Prof. Dr. Inge Wulf, Dipl.-Oec. Jürgen Lars Sackbrook
Rz. 101
Die Bilanzierung latenter Steuern ist konzeptionell mit dem Prinzip der periodengerechten Erfolgsermittlung zu begründen. Latente Steuern spiegeln die steuerlichen Effekte aus Bilanzierungsunterschieden zwischen Steuer- und HB wider. Anzuwenden ist das Bilanzkonzept (sog. bilanzorientierte Methode), bei dem neben permanenten auch quasi-permanente Differenzen (Temporary-Konzept) in die Ermittlung einfließen. Dementsprechend entstehen aktive latente Steuern z. B. dann, wenn der Ansatz der Vermögensposten (Schuldposten) in der HB niedriger (höher) ist als in der Steuerbilanz.
Rz. 102
§ 266 Abs. 2 HGB fordert unter Buchstaben "D. Aktive latente Steuern" einen gesonderten Ausweis auf oberster Gliederungsstufe. Mittelgroße und große KapG und KapCoGes sind verpflichtet, eine Steuerabgrenzung vorzunehmen; kleine Ges. sind nach § 274a Nr. 5 HGB davon grds. befreit (§ 274a Rz 9 ff.). Es besteht ein Wahlrecht, aktive latente Steuerüberhänge als Bilanzposten auszuweisen oder alternativ den die passiven latenten Steuern übersteigenden "Steuervorteil" sofort erfolgswirksam zu verrechnen. Entscheidet sich das Unt für eine Aktivierung, ist ein separater Ausweis der aktiven latenten Steuern in der Bilanz geboten. Es wird keine Klassifizierung des Postens als VG, RAP, Bilanzierungshilfe oder als Posten eigener Art vorgenommen. I. S. d. handelsrechtlichen Gliederungsschemas mit einer Unterteilung in AV, UV, RAP und aktive latente Steuern kann geschlossen werden, dass entgegen des international üblichen Vermögenswertbegriffs (z. B. IAS 1 bzw. IAS 12) latente Steuern nicht als VG gelten. Nach der Gesetzesbegründung handelt es sich bei latenten Steuern um einen "Sonderposten eigener Art", da die Voraussetzungen für einen VG nicht gegeben sind (§ 246 Rz 5).
Das Saldierungsverbot gem. § 246 Abs. 2 HGB ist nicht zu beachten, da die sich ergebende Steuerbe- und die sich ergebende Steuerentlastung "auch unverrechnet angesetzt werden" können (§ 274 Abs. 1 Satz 3 HGB).