Leitsatz
Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 1 DBA Luxemburg sind die Einkünfte eines im Inland wohnenden Berufskraftfahrers mit luxemburgischem Arbeitgeber in Deutschland insoweit von der Besteuerung auszunehmen, als die Arbeit tatsächlich in Luxemburg ausgeübt worden ist (Bestätigung der Senatsbeschlüsse vom 22.1.2002, I B 79/01, BFH/NV 2002, 902 und vom 16.5.2002, I B 80/01, BFH/NV 2002, 1423). Dabei sind die auf Urlaubstage und auf arbeitsfreie Tage (Wochenenden, Feiertage) entfallenden Einkünfte des Berufskraftfahrers nicht in vollem Umfang, sondern lediglich anteilig der deutschen Besteuerung zu unterwerfen und im Übrigen von dieser freizustellen (entgegen BMF, Schreiben vom 13.3.2002, BStBl I 2002, 485).
Normenkette
Art. 10 Abs. 1 und 2 DBA-Luxemburg , Art. 16 DBA-Luxemburg , Art. 20 Abs. 2 Satz 1 DBA-Luxemburg
Sachverhalt
Die Kläger sind im Inland wohnende Eheleute, die für die Streitjahre 1997 bis 2000 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war als Berufskraftfahrer bei verschiedenen in Luxemburg ansässigen Speditionen angestellt. Nach seinen Erklärungen hat er sich im Rahmen seiner Fahrtätigkeit in 1997 zu 88,98 %, in 1998 zu 41,15 %, in 1999 zu 42,15 % und in 2000 zu 47,29 % in Luxemburg aufgehalten.
Das FA ermittelte die Anteile der in Luxemburg erzielten Arbeitseinkommen mit 75 % in 1997, 34,8 % in 1998, 30,2 % in 1999 und 40 % in 2000, die es dem Progressionsvorbehalt unterwarf. Die restlichen Arbeitseinkommen wurden im Inland besteuert. Bei der Berechnung der inländischen Anteile ging das FA einerseits von den tatsächlich in Deutschland und in Drittstaaten verbrachten Arbeitstagen sowie andererseits von der Anzahl der jährlich vereinbarten Arbeitstage, jeweils unter Einschluss von Urlaubstagen und sonstigen arbeitsfreien Tagen (Wochenenden, Feiertage), aus.
Dagegen wandten die Kläger sich mit ihrer Klage. Ihre Klage blieb erfolglos.
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache zurück: Zwar sei der Kläger mit seinen Löhnen in Deutschland grundsätzlich voll zu besteuern. Die in Rede stehenden Urlaubstage seien aber jedenfalls in jenem Umfang, in dem sie auf Luxemburg anteilig entfielen, dort zu versteuern.
Hinweis
Es ist ein Fall, der vorzugsweise Berater in den Grenzgebieten zu den deutschen Nachbarstaaten tangieren wird. Diese müssen zudem Mandantschaft aus dem Speditionsgewerbe haben. Dann kann die Entscheidung allerdings einschlägig und bedeutsam sein.
1. Es gibt nämlich immer wieder Streit darüber, wo im internationalen Fernverkehr eingesetzte Fernfahrer ihren Lohn zu versteuern haben, wenn sie zwar im Inland wohnen, jedoch für eine ausländische Spedition als Arbeitnehmer tätig sind. Art. 15 Abs. 3 OECD-MA (und in Einklang damit die meisten deutscherseits abgeschlossenen DBA) sieht für Seeleute und Piloten den Sitz der Reederei oder des Luftverkehrsunternehmens als maßgeblich für den Besteuerungszugriff des betreffenden Staats an. Vgl. dazu z.B. BFH, Urteil vom 5.11.2001, I R 55/00, BFH-PR 2002, 357. Die Fernfahrer wollen dem nicht nachstehen und orientieren sich am Sitz ihres Arbeitgebers als "Fixpunkt" für die Besteuerungszuordnung. Der BFH hat indes schon wiederholt klargestellt, dass das nicht geht. Eine vergleichbare Vorschrift für Speditionen fehlt in den DBA (vgl. zuletzt Beschlüsse vom 22.1.2002, I B 79/01, BFH/NV 2002, 902; vom 16.5.2002, I B 80/01, BFH/NV 2002, 1423).
Folglich findet Art. 15 Abs. 1 OECD-MA vorbehaltlose Anwendung: Es gilt das strikte Arbeitsortprinzip. Der Lkw-Fahrer hat seinen Arbeitsort im Fahrerhaus seines "Trucks". Da er in Deutschland infolge seines Wohnsitzes unbeschränkt steuerpflichtig ist (vgl. § 1 Abs. 1 EStG), steht das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn nach dem Welteinkommensprinzip Deutschland zu. Das betrifft jedenfalls den Einsatz des Fahrers in Deutschland und in Drittstaaten (vgl. insoweit Art. 21 OECD-MA). Lediglich jene Lohnanteile, die auf den anderen Vertragsstaat entfallen, sind dort zu versteuern. Im Urteilsfall war dies Luxemburg. (Und selbst dann beansprucht Deutschland das Besteuerungsrecht nach § 50d Abs. 8 EStG n.F. vom VZ 2004 an – zur Vermeidung sog. weißer Einkünfte – einseitig für sich, falls der Steuerpflichtige nicht nachweist, dass der andere DBA-Vertragsstaat auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat oder dass die in diesem Staat auf die Einkünfte festgesetzten Steuern entrichtet wurden.)
2. Sieht man von diesem letzteren Vorbehalt ab, erweist sich die Zuordnung von Urlaubstagen, von arbeitsfreien Sonn- und Feiertagen sowie von Krankheitstagen als unproblrmatisch: Das BMF will solche Tage vollen Umfangs Deutschland "zuschlagen" (BMF, Schreiben vom 13.3.2002, BStBl I 2002, 485). Speziell Luxemburg reklamiert sie wiederum voll für sich.
Der BFH geht einen Mittelweg und ordnet Urlaubs- und ähnliche arbeitsfreie Tage der deutschen und der luxemburgischen Besteuerungshoheit jeweils anteilig zu: "Eine vollständige Einbeziehung solcher Tage in die deutsche Besteuerung ist nicht gerechtfertigt...