Leitsatz
1. Durch das Urteil des BFH vom 30.11.2004, VIII R 9/04 (BFH/NV 2005, 860) ist geklärt, dass eine Vollzeiterwerbstätigkeit neben einem ernsthaft und nachhaltig betriebenen Studium die Berücksichtigung als Kind in Berufsausbildung (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) nicht ausschließt. Das Senatsurteil vom 16.11.2006, III R 15/06 (BStBl II 2008, 56) weicht nicht von dieser Entscheidung ab.
2. Die neben dem Studium erzielten Einkünfte aus der Vollzeiterwerbstätigkeit sind daher bei der Prüfung, ob der Jahresgrenzbetrag überschritten wird, einzubeziehen.
Normenkette
§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 32 Abs. 4 S. 2 EStG
Sachverhalt
Der Sohn des Klägers studierte im Streitzeitraum 2004 und erzielte von Januar bis April 1 300 Euro gewerbliche und von Mai bis Dezember freiberufliche Einkünfte von 30 000 Euro. Wegen Überschreitens des Jahresgrenzbetrags hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2004 auf. Der Kläger meinte, wegen der geringen Einkünfte in den ersten vier Monaten stehe ihm insoweit das Kindergeld zu.
Einspruch und Klage blieben erfolglos (Sächsisches FG, Urteil vom 26.03.2007, 8 K 1661/06 (Kg).
Entscheidung
Der BFH wies die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde zurück. Die Frage, ob das Kindergeld bei einem Nebeneinander von Studium und Vollzeiterwerbstätigkeit nur zum Ausschluss des Kindergelds ab Erwerbstätigkeit führt, ist nicht klärungsbedürftig, da sie sich – i.S. d. Familienkasse – aus dem Gesetz ergibt und auch der bisherigen BFH-Rechtsprechung entspricht.
Hinweis
Volljährige Kinder bis zum 27. (ab 2007: 25.) Lebensjahr werden nach § 32 Abs. 4 S. 1 EStG u.a. berücksichtigt, wenn sie für einen Beruf ausgebildet werden (Nr. 2 Buchst. a), sich in einer Übergangszeit zwischen Ausbildungsabschnitten befinden (Buchst. b) oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen können (Buchst. c). Weitere Voraussetzung ist, dass die Einkünfte/Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, den Jahresgrenzbetrag von 7 680 Euro (seit 2005) nicht übersteigen.
Nach der früheren Rechtsprechung war ein Kind – mangels einer typischen Unterhaltssituation gegenüber den Eltern – grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, wenn es einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachging (BFH, Urteil vom 15.09.2005, III R 67/04, BFH/PR 2006, 89). Der Jahresgrenzbetrag ermäßigte sich dann auf die Berücksichtigungsmonate, und die in den Erwerbsmonaten erzielten Einkünfte/Bezüge blieben außer Betracht.
Gleichwohl war schon bisher anerkannt, dass eine Vollzeiterwerbstätigkeit neben einem ernsthaft und nachhaltig betriebenen Studium die Berücksichtigung als Kind in Berufsausbildung (Buchst. a) nicht ausschließt (BFH, Urteil vom 30.11.2004, VIII R 9/04, BFH/NV 2005, 860).
Dieser Auffassung – Nebeneinander von Studium und Vollzeiterwerbstätigkeit – widerspricht auch das Urteil vom 16.11.2006, III R 15/06 nicht. In diesem Urteil hat der BFH lediglich für die bisher entschiedenen Fälle – vorübergehende Vollzeiterwerbstätigkeit nach Abschluss einer Schul- oder Berufsausbildung (d.h. Fälle der Buchst. b und c, nicht a – seine Meinung im Sinn einer "Meistbegünstigung" wie folgt präzisiert:
- Überschreiten die gesamten Einkünfte/Bezüge einschließlich der Einkünfte aus der Erwerbstätigkeit den Jahresgrenzbetrag, wird das Kind – wie bisher – nur für die Vollzeiterwerbstätigkeitsmonate nicht berücksichtigt. Da die hohen Einkünfte aus dieser Erwerbstätigkeit nicht mehr "zählen", kann der Anspruch für die restlichen Monate erhalten bleiben.
- Anders als bisher wird der Kindergeldanspruch in den Erwerbstätigkeitsmonaten aber nicht ausgeschlossen, wenn die Einkünfte/Bezüge unter Einbeziehung der Vollzeiterwerbsbezüge den Jahresgrenzbetrag nicht überschreiten. Das Kindergeld steht dann für das gesamte Jahr zu.
Davon zu unterscheiden ist ein Nebeneinander von Vollzeiterwerbstätigkeit und Ausbildung (Studium), d.h. die Fallgestaltung Buchst. a (so der Streitfall). Hier wird das Kind wegen des ganzjährigen Studiums durchgängig berücksichtigt. Das Jahresprinzip schließt dann die Kindergeldgewährung für einzelne Monate aus. Ist der Grenzbetrag insgesamt überschritten, scheidet daher ein Anspruch – auch für einzelne Monate – aus; bei Unterschreiten steht Kindergeld für das gesamte Jahr zu.
Nach der aktuellen BZSt-Vfg. vom 04.07.2008, St II 2 – S 2282 – 138/2008 (DStR 2008, 1736) sind allerdings alle Varianten Buchst. a bis c unabhängig vom Bestehen einer Vollzeiterwerbstätigkeit gleich zu behandeln. Abzustellen ist lediglich darauf, ob im Berücksichtigungszeitraum (Anspruchszeitraum) die Einkünfte/Bezüge den Grenzbetrag übersteigen.
- Ist dies der Fall, besteht für den gesamten Anspruchszeitraum kein Kindergeldanspruch.
- Ist der Grenzbetrag nicht überschritten, besteht im gesamten Anspruchszeitraum ein Kindergeldanspruch, und zwar unabhängig davon, ob das Kind einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht.
Dementsprechend wurden die Anweisungen zur Thematik "Vollzeiterwer...