Prof. Dr. Andreas Herlinghaus
Leitsatz
1. Die Beschränkung der GrSt-Befreiungen nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 und § 4 Nr. 1 GrStG auf solche Religionsgesellschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, sowie auf jüdische Kultusgemeinden ist nicht verfassungswidrig.
2. Die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens sind trotz der verfassungsrechtlichen Zweifel, die sich aus den lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkten des 01.01.1964 bzw. – im Beitrittsgebiet – des 01.01.1935 und darauf beruhenden Wertverzerrungen ergeben, jedenfalls für Stichtage bis zum 01.01.2007 noch verfassungsgemäß.
Normenkette
§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, § 4 Nr. 1 GrStG, Art. 3 Abs. 1, Abs. 3, Art. 4, Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3, Abs. 5, Art. 138 WRV, § 21 Abs. 1, § 27, § 78, § 83, § 85, § 129 BewG
Sachverhalt
Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein, der in Deutschland lebenden Menschen islamischen Glaubens die Möglichkeit zu ihrer Religionsausübung bietet. Nach seiner Satzung dient er ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken. Er erwarb 1994 ein in R gelegenes bebautes Grundstück. Das vorhandene Gebäude baute er um und errichtete einen Anbau.
Das FA rechnete das Grundstück dem Kläger zum 01.01.1995 zu und stellte ihm gegenüber den Einheitswert im Weg der Wert- und Artfortschreibung auf den 01.01.1997 auf 411 800 DM sowie die Grundstücksart "gemischt-genutztes Grundstück" fest. Hierbei berücksichtigte das FA die baulichen Veränderungen sowie die teilweise Nutzung des Gebäudes zu gemeinnützigen Zwecken und die sich daraus ergebende (teilweise) GrSt-Befreiung nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG.
Im Jahr 2006 bildete der Kläger aus zu Wohnzwecken genutzten Teilen des Gebäudes selbstständiges Wohnungseigentum. Im selben Jahr ging beim FA eine Kontrollmitteilung ein, nach der der Kläger bereits ab 1997 nicht mehr ausschließlich gemeinnützig tätig war und deshalb die Voraussetzungen für die GrSt-Befreiung nicht erfüllte.
Das FA schrieb daraufhin den Einheitswert für das Grundstück des Klägers auf den 01.01.2007 fort und stellte diesen auf 235 807 EUR fest. Hierbei berücksichtigte es einerseits den Flächenabgang infolge der Bildung des Wohnungseigentums und andererseits auch den Wegfall der GrSt-Befreiung nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG infolge der nicht mehr ausschließlich gemeinnützigen Tätigkeit des Klägers.
Einspruch und Klage (FG Düsseldorf vom 14.11.2008, 11 K 3633/07 BG, Haufe-Index 2182294) gegen die Wertfortschreibung auf den 01.01.2007, mit denen der Kläger geltend machte, das Grundstück sei nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 GrStG von der GrSt befreit, blieben erfolglos.
Entscheidung
Das sah auch der BFH so und wies deshalb die Revision des Klägers aus den unter Praxis-Hinweise genannten Gründen als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Der BFH stellt seinem Revisionsurteil zunächst Ausführungen dazu vorweg, dass die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens trotz der verfassungsrechtlichen Zweifel, die sich aus den lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkten (01.01.1964 bzw. 01.01.1935) ergeben, für Stichtage bis zum 01.01.2007 noch verfassungsgemäß sind. Diese Ausführungen entsprechen denjenigen im Urteil vom gleichen Tag in der Sache II R 60/08 (BFH/NV 2010, 1691, BFH/PR 2010, 392), weshalb insoweit auf die dortige Anmerkung verwiesen werden kann.
2. Was die Frage der Zulässigkeit der streitbefangenen Wertfortschreibung auf den 01.01.2007 betrifft, so konnte der BFH im Streitfall offenlassen, ob und in welchem Umfang der Wertfortschreibungsbescheid geänderten tatsächlichen Verhältnissen Rechnung trug oder einen Rechtsfehler der vorhergehenden Feststellung beseitigte. In beiden Fällen wäre – wie der BFH kurz ausführt – der gewählte Fortschreibungszeitpunkt 01.01.2007 zulässig, sei es nach § 22 Abs. 1 oder Abs. 3 BewG.Es ist dazu aber immerhin darauf hinzuweisen, dass das Gericht sich in einer Vielzahl von Parallelverfahren mit den angesprochenen Zulässigkeitsfragen intensiver auseinandersetzen musste (auch wenn es die entsprechenden Urteile nicht zur Veröffentlichung vorgesehen hat).
3. Was die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuerbefreiungen nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 oder § 4 Nr. 1 GrStG angeht, so war diese ungleich schwieriger zu beantworten. Der Kläger erfüllte insoweit die Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Befreiungsnormen offensichtlich nicht (dazu a), weshalb es auf die Frage ankam, ob er ggf. in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise von den entsprechenden Befreiungen ausgeschlossen wurde (dazu b bis d).
a) Der Kläger erfüllte die Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Befreiungsvorschriften deshalb nicht, weil er weder den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besaß noch eine jüdische Kultusgemeinschaft war. Von der GrSt befreit ist nach dem eindeutigen und einer erweiternden Auslegung daher nicht zugänglichen Wortlaut des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 GrStG nämlich nur der Grundbesitz, der von einer "Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts...