Das Berufsbildungsgesetz enthält keine Regelung zu der Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen das Berufsausbildungsverhältnis bereits vor Ausbildungsbeginn gekündigt werden kann.

Da § 22 Abs. 1 BBiG die Kündigung vor Ausbildungsantritt nicht regelt, sind gemäß § 10 Abs. 2 BBiG die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsgrundsätze und Rechtsvorschriften anzuwenden, soweit sich aus dem Wesen und Zweck des Berufsausbildungsverhältnisses nichts anderes ergibt. Zu diesen Rechtsgrundsätzen gehört es, dass ein Arbeitsverhältnis regelmäßig bereits vor seinem Beginn gekündigt werden kann, wenn die Arbeitsvertragsparteien nichts anderes geregelt haben oder sich der Ausschluss der Kündigung nicht aus anderen Umständen ergibt.[1] Allerdings kann – zumindest aus Gründen, die von § 1 KSchG nicht erfasst werden – eine Kündigung gem. § 242 BGB wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben unwirksam sein.

 
Achtung

Grundsatz von Treu und Glauben

Der Grundsatz von Treu und Glauben bildet eine Inhaltsbegrenzung, die Rechte, Rechtslagen und Rechtsnormen beschränken kann. Das bedeutet, was gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt, ist unwirksam.[2] Welche Anforderungen sich dabei aus Treu und Glauben ergeben, lässt sich dabei nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls entscheiden. In diesem Sinne hat das BAG eine Kündigung für unwirksam gehalten, die – bei bestätigten guten Leistungen – nur wegen der Homosexualität des Arbeitnehmers ausgesprochen wurde.

 
Hinweis

Kündigung vor Ausbildungsbeginn

Im Berufsausbildungsvertrag kann vereinbart werden, dass eine Kündigung – ohne Kündigungsfrist – vor Ausbildungsbeginn ausgeschlossen sein soll. Der Ausschluss kann sich auch konkludent aus sonstigen Umständen ergeben, z. B. aus dem ersichtlichen gemeinsamen Interesse beider Vertragsparteien, die Ausbildung jedenfalls für einen bestimmten Teil der Probezeit tatsächlich durchzuführen.

Tritt der Auszubildende das Ausbildungsverhältnis zum vereinbarten Zeitpunkt nicht an, so kann der Ausbildende im Hinblick darauf, dass gem. § 22 Abs. 1 BBiG in der Probezeit eine Kündigung von beiden Vertragsparteien ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist möglich ist, von dem vertragsbrüchigen Auszubildenden keinen Schadensersatz und keinen Ersatz seiner Aufwendungen (z. B. Kosten für Zeitungsinserate) verlangen.

[2] § 242 BGB; BAG, Urteil v. 23.6.1994, 2 AZR 617/93; BAG, Urteil v. 8.3.1977, 4 AZR 700/75 (unveröffentlicht), für den Fall einer während der Probezeit vom Ausbildenden ausgesprochenen Kündigung.

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