreiben. Nach § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB ist das wirtschaftliche Eigentum jedoch Grundvoraussetzung für die Bilanzierung (§ 246 Rz 16), so dass auch in diesen Fällen stets ein VG vorliegen muss, ggf. als Konstrukt des sog. Mietereinbaus oder eines Ausgleichsanspruchs.
Rz. 86
Der Herstellungsvorgang kann sich dabei sowohl im eigenen Unt (Regelfall) als auch mittels Fremdherstellung vollziehen. I. R. d. Eigenherstellung geschaffene VG sind gem. § 275 Abs. 2 Nr. 3 HGB (GKV) in der GuV gesondert unter dem Posten "andere aktivierte Eigenleistung" auszuweisen. Eine Fremdherstellung berührt die GuV nicht, sie wird wie eine Anschaffung als Umschichtung des Vermögens behandelt. Liegt eine Fremdherstellung vor, fallen aufgrund der eindeutigen Zurechenbarkeit der Aufwendungen zum VG ausschl. aktivierungspflichtige Kosten an. Zur Abgrenzung der HK bei Erstellung des VG durch fremde Dritte von AK ist auf den Träger des wirtschaftlichen Risikos abzustellen.
3.2.2.1 Herstellung im engeren Sinn (Neuschaffung)
Rz. 87
Die Herstellung i. e. S. umfasst zunächst die Neuschaffung noch nicht existenter VG. Ferner sind unter der Herstellung von VG i. e. S. handelsrechtlich die Nutzbarmachung eines zerstörten oder verschlissenen VG sowie die Änderung der betrieblichen Funktion zu verstehen. Die Überholung eines noch nutzbaren VG fällt dagegen nicht darunter. Hier sind die Aktivierungsvoraussetzungen für nachträgliche HK zu prüfen (Rz 89 ff.).
IDW RS IFA 1 betreffend die Abgrenzung von Erhaltungsaufwand und HK bei Gebäuden verlangt bei einer entfallenen Nutzbarkeit eines Gebäudes in seiner bisherigen Funktion, dass infolge der Nutzbarmachung eine Klassifizierung als "in bautechnischer Hinsicht neu" gegeben sein muss. Darunter wird der Austausch von für die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmenden verschlissenen Teilen verstanden.
Rz. 88
Zu den HK i. R. e. Neuschaffung zählen neben den direkten produktionsbedingten Kosten auch Kosten für vorgelagerte Planungs- und Vorbereitungsmaßnahmen, die Beschaffung sowie die Lagerung der RHB und der unfertigen Erzeugnisse. Auch im Zuge der Andienung von Dienstleistungen sind entsprechende Planungs- und Vorbereitungsmaßnahmen zu berücksichtigen.
3.2.2.2 Herstellung im weiteren Sinn (nachträgliche Herstellung)
3.2.2.2.1 Erweiterungen
Rz. 89
Unter einer Erweiterung ist eine Vergrößerung oder eine Substanzmehrung (Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten) zu verstehen, die sich auf den VG als Ganzes bezieht und keine Wesensänderung mit sich bringt. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB setzt dabei keine Wesentlichkeit voraus, sodass grds. auch kleine Erweiterungen zu aktivieren sind. Maßnahmen, die lediglich die Funktionsfähigkeit erhalten, fallen aber auch dann nicht unter Erweiterungen i. S. d. der Norm, wenn dafür neue Teile verwendet werden.
Rz. 90
Eine Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten ist etwa ein Anbau, eine Aufstockung oder der Einbau eines bislang nicht vorhandenen Fahrstuhls bei Gebäuden. In vielen Fällen wird eine Substanzmehrung aber im Einzelfall zu beurteilen sein. Ob der Ersatz eines Flachdachs durch ein Satteldach etwa zu einer Aktivierung von HK führen darf, wird regelmäßig von der jeweiligen Nutzung abhängen. Während etwa ein Ladenbetreiber, für den die Raumhöhe nicht von wirtschaftlicher Bedeutung ist, so keine HK verursacht, ließe sich bspw. bei dem Betreiber eines Hochlagers durchaus eine Substanzmehrung begründen.