Dr. Markus Leinen, Prof. Dr. Harald Kessler
6.2.2.1 Grundsätze zur Methodenwahl
Rz. 241
Sofern der beizulegende Zeitwert nicht verlässlich durch den Marktpreis eines aktiven Markts ermittelt werden kann, ist der beizulegende Zeitwert mithilfe allgemein anerkannter Bewertungsmethoden zu bestimmen.
Rz. 242
Sinn und Zweck der Anwendung einer Bewertungsmethode ist es, einen beizulegenden Zeitwert zu ermitteln, der sich angemessen an einen Marktpreis annähert, wie er sich zwischen unabhängigen Geschäftspartnern unter normalen Geschäftsbedingungen ergeben hätte. Gewährleistet eine Bewertungsmethode keine angemessene Annäherung an den Marktpreis, darf sie nicht angewandt werden.
Bei Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts mithilfe allgemein anerkannter Bewertungsmethoden ist ein Bewertungsmodell zu wählen, das dem Marktstandard entspricht. D. h., es ist ein Modell zu verwenden, das üblicherweise von den Marktteilnehmern genutzt wird. Das Bewertungsmodell muss die am Markt herrschenden Preisbildungsmechanismen widerspiegeln, die Markterwartungen berücksichtigen und die dem Bewertungsobjekt inhärenten Risiken und Chancen angemessen abbilden.
Rz. 243
Den Bewertungsmodellen sind in größtmöglichem Umfang Marktdaten zugrunde zu legen, bevor auf unternehmensspezifische Daten zurückgegriffen wird. Ziel ist es, einen möglichst objektivierten Zeitwert zu ermitteln.
Es müssen sämtliche Faktoren berücksichtigt werden, die Marktteilnehmer auch berücksichtigen würden. Eigene Schätzungen und Annahmen müssen mit den Schätzungen und Annahmen der Marktteilnehmer konsistent sein.
Rz. 244
Die angewandte Bewertungsmethode muss den beizulegenden Zeitwert verlässlich ermitteln. Dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal resultiert – wie im Fall der Ermittlung des Marktpreises – aus dem Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Kann die Bewertungsmethode den beizulegenden Zeitwert nicht verlässlich ermitteln, darf sie nicht angewandt werden. Existiert keine verlässliche Bewertungsmethode, haben Zugangs- und Folgebewertung zu AHK zu erfolgen.
Eine Bewertungsmethode ermittelt den beizulegenden Zeitwert nicht verlässlich, wenn die angewandte Bewertungsmethode eine Bandbreite möglicher Werte zulässt, die Abweichung der Werte voneinander signifikant ist und eine Gewichtung der Werte nach Eintrittswahrscheinlichkeiten nicht möglich ist.
Rz. 245
Die vorstehend genannten Grundsätze beinhalten zahlreiche Ermessensentscheidungen. Dabei ist der Grundsatz der Bewertungsmethodenstetigkeit (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB) zu beachten (§ 252 Rz 141).
6.2.2.2 Mögliche Bewertungsmethoden
Rz. 246
Grds. stehen zwei Arten von Bewertungsmethoden zur Auswahl.
- Vergleichsverfahren: Z. B. kann der beizulegende Zeitwert aus dem Vergleich mit dem vereinbarten Marktpreis jüngerer vergleichbarer Geschäftsvorfälle zwischen sachverständigen, vertragswilligen und unabhängigen Geschäftspartnern abgeleitet werden;
- andere wirtschaftlich anerkannte Bewertungsmethoden: z. B. Discounted-Cash-Flow-Verfahren, Ertragswertverfahren und Optionspreismodelle (bspw. Black-Scholes-Merton-Modell, Binominalmodell).
Rz. 247
Fraglich ist, ob die beiden vorstehenden Bewertungsmethoden in der Bewertungshierarchie nebeneinander stehen oder ob zunächst das Vergleichsverfahren anzuwenden ist und nur für den Fall, dass ein Vergleichswert nicht ermittelbar ist, auf andere wirtschaftlich anerkannte Bewertungsmethoden zurückzugreifen ist.
Da der Gesetzeswortlaut lediglich die Anwendung von allgemein anerkannten Bewertungsmethoden vorschreibt, könnte die Auffassung vertreten werden, dass der Bilanzierende ein Wahlrecht hat, ob er ein Vergleichsverfahren oder ein anderes wirtschaftlich anerkanntes Bewertungsverfahren anwenden möchte.
Ein solches Wahlrecht wäre eine Änderung gegenüber der Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts nach § 285 Satz 3 und 4 HGB a. F. Danach war der beizulegende Zeitwert, sofern dies möglich ist, aus den Marktwerten der einzelnen Bestandteile des Finanzinstruments oder aus dem Marktwert eines gleichwertigen Finanzinstruments abzuleiten, andernfalls mithilfe allgemein anerkannter Bewertungsmodelle und -methoden zu bestimmen. Außerdem würde ein Wahlrecht gegen Art. 42b Abs. 1 der Vierten RL 78/660/EWG verstoßen. Dieser fordert für den Fall, dass sich der Marktwert für ein Finanzinstrument nicht als Ganzes bestimmen lässt, dass der Marktwert des Finanzinstruments aus den jeweiligen Marktwerten seiner Bestandteile oder dem Marktwert eines gleichartigen Finanzinstruments abgeleitet werden soll. Erst wenn eine solche Ermittlung des Marktwerts nicht möglich ist, ist der Marktwert mithilfe allgemein anerkannter Bewertungsmodelle und -methoden zu bestimmen.
U. E. rechtfertigt ein möglicher Verstoß gegen Art. 42b Abs. 1 der Vierten RL 78/660/EWG nicht die Einschränkung des Gesetzeswortlauts. Der Gesetzeswortlaut fordert lediglich die Anwendung einer allgemein anerkannten Bewertungsmethode. Hierunter fallen sowohl Vergleichsverfahren als auch andere wirtschaftlich anerkannte Bewertungsverfahren. Allerdings ist nach d...