Andreas Dörschell, Cornelia Linde
4.1 Bedeutung
Rz. 33
Dieser Vorschrift kommt nur eingeschränkte Bedeutung zu, sie gilt als Zeitrahmen nur für EKfl. und (reine) PersG, die nicht als KapCoGes nach § 264a HGB oder vom PublG erfasst sind, da in zahlreichen Einzelbestimmungen konkrete Fristen zur Aufstellung des Jahresabschlusses vorgeschrieben sind. So ist für AG, KGaA, GmbH und SE nach § 264 Abs. 1 HGB und für die unter das PublG fallenden Unt nach § 5 Abs. 1 PublG eine dreimonatige Frist nach Beendigung des Gj für die Aufstellung des Jahresabschlusses vorgesehen. Für kleine KapG/KapCoGes und Kleinstgesellschaften beträgt die Frist bis zu sechs Monate (§ 264 Abs. 1 Satz 3 HGB), für Genossenschaften fünf Monate (§ 336 Abs. 1 Satz 2 HGB), für Kreditinstitute drei Monate (§ 26 Abs. 1 KWG) und für VersicherungsUnt vier Monate (§ 341a Abs. 1 HGB; für RückversicherungsUnt mit Bilanzstichtag 31.12. kommt eine Frist von zehn Monaten in Betracht, § 341a Abs. 5 HGB).
4.2 Handelsrechtliche Auslegung
Rz. 34
Nach dem Wortlaut des § 243 Abs. 3 HGB, wonach der "Jahresabschluss innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit aufzustellen" ist, wird für alle Kfl., für die keine spezialgesetzliche Regelung gilt, keine eindeutig festgelegte Frist zur Aufstellung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses kodifiziert. Deswegen handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der einer Auslegung bedarf. Bei der Auslegung ist auf die Verhältnisse des betreffenden Unt und die billigerweise zu stellenden Anforderungen abzustellen.
Im Schrifttum wird einerseits die Auffassung vertreten, dass die Frist bis zu sechs Monate betragen sollte. Andere Autoren halten einen längeren Zeitraum für angebracht, da nur die EKfl. und PersG, bei denen die Gesellschafter größere Mitspracherechte haben, von dieser Vorschrift betroffen seien. Die hM im Schrifttum sieht in Übereinstimmung mit dem BFH auch handelsrechtlich eine maximale Frist von zwölf Monaten als ausreichend an.
Rz. 35
Für Unt, die sich in der Krise befinden, erhalten die Aufstellungsfristen ein elementares Gewicht, da dort Gläubigerschutzinteressen in besonderem Maße betroffen sind. Sobald Anhaltspunkte für eine Krise vorliegen, ist der Jahresabschluss zeitnah und ohne schuldhaftes Zögern aufzustellen. Hierzu wird eine Frist von zwei bis drei Monaten genannt.
4.3 Steuerliche Auslegung
Rz. 36
Für die Aufstellung der Steuerbilanz gibt es keine explizit normierten Fristen. Die für die Abgabe der Steuererklärungen geltenden Fristen (§ 149 Abs. 2 AO) greifen nur in eingeschränktem Maße für die Steuerbilanz. Diese wird nur als "Unterlage" nach § 150 Abs. 4 Satz 1 AO den Steuererklärungen beigefügt. Die Steuerbilanz ist jedoch keine Steuererklärung i. S. d. § 152 AO. Aus diesem Grund ist ein Verspätungszuschlag bei nicht fristgerechter Steuerbilanzaufstellung nicht zulässig.
Allerdings wird die Buchführung als nicht mehr ordnungsgemäß betrachtet, wenn die Steuerbilanz zu spät aufgestellt wird. Dies bedeutet, dass auch steuerlich die Frist gem. § 243 Abs. 3 HGB einzuhalten ist. In der Literatur wird von einer steuerlich akzeptierten Frist von einem Jahr für die Aufstellung des Jahresabschlusses ausgegangen.
4.4 Rechtsfolgen bei Versäumen der Frist
Rz. 37
Die Frist zur Aufstellung des Jahresabschlusses ist durch keine Sanktionen gesichert. Die Buchführung wird aber bei Überschreiten der Frist für die Abschlusserstellung nicht mehr als ordnungsgemäß angesehen und damit liegt eine Verletzung des § 243 Abs. 1 HGB vor. Diese Verletzung wiederum stellt eine Ordnungswidrigkeit gem. § 334 Abs. 1 Nr. 1a HGB dar.
Rz. 38
Wird der Anforderung an Unt, die sich in der Krise befinden, ihren Jahresabschluss zeitnah und ohne schuldhaftes Zögern aufzustellen (Rz 35), nicht nachgekommen, sind gem. §§ 283, 283b StGB sowohl Geld- als auch Freiheitsstrafen vorgesehen. Überdies können weitere strafrechtliche Folgen für die Handelnden aus einer Insolvenz des Unt herrühren.