Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Die Übertragung von Aktien im Rahmen eines US-amerikanischen "Spin-off" führt grundsätzlich zu Kapitaleinkünften i.S.des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG.
2. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist unter Fortführung der Rechtsprechung des BFH-Urteils vom 20. Oktober 2010, I R 117/08 (BFHE 232, 15) unionsrechtskonform dahin gehend auszulegen, dass eine Einlagenrückgewähr auch von einer Gesellschaft getätigt werden kann, die in einem Drittstaat ansässig ist und für die kein steuerliches Einlagekonto i.S.des § 27 KStG geführt wird.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 27 KStG, Art. 56, Art. 57 EG, Art. 63, Art. 64 Abs. 1 AEUV, § 560 ZPO, § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 155 FGO, Art. 3 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Die Klägerin erwarb im Jahr 2006 Aktien einer in den USA ansässigen Gesellschaft. Diese legte im Jahr 2008 die Ausgliederung ihrer Beteiligung an einer anderen US-amerikanischen Gesellschaft im Wege eines sog. "Spin-off" fest. Infolgedessen erhielt die Klägerin für jede ihrer Aktien eine weitere Aktie der ausgegliederten Gesellschaft.
Das FA legte den Wert der zugeteilten Aktien als Kapitaleinkünfte der Besteuerung zugrunde. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg (FG Nürnberg, Urteil vom 12.6.2013, 5 K 1552/11, Haufe-Index 5337167, EFG 2014, 188).
Entscheidung
Der BFH hat der Revision des FA stattgegeben, das Urteil des FG aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das FG zurückverwiesen.
Hinweis
1. Gegenstand des Urteils ist die Besteuerung der Zuteilung von Aktien im Rahmen eines sog. "Spin-off" einer in einem Drittstaat ansässigen Körperschaft nach dem Systemwechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren. Der I. Senat des BFH hat in seinem Urteil vom 20.10.2010, I R 117/08, BFH/NV 2011, 669, BFH/PR 2011, 218 zum Anrechnungsverfahren entschieden, dass die Zuteilung von Aktien im Rahmen eines "Spin-off" stets als Kapitaleinkünfte i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu erfassen seien. Die Zuteilung der Aktien könne jedoch auch als Einlagenrückgewähr i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zu qualifizieren sein, sodass sie nicht steuerbar wäre. Dieser Auffassung ist der BFH im zweiten Rechtsgang im Urteil vom 13.7.2016, VIII R 73/13, Haufe-Index 9805080 und im vorliegenden Verfahren gefolgt.
2. Danach kann bei der Aktienzuteilung durch eine in einem Drittstaat ansässige Körperschaft im Rahmen eines "Spin-off"auch nach dem Systemwechsel eine nicht steuerbare Einlagenrückgewähr i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG vorliegen.
Weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik noch aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass dies nach der Neuregelung des § 27 KStG ausgeschlossen sein soll.
3. Der kategorische Ausschluss einer nicht steuerbaren Einlagenrückgewähr bei einer in einem Drittstaat ansässigen Kapitalgesellschaft würde nach Auffassung des BFH gegen Art. 3 Abs. 1 GG und die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 56 EG, Art. 63 AEUV verstoßen. Rechtsfertigungsgründe hierfür sind nicht gegeben. Danach muss auch dem inländischen Gesellschafter einer Drittstaaten-Kapitalgesellschaft die Möglichkeit gegeben werden, eine Einlagenrückgewähr nachzuweisen.
4. Eine nicht steuerbare Einlagenrückgewähr einer in einem Drittstaat ansässigen Kapitalgesellschaft ist auch dann möglich, wenn diese kein steuerliches Einlagekonto führt und ein formelles Feststellungsverfahren i.S.d. § 27 Abs. 8 KStG fehlt. Die in § 27 KStG geregelten Nachweisvorschriften sind weder unmittelbar noch mittelbar anwendbar. Dies kann dazu führen, dass an den Nachweis einer Einlagenrückgewähr bei Drittstaaten-Körperschaften geringere Anforderungen zu stellen sind, als bei Anteilseignern im Inland und in EU-Mitgliedstaaten.
5. Aus den pauschalen Feststellungen des FG zum Eigenkapital der US-amerikanischen Kapitalgesellschaft konnte nach Auffassung des BFH nicht der Schluss gezogen werden, dass eine nicht steuerbare Einlagenrückgewähr vorlag. Er hat deshalb den Rechtsstreit zur Nachholung ausreichender Feststellung zum US-amerikanischen Recht an das FG zurückverwiesen. Das FG hat die erforderlichen Feststellungen zur Qualifikation der Sachausschüttung unter Berücksichtigung der Ausführungen des BFH-Urteils vom 13.7.2016, VIII R 73/13, BFH/NV 2016, 1827, BFH/PR 2017, 13, nachzuholen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.7.2016 – VIII R 47/13