Dipl.-Kfm. Tobias Dreixler
4.1 Inanspruchnahme eines organisierten Marktes (Abs. 3 Nr. 1)
Rz. 24
Ein befreiender Konzernabschluss eines übergeordneten MU kann nicht aufgestellt werden, wenn das zu befreiende MU einen organisierten Markt i. S. d. § 2 Abs. 11 WpHG durch von ihm ausgegebene Wertpapiere i. S. d. § 2 Abs. 1 WpHG am Abschlussstichtag in Anspruch nimmt.
Voraussetzung für die Versagung der befreienden Wirkung ist demnach, dass
- Wertpapiere i. S. d. § 2 Abs. 1 WpHG am Abschlussstichtag ausgegeben wurden (Rz 25) und
- dadurch ein organisierter Markt in Anspruch genommen wird (Rz 26).
Eine Befreiung kann demnach aber noch in Anspruch genommen werden, wenn am Abschlussstichtag nur ein Zulassungsantrag bei der zuständigen Börsenaufsicht gestellt wurde. Die Vorschrift in Abs. 3 Nr. 1 ist daher enger als die Definition für kapitalmarktorientierte KapG i. S. v. § 264d HGB.
Rz. 25
Wertpapiere i. S. d. Vorschrift des § 2 Abs. 1 WpHG sind
- Aktien,
- andere Anteile an in- oder ausländischen juristischen Personen, PersG und sonstige Unt, soweit diese Anteile Aktien vergleichbar sind, sowie Zertifikate, die Aktien vertreten,
Schuldverschreibungen,
- insb. Genussscheine und Inhaberschuldverschreibungen und Orderschuldverschreibungen, sowie Zertifikate, die Schuldtitel vertreten,
- sonstige Wertpapiere, die zum Erwerb oder zur Veräußerung von Wertpapieren nach Nr. 1 und 2 berechtigen oder zu einer Barzahlung führen (Differenzausgleich), die in Abhängigkeit von Wertpapieren, von Währungen, Zinssätzen oder anderen Erträgen, von Waren, Indizes oder Messgrößen bestimmt wird.
Wertpapiere sind daher sowohl nicht-festverzinsliche als auch festverzinsliche Papiere.
Rz. 26
Ein organisierter Markt i. S. d. § 2 Abs. 11 WpHG ist ein geregelter Markt gem. Art. 1 Nr. 13 der Wertpapierdienstleistungs-RL. Diese Definition entspricht inhaltlich derjenigen des Art. 4 Abs. 1 Nr. 14 der RL über Märkte für Finanzinstrumente. Für die Befreiung spielt es keine Rolle, ob es sich um einen organisierten Markt im Inland oder in anderen EU/EWR-Staaten ansässige Märkte handelt. Ein geregelter Markt ist definiert als ein von einem Marktbetreiber betriebenes und/oder verwaltetes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach seinen nicht diskretionären Regeln in einer Weise zusammenführt oder das Zusammenführen fördert, die zu einem Vertrag in Bezug auf Finanzinstrumente führt, die gem. den Regeln und/oder den Systemen des Marktes zum Handel zugelassen wurden, sowie eine Zulassung erhalten hat und ordnungsgemäß und gem. den Bestimmungen des Titels III der RL 2004/39/EG funktioniert.
4.2 Minderheitenvotum (Abs. 3 Nr. 2)
Rz. 27
Die Befreiung kann auch dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn Minderheitsgesellschafter die Aufstellung eines (Teil-)Konzernabschlusses beantragen. § 291 Abs. 3 Nr. 2 HGB beinhaltet einen rechtsformabhängigen Minderheitenschutz für an dem zu befreienden MU beteiligte Minderheiten.
Andere Gesellschafter können spätestens sechs Monate vor dem Ablauf des Konzern-Gj die Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts beantragen, wenn ihnen mindestens 10 % der Anteile an der zu befreienden AG/KGaA bzw. mindestens 20 % der Anteile an der zu befreienden GmbH als MU gehören. Maßgeblich für die vorgenannte Sechs-Monatsfrist zur Antragstellung ist der Stichtag des Konzernabschlusses des unteren MU. Nach dem Ablauf der Frist stattfindende Veräußerungen lassen nicht erneut ein Antragsrecht für den Erwerber unter dem Gesichtspunkt der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand aufleben. Daher ist die Frist eine materielle Ausschlussfrist. Sofern hingegen ein Minderheitsgesellschafter fristgerecht die Aufstellung eines Konzernabschlusses beantragt, nach Ablauf der Frist seinen Anteil veräußert und der Erwerber erklärt, er habe kein Interesse an der Aufstellung eines Teil-Konzernabschlusses, muss nach dem Schutzzweck der Rechtsnorm ein Zurückziehen des Antrags durch den Erwerber noch möglich sein. Ein Teil-Konzernabschluss braucht dann nicht aufgestellt werden. Dies gilt ebenso, wenn die gestellten Anträge nach Ablauf der Frist nur ein Votum erzielen, das die Schwellenwerte nicht erreicht. Eigene Anteile sind analog § 16 Abs. 2 Sätze 2, 3 AktG abzuziehen.
Umgekehrt ist bei einer 100 %igen Beteiligung des den befreienden Konzernabschluss aufstellenden MU eine Befreiung nach Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 generell möglich, sofern die Ausnahme nach Abs. 3 Nr. 1 nicht greift.
Die Beteiligungsverhältnisse beziehen sich auf den Tag des Endes der Sechs-Monatsfrist. Maßgeblich ist die Höhe der zurechenbaren Stimmrechte, die sich entsprechend § 290 Abs. 4 HGB bestimmen lässt.
Für die Zurechnung der Stimmrechte ist entweder auf das rechtliche oder auf das wirtschaftliche Eigentum abzustellen (§ 290 Abs. 2, 3 HGB; § 290 Rz 55 ff.). Da das Gesetz nur von Anteilen im Allgemeinen spricht, ist es ...