Zuteilung von Aktien im Rahmen eines ausländischen "Spin-Off"
Hintergrund: Aufspaltung eines US-amerikanischen Unternehmens durch einen "Spin-Off"
Die Eheleute hielten in 2012 (Streitjahr) Aktien der KFI (US-amerikanische Kapitalgesellschaft). In 2012 übertrug die KFI ihre Lebensmittelsparte auf die neu gegründete KFG (ebenfalls US-amerikanische Kapitalgesellschaft) und erhielt dafür Aktien an der KFG. Gleichzeitig wurde die KFI in M-Inc. (M) umbenannt. Sodann teilte die M ihren Aktionären die erhaltenen KFG-Aktien im Verhältnis 3:1 zu, ohne dass das Kapital der M herabgesetzt wurde. Auf dem Depot der Eheleute wurden dementsprechend Aktien der KFG eingebucht. Die Depotbank ging (unter Berücksichtigung des Börsenkurses der KFG-Aktien) von einer steuerpflichtigen Sachausschüttung aus und behielt KapSt (zuzüglich SolZ) ein.
Die Eheleute waren der Auffassung, die Zuteilung der KFG-Aktien sei als nicht steuerbare Einlagenrückgewähr zu behandeln. Das FA bejahte dagegen einen steuerpflichtigen Kapitalertrag, dem es den Abgeltungsteuersatz zugrunde legte. Das FG wies die Klage ab. Die Übertragung neuer Aktien im Rahmen der Aufspaltung eines Unternehmens stelle grundsätzlich eine Sachausschüttung dar, die beim Anteilseigner zu Einkünften aus Kapitalvermögen führe.
Entscheidung: Drittstaatenabspaltung als steuerneutraler Anteilstausch
Der BFH hob das FG-Urteil auf und gab der Klage statt. Da die KFG-Aktien im Rahmen einer Drittstaatenabspaltung zugeteilt wurden, die ihrerseits einer inländischen Abspaltung i.S. des § 123 Abs. 2 UmwG vergleichbar ist, löst der Vorgang im Streitjahr 2012 keine Besteuerung aus.
Zuteilung der KFG-Aktien als Kapitalertrag
Die Zuteilung der KFG-Aktien von der M an die Eheleute führt bei isolierter Betrachtung zu einem Kapitalertrag i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, der mit der Einbuchung der Aktien auf dem Depot in Form einer Sachausschüttung zugeflossen ist. Für diesen steuerbaren Kapitalertrag der in den USA ansässigen M (bzw. ihrer Rechtsvorgängerin KFI) steht Deutschland abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht zu. Die Eheleute waren im Streitjahr im Inland wohnhaft und danach mit sämtlichen Einkünften unbeschränkt steuerpflichtig.
Keine (nicht steuerbare) Einlagenrückgewähr
Diese Sachausschüttung ist (mangels einer Einlagenrückgewähr seitens der M) nicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen. Die Ausschüttung wurde nicht durch die Rückgewähr von Einlagen i.S. des § 27 Abs. 1 Sätze 3 und 5 KStG finanziert. Des Weiteren handelt es sich bei dem Bilanzposten "retained earnings" nach den Feststellungen des FG um die in den früheren Jahren angesammelten Jahresüberschüsse und somit um den ausschüttbaren Gewinn i.S. des § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG.
Keine Ausnahme von der Besteuerung nach § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG
Nach § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG werden der Ertrag und die Anschaffungskosten von Anteilen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG, die einem Steuerpflichtigen zugeteilt werden, ohne dass dieser eine gesonderte Gegenleistung zu entrichten hat, mit 0 EUR angesetzt, wenn die Voraussetzungen der Sätze 3 und 4 nicht vorliegen und (wie nach Satz 5 a.F. gefordert) die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags nicht möglich ist. Hieran fehlt es im Streitfall. Die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags, die auch bei Auslandssachverhalten nicht unwiderleglich vermutet wird (BFH v. 4.5.2021, VIII R 17/18, BFH/NV 2021, 1579, und VIII R 14/20, BFH/NV 2021, 1675), ist wegen des Börsenkurses der zugeteilten KFG-Aktien ohne weiteres möglich.
Auch keine Ausnahme nach § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG
Die Zuteilung der KFG-Aktien ist auch nicht nach § 20 Abs. 4a Satz 7 i.V.m. Satz 1 und 2 EStG (steuerneutraler Anteilstausch) von der Besteuerung auszunehmen. Zwar sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des Satzes 7 (Abspaltung) erfüllt. Die Regelung ist jedoch im Streitjahr (2012) zeitlich noch nicht anwendbar. Satz 7 ist erstmals auf Abspaltungen anzuwenden, bei denen die Anmeldung zur Eintragung in das öffentliche Register nach dem 31.12.2012 erfolgt. Der streitige "Spin-Off" war jedoch bereits im Oktober 2012 vollzogen worden.
Drittstaatenabspaltungen in 2012 fallen jedoch noch unter § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG (steuerneutraler Anteilstausch)
Es ist umstritten, ob Abspaltungen in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG fallen. Uneinigkeit besteht darüber, ob bei einer Abspaltung auf Gesellschafterebene ein "Tausch" vorliegt. Der BFH konnte im Streitfall die Frage offen lassen. Jedenfalls gebietet die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV), dass der Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG bis zum Inkrafttreten des Satzes 7 auch Drittstaatenabspaltungen erfasst. Anderenfalls käme es im Streitjahr zu einer nicht zu rechtfertigenden Schlechterstellung inländischer Gesellschafter von Drittstaatengesellschaften gegenüber solchen von inländischen und ausländischen Gesellschaften der EU bzw. des EWR. Ein solcher Verstoß wäre nicht durch die Notwendigkeit, die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle zu gewährleisten, gerechtfertigt. Zur Vermeidung eines unionsrechtswidrigen Zustands ist daher § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG dahingehend auszulegen, dass die Norm bis zum Inkrafttreten des Satzes 7 (und somit im Streitjahr 2012) auch Drittstaatenabspaltungen erfasst.
Hinweis: Spätere Veräußerungsgewinne sind zu versteuern
Rechtsfolge des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG ist, dass der "Spin-Off" und die damit verbundene Zuteilung der KFG-Aktien an die Eheleute im Streitjahr bei diesen keine Besteuerung auslöst. Erst im Zeitpunkt einer späteren Veräußerung der KFG-Aktien oder der M-Aktien gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 (ggf. i.V.m. Abs. 2 Satz 2) EStG sind etwaige Veräußerungsgewinne zu besteuern. Dabei ist zu beachten, dass die KFG-Aktien auf Grund der Abspaltung steuerlich (anteilig) an die Stelle der bereits gehaltenen KFI- bzw. M-Aktien treten und deren Anschaffungskosten (anteilig) übernehmen.
BFH Urteil vom 19.10.2021 - VIII R 7/20 (veröffentlicht am 23.12.2021)
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