Prof. Dr. Harald Kessler, Dr. Jochen Cassel
4.4.1 Überblick
Rz. 31
Die besonderen Bilanzierungsvorschriften für Bewertungseinheiten sehen eine Abkehr von zentralen GoB vor und führen zu einer weniger vorsichtigen Gewinnermittlung. Diese Wirkung verlangt mit Blick auf die Gläubigerschutzorientierung der handelsrechtlichen Rechnungslegung eine restriktive Anwendung der Ausnahmeregelungen. Der Gesetzgeber begrenzt ihre Anwendung zweifach. Zum einen erkennt er die Bildung von Bewertungseinheiten nur an, soweit diese eine nicht nur zufällige Risikokompensation erwarten lassen. Zum anderen bleibt die Anwendung der besonderen Regeln auf den wirksamen Teil der Sicherungsbeziehung beschränkt.
Damit eine systematische Risikokompensation innerhalb einer Bewertungseinheit erwartet werden kann, müssen
- Grundgeschäft und Sicherungsinstrument vergleichbaren Risiken ausgesetzt sein und
- die Volumina von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument Wert- oder Zahlungsstromänderungen erwarten lassen, die sich betragsmäßig und hinsichtlich ihres zeitlichen Anfalls weitgehend kompensieren.
Rz. 32
Unmittelbar mit diesen grundlegenden Anforderungen an Bewertungseinheiten (Rz 33 ff.) verbunden ist die Bedingung der Wirksamkeit (Effektivität). Die Effektivität einer Bewertungseinheit bezeichnet das Ausmaß, in dem sich die gegenläufigen Wert- oder Zahlungsstromänderungen von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument im Hinblick auf das abgesicherte Risiko ausgleichen. Sie ist bei Begründung einer Bewertungseinheit und mind. zu jedem Abschlussstichtag für die Zukunft zu beurteilen (prospektive Effektivität). Ferner hat das Unt zu jedem Abschlussstichtag rückblickend für die Vergangenheit zu messen, inwieweit der Risikoausgleich tatsächlich eingetreten ist (restrospektive Effektivität). Die Ansätze zur Beurteilung bzw. Messung der Effektivität einschl. der zulässigen Vereinfachungen sind unter Rz 37 ff. erläutert.
4.4.2 Grundlegende Anforderungen
Rz. 33
Die in die Bewertungseinheit einbezogenen Grundgeschäfte und Sicherungsinstrumente müssen vergleichbaren Risiken ausgesetzt sein. Maßgeblich sind allein die abzusichernden Risiken. Das erfordert
- eine klare Bestimmbarkeit der Risiken, die abgesichert werden sollen,
- eine verlässliche Bewertbarkeit der Zeitwert- bzw. Zahlungsstromrisiken und
- den Nachweis einer hohen Korrelation nicht identischer Risiken.
Da keine Identität der Risiken von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument gefordert ist, kommt die Bildung einer Bewertungseinheit auch dann in Betracht, wenn die beiden Komponenten vergleichbaren Risiken ausgesetzt sind, die hoch korreliert sind. So mag sich das Zinsänderungsrisiko aus einem zum 1-Monats-Euribor plus Credit Spread verzinsten Darlehen wirksam durch Abschluss eines Payer-Zinsswaps auf Basis des 6-Monats-Euribor begrenzen lassen. Die hohe Korrelation der beiden Zinssätze ist bei Begründung der Bewertungseinheit plausibel zu machen. Dazu eignet sich bspw. eine Regressionsanalyse (vgl. Beispiel in Rz 41).
Rz. 34
Der Forderung nach einer Betragsidentität ist entsprochen, wenn die Volumina von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument sich gegenseitig ausgleichende Wert- oder Zahlungsstromänderungen erwarten lassen. Sie definiert sich nicht zwingend über die Mengeneinheiten von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument, sondern über den erwarteten Risikoausgleich. Bei ungleichen Beträgen ist der übersteigende Betrag nach den allgemeinen GoB zu behandeln.
Rz. 35
In den meisten Fällen erfordert die Bedingung der Betragsidentität ein Hedge Ratio von 1 : 1. Das ist etwa der Fall, wenn Fremdwährungsverbindlichkeiten durch Devisentermingeschäfte in der entsprechenden Währung oder variable verzinsliche Darlehen durch Zinsswaps abgesichert werden. Ein abweichendes Hedge Ratio ist dann zu definieren, wenn Grundgeschäft und Sicherungsinstrument keine identischen Risiken aufweisen. Um eine möglichst hohe Risikokompensation zu erzielen, kann es in diesen Fällen geboten sein, unterschiedliche Mengeneinheiten von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument zu einer Bewertungseinheit zusammenzufassen (z. B. bei der Absicherung von Forderungen auf US-Dollar durch einen Forward über Kanada Dollar).
Rz. 36
Grundgeschäft und Sicherungsinstrument müssen einen zeitgleichen Eintritt der gegenläufigen Wert- und Zahlungsstromänderungen erwarten lassen. Ist diese Fristenkongruenz aufgrund abweichender Laufzeiten von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument nicht erfüllt, muss eine Überbrückung der zeitlichen Inkongruenzen durch Anschlussgeschäfte möglich und beabsichtigt sein.
U plant für das kommende Jahr Exporte in die USA im Volumen von 2 Mio. USD. Das Fremdwährungsrisiko will U durch Abschluss von Devisentermingeschäften begrenzen. Zu diesem Zweck hat U einen Forward mit einem Nominalbetrag von 2 Mio. USD abgeschlossen, der im März des Folgejahrs fällig wird.
Die Fremdwährungsbeträge aus den Exporten werden tw. vor und tw. nach Fälligkeit des Devisentermingeschäfts eingehen. Um eine Fristenkongruenz zwischen Grundgeschäft und Sicherungsinstrument herzustellen, bietet es sich an, die vor Fälligkeit des T...