Dr. Peter Schentler, Prof. Dr. Martin Tschandl
Wo muss nun das Beschaffungscontrolling im Unternehmen wirken, um die Realisierung der dargestellten Gewinn- und Rentabilitätspotenziale zu unterstützen und zu ermöglichen?
2.2.1 Einzelkosten, Strukturkosten und Prozesse
Grundsätzlich haben die Materialkosten (oder umfassender die Beschaffungsobjektkosten) einen wesentlichen Einfluss auf das Unternehmensergebnis. Sie umfassen die Einkaufspreise, Rabatte und Zuschüsse, öffentliche Abgaben (beispielsweise Zölle), Subventionen, Vermittlungsentgelte, Transport-, Verpackungs- und Versicherungskosten. Die Effektivitätspotenziale der Beschaffung zu nutzen, bedeutet aber nicht nur, eine Kostenreduzierung im Vergleich zu Vorperioden oder dem (Beschaffungs-)Budget zu realisieren. Auch Kostenvermeidung wie beispielsweise die Abwehr einer vom Lieferanten beabsichtigten Preiserhöhung oder die Verringerung von Produkt- bzw. Produktionskosten durch die Integration der Beschaffung in die Entwicklung können drohende (Opportunitäts-)Kosten verhindern. Über den Einstandspreis hinaus beeinflussen die Beschaffungsobjekte zusätzlich zu beachtende Folgekosten im Unternehmen, beispielsweise höhere Rüstkosten in der Produktion oder Mehraufwand für die Entsorgung. Es ist daher wichtig, eine Kostenbetrachtung über den gesamten Lebenszyklus durchzuführen.
Zudem werden durch die Beschaffungsaktivitäten auch Nutzenaspekte möglich. So kann die Materialwirkung erhöht werden, indem beispielsweise die Kompetenzen der Lieferanten in die eigene Leistungserstellung eingebunden und so Differenzierungsvorteile realisierbar werden – als Beispiele bei Automobilen wären das Marken von Sound- bzw. Techniksystemen, Produktqualitäten bei Kunststoffen für ein Armaturenbrett oder Know-how-Potenziale bei Hybridantrieben bzw. Lichtsystemen.
Die Effizienzpotenziale der Beschaffung lassen sich durch eine Optimierung der Beschaffungsprozesse und der damit verbundenen Transaktionskosten, also Anbahnungs-, Vereinbarungs-, Abwicklungs- und Kontrollkosten, erschließen. Dabei sind auch die Kosten des Lieferantenmanagements (inklusive Lieferantenanalyse, -bewertung und -förderung), der Lieferantenwahl sowie auch die Kosten der Pflege und der Auflösung von Geschäftsbeziehungen zu berücksichtigen.
Die Bestandskosten resultieren aus
- der Kapitalbindung in Vorräten (Rohstoffe, Komponenten sowie halbfertige und fertige Erzeugnisse),
- den Kosten der Lagerhaltung (beispielsweise Miete, Energie, Personal),
- Schwund, Diebstahl sowie
- nicht mehr verkaufbaren Gütern (Sonderabschreibungen bzw. Abwertungen).
Neben der Produktion und dem Vertrieb können Läger auch SCM- bzw. beschaffungsseitig durch die Disposition – also die Bedarfsermittlung und Bestellmengenplanung – und die Festlegung der Sicherheitsbestände beeinflusst werden.
Auch das Working Capital Management wird durch die Beschaffung beeinflusst, indem die Möglichkeiten der Zahlungszielgestaltung sowie der Zahlung optimiert werden. Während die Ausführung der Zahlungen der Finanzabteilung obliegt, beeinflusst die Beschaffung davor die (Einkaufs-)Zahlungsbedingungen im Cash-to-Cash-Zyklus (beispielsweise im Rahmen von Vertragsverhandlungen). Wichtig ist hier insbesondere eine End-to-End-Sicht auf den gesamten Purchase-to-Pay-Prozess sicherzustellen.
Das Anlagevermögen – und damit ein wesentlicher Hebel auf Kapitalumschlag und ROI – kann von der Beschaffung in zweifacher Hinsicht beeinflusst werden: Einerseits sollte die Beschaffung bei Investitionen frühzeitig und nicht nur zu den Verhandlungen eingebunden werden, um Synergiepotenziale zu berücksichtigen. Andererseits können im Rahmen von Make-or-Buy-Überlegungen durch das Outsourcing von Fertigungsprozessen Investitionen hinterfragt werden.
2.2.2 Messung und Bewertung der Beschaffungsleistung
Während die Beschaffungskosten – zumindest als Gesamtbetrag – tendenziell leicht zu messen sind, ist die Messung des aus der Beschaffung resultierenden Beitrags zum Unternehmensergebnis mit zahlreichen Problemen behaftet. So muss der Rückgang der Materialkosten einer Materialgruppe nicht auf die gute Arbeit der Beschaffung zurückzuführen sein, wenn beispielsweise die Rohstoffpreise gesunken sind oder Degressionseffekte durch den Einkauf höherer Mengen erzielt werden.
Es ist daher – abhängig von der Wettbewerbs- und Beschaffungsstrategie eines Unternehmens – festzulegen, wie Beschaffungserfolg (Wagner/Weber unterscheiden hier zwischen Beschaffungsergebnis, respektive Kostenreduzierung, und Beschaffungsleistung, respektive Kostenvermeidung) definiert und mit welchen Kenngrößen er gemessen wird:
- Neben den Kosten gilt es vor allem die Faktoren wie Qualität und Versorgungssicherheit abzubilden.
- Auch strategische Themen müssen berücksichtigt werden, wenngleich diese schwieriger mittels Kennzahlen zu operationalisieren sind. Beispiele für Kennzahlen zur Umsetzung der Beschaffungs- und Lieferantenstrategien sind der Aufbau und die Pflege von Geschäftsbeziehungen mit technologisch führenden Lieferanten oder deren...