Leitsatz
Wird ein in Deutschland ansässiger Arbeitnehmer in den USA für einen Arbeitgeber tätig, der nach Maßgabe des Art. 4 DBA-USA 1989 sowohl in Deutschland als auch in den USA ansässig ist, so ist der auf diese Tätigkeit entfallende Arbeitslohn unter Progressionsvorbehalt von der ESt befreit.
Normenkette
Art. 4, Art. 15 Abs. 1 und 2, Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-USA 1989
Sachverhalt
Der Kläger war Arbeitnehmer einer nach US-amerikanischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft, für die in einem inländischen Handelsregister eine Zweigniederlassung eingetragen ist. Der Vorstand der Gesellschaft bestand aus drei Mitgliedern. Ihre Satzung bestimmte, dass sich der Sitz und das Hauptbüro der Gesellschaft in den USA befinde und dass mindestens einmal jährlich eine Aktionärsversammlung an einem Ort innerhalb der USA durchzuführen sei. Die Geschäftsleitung war nach Deutschland verlegt worden.
Der Kläger hielt sich im Rahmen seiner Arbeitstätigkeit in den Streitjahren zwischen 5 und 18 Tagen in den USA auf. Er behandelte die auf diese Zeiten entfallenden Einkünfte als unter Progressionsvorbehalt steuerfrei. Dem folgte das FA nicht, ebenso wenig wie das FG (EFG 2006, 397).
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf.
Art. 4 Abs. 3 DBA-USA 1989 weiche von Art. 4 Abs. 3 OECD-Musterabkommen ab und richte die abkommensrechtliche Ansässigkeit einer Kapitalgesellschaft nicht nach dem Ort der Geschäftsleitung aus. Vielmehr verlange das DBA-USA entsprechende Konsultationen zwischen den Vertragsstaaten und die Einigung über die Ansässigkeit. Da solche hier fehlten, bleibe es bei der Doppelansässigkeit der Kapitalgesellschaft, was wiederum – infolge der "Auch"-Ansässigkeit der Arbeitgeber-Kapitalgesellschaft in den USA – das Besteuerungsrecht nach Art. 15 Abs. 2 DBA-USA 1989 Deutschland ausschließe.
Hinweis
Ein Fall mit Seltenheitswert:
1. Der im Inland wohnende Steuerpflichtige arbeitet für einen ausländischen Arbeitgeber im Ausland und unterfällt nach dem mit dem betreffenden Staat abgeschlossenen DBA (Art. 15 Abs. 1 OECD-Musterabkommen) der dortigen Besteuerung. Im Inland ist er hingegen entsprechend freizustellen (Art. 23A Abs. 1 OECD-Musterabkommen). U.a. dann, wenn der Steuerpflichtige an weniger als 183 Tagen im Ausland tätig ist und zudem, wenn er nicht für einen Arbeitgeber "werkelt", der in dem Tätigkeitsstaat ansässig ist, dann bleibt das Besteuerungsrecht indes bei seinem Wohnsitzstaat (Art. 15 Abs. 2 OECD-Musterabkommen).
Das alles ist gängig und üblich. Das Besondere – und eben zugleich Seltene – des Falls ist der Umstand, dass der Arbeitgeber sowohl in Deutschland wie in dem anderen Vertragsstaat doppelt ansässig ist ("dual resident").
2. Für diesen letzteren Fall der Doppelansässigkeit kennt das OECD-Musterabkommen eine Regelung, um den Vorrang der einen oder der anderen Ansässigkeit für die Anwendung des Abkommens zu justieren. Es ist dies Art. 4 OECD-Musterabkommen, die sog. tie-breaker-rule.
Es ist nun umstritten, ob diese Regelung auch für die erwähnte Frage der Ansässigkeit des Arbeitgebers in Art. 15 Abs. 2 OECD-Musterabkommen einschlägig ist. Geht man von Letzterem jedoch aus (was wohl zutreffend ist), dann kommt es eben darauf an, welchen Vertragsstaat Art. 4 OECD-Musterabkommen für die Frage der Ansässigkeit aus Abkommenssicht als Vorrang ansieht.
Im Urteilsfall, der das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA betraf, ging das zulasten Deutschlands aus. Näheres dazu ergibt sich aus den nachfolgenden Entscheidungsgründen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 5.6.2007, I R 1/06