LfSt Niedersachsen, Schreiben vom 22.12.2020, S 7107 - 39 - St 171
In Abschnitt 2b.1 Abs. 9 UStAE ist inzwischen eine grundlegende Regelung zu den hoheitlichen Hilfsgeschäften getroffen worden. Danach sind hoheitliche Hilfsgeschäfte, die der nichtunternehmerische Bereich einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (jPöR) mit sich bringt, grundsätzlich nicht steuerbar. Da große Hoheitsbetriebe oftmals entsprechend viele Hilfsgeschäfte tätigen, führt auch deren große Anzahl grundsätzlich nicht zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Betätigung und damit zur Steuerbarkeit.
Abschnitt 2b.1 Abs. 9 Satz 3 UStAE enthält jedoch eine Ausnahmeregelung, wonach eine Steuerbarkeit gegeben ist, wenn das Auftreten der jPöR am Markt wegen der Vielzahl ihrer Umsätze und des daraus resultierenden Handelns dem eines professionellen Händlers derart gleicht, dass eine Nichtsteuerbarkeit zu einer Wettbewerbsverzerrung führen würde. Es ist in diesen Fällen somit nicht auf die quantitative, sondern ausschließlich auf die qualitative Ausgestaltung abzustellen. Mit der Regelung wird klargestellt, dass eine jPöR, die sehr viele Hilfsgeschäfte ausführt, hiermit nichtunternehmerisch tätig ist, wenn sie die Geschäfte nach Art einer Privatperson abwickelt. Gleicht hingegen ihr Handeln dem eines professionellen Händlers, unterliegen die Hilfsgeschäfte der Umsatzsteuer. Hiervon ist z.B. regelmäßig auszugehen, wenn die jPöR zur Förderung ihrer vielen Hilfsgeschäfte händlertypische, aktive Verkaufsmaßnahmen ergreift oder die Anzahl der Verkäufe eine Betriebsorganisation wie bei einem professionellen Händler erforderlich macht.
Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben nunmehr weitergehende Fragen im Zusammenhang mit
- der Veräußerung von Fundsachen und anderen unanbringbaren Sachen,
- der Verwertung von Vermögen, das einem Land durch Aneignung nach § 928 BGB oder durch Fiskalerbschaft nach § 1936 BGB zugefallen ist, sowie
- der Verwertung von Sicherungsgut durch die Finanzämter bei Eintritt des Sicherungsfalls
erörtert.
1. Veräußerung von Fundsachen und anderen unanbringbaren Sachen
Für die Frage, ob eine jPöR bei der Veräußerung von Fundsachen oder anderen unanbringbaren Sachen einen eigenen Umsatz in Form einer Lieferung bewirkt oder aber die Veräußerung für den ursprünglichen Eigentümer oder Finder lediglich vermittelt, gelten keine Besonderheiten, sondern die allgemeinen Regeln. Tritt eine jPöR bei der Veräußerung von Fundsachen oder anderen unanbringbaren Sachen als Eigenhändler im eigenen Namen auf (vgl. Abschnitt 2.1 Abs. 3 und Abschnitt 3.7 UStAE), sind ihr die erzielten Erlöse als eigener Umsatz zuzurechnen, ohne dass es auf die Eigentumsverhältnisse ankommt. Die Umsätze der jPöR stellen ein hoheitliches Hilfsgeschäft dar, das nur unter den Bedingungen des Abschnitts 2b.1 Abs. 9 Satz 3 UStAE nachhaltig und damit unternehmerisch i.S.v. § 2 Abs. 1 UStG ausgeübt wird.
2. Verwertung von Vermögen, das einem Land durch Aneignung nach § 928 BGB oder durch Fiskalerbschaft nach § 1936 BGB zugefallen ist
Die Verwertung von Vermögen, das dem Land Niedersachsen durch Aneignung nach § 928 BGB oder durch Fiskalerbschaft nach § 1936 BGB zugefallen ist, stellt ein hoheitliches Hilfsgeschäft dar, welches nur unter den Bedingungen des Abschnitts 2b.1 Abs. 9 Satz 3 UStAE nachhaltig und damit unternehmerisch i.S.v. § 2 Abs. 1 UStG ausgeübt wird.
Etwas anderes gilt lediglich für die Fälle, in denen das Land oder der Bund im Rahmen einer Fiskalerbschaft Unternehmensvermögen des Erblassers verwertet. Da das ererbte Vermögen durch den Erbfall seinen Status als Unternehmensvermögen nicht verloren hat, stellen die Verwertungsumsätze, die das Land oder der Bund als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers durchführt, stets einen steuerbaren Vorgang dar, ohne dass es auf die Nachhaltigkeit ankommt (BFH-Urteil vom 13. Januar 2020, V R 24/07, BStBl 2011 II S. 241).
3. Verwertung von Sicherungsgut durch die Finanzämter bei Eintritt des Sicherungsfalls
Bei der Verwertung von Gegenständen nach den Vorschriften des Zweiten Abschnitts des Sechsten Teils der Abgabenordnung werden die Finanzbehörden im Wege der Zwangsvollstreckung tätig und sind nach Abschnitt 1.2 Abs. 2 UStAE nicht als Leistender in eine Lieferkette eingeschaltet. Hiervon abzugrenzen ist die Verwertung von Sicherheiten, die die Finanzbehörden durch rechtsgeschäftliche Verpflichtung erlangt haben, z.B. im Rahmen einer Stundung oder einer Aussetzung der Vollziehung. Sind die Verwertungsumsätze nach den allgemeinen Grundsätzen (siehe z.B. für die Verwertung von Sicherungsgut und von verpfändeten Sachen Abschnitt 1.2 Abs. 1 und 1a UStAE) dem Bund bzw. dem Land zuzurechnen, handelt es sich um hoheitliche Hilfsgeschäfte, die nur unter den Bedingungen des Abschnitts 2b.1 Abs. 9 Satz 3 UStAE nachhaltig und damit unternehmerisch i.S.v. § 2 Abs. 1 UStG ausgeübt werden.
Normenkette
UStG § 2b