Leitsatz
Werden Darlehensforderungen, die im Rahmen eines Einzelunternehmens begründet und wertberichtigt wurden, später getilgt, so erhöht die Tilgung den laufenden Gewinn des Einzelunternehmens im Jahr der Tilgung. Das gilt auch, wenn sich der Einzelunternehmer vorübergehend atypisch still an dem Darlehensschuldner beteiligt und die Beteiligung ohne die Darlehensforderungen an einen Dritten veräußert hatte.
Normenkette
§ 4 EStG , § 5 EStG , § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger betrieb ein gewerbliches Einzelunternehmen. Daneben beteiligte er sich u.a. an der O-GmbH. Dieser gewährte er Darlehen, die er in den Bilanzen des Einzelunternehmens auswies und jeweils auf 1 DM abschrieb. Eine Außenprüfung erkannte die Darlehen als wertlos an. Die O-GmbH wurde im Handelsregister gelöscht.
Ab 1.10.1985 beteiligte sich der Kläger als atypisch stiller Gesellschafter an der OI-GmbH, die mit dem gleichen Unternehmensgegenstand wie die O-GmbH gegründet worden war und deren Anlagevermögen und Verbindlichkeiten übernommen hatte. In der Eröffnungsbilanz wies die OI-GmbH die Darlehens- und Zinsforderungen des Klägers mit 0 DM ("abgeschrieb.") aus.
In 1986 veräußerte der Kläger seine Beteiligung an der OI-GmbH für 1 000 DM an seine Ehefrau; die Ansprüche aus den Darlehen waren von der Veräußerung ausgenommen.
Im Streitjahr 1989 zahlte die OI-GmbH auf die Darlehen ca. 630 000 DM an den Kläger zurück. Das FA erfasste diese Zahlungen als gewerbliche Einkünfte 1989 des Einzelunternehmens.
Das FG wies die Klage ab. Darin hatte der Kläger geltend gemacht, die Tilgungsleistungen seien beim Aufgabegewinn im Jahr der Veräußerung der Beteiligung zu berücksichtigen.
Entscheidung
Die Entscheidung Der BFH bestätigte die Auffassung des FG und wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück.
Die nach der Veräußerung des Mitunternehmeranteils geleisteten Darlehenstilgungen würden im Jahr der Rückzahlung als außerordentlicher Ertrag den laufenden Gewinn des Einzelunternehmens erhöhen – nicht hingegen zu einem tarifbegünstigten Gewinn im Jahr der Veräußerung führen.
Hinweis
1. Die eigentliche Problematik des Streitfalls erschließt sich erst auf den zweiten Blick; die entscheidende Frage lautet nämlich: Was geschieht nach dem Wegfall einer Bilanzierungskonkurrenz mit dem Wirtschaftsgut "Darlehensforderung" – fällt dieses in das Betriebsvermögen des Einzelunternehmens zurück oder bleibt es nach der Aufgabe der Mitunternehmerstellung Restsonderbetriebsvermögen?
2. Mit der mitunternehmerischen Beteiligung des Klägers an der OI-GmbH waren die im Rahmen des Einzelunternehmens ausgewiesenen Darlehensforderungen zugleich Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmerschaft geworden. Bei der insoweit bestehenden Bilanzierungskonkurrenz hat nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Mitunternehmerschaft Vorrang – d.h. die Darlehensforderungen des Klägers waren im Rahmen der Gewinnermittlung der OI-GmbH als Sonderbetriebsvermögen des Klägers auszuweisen.
Zugleich sind die Darlehen – so der BFH – auch während des Bestehens der Mitunternehmerschaft nicht endgültig aus dem Betriebsvermögen des Einzelunternehmens ausgeschieden, sondern dort latentes Betriebsvermögen geblieben. Nach dem Wegfall der Bilanzierungskonkurrenz (durch Veräußerung der klägerischen Beteiligung) waren somit die Darlehensforderungen wieder in der Bilanz des Einzelunternehmens auszuweisen.
3. Nach dieser "Weichenstellung" war die vom Kläger angestrebte Lösung ausgeschlossen, dass die Tilgung ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 AO sei und der Gewinn deshalb im Weg einer Änderung der Bescheide für das Jahr der Veräußerung der Beteiligung als begünstigter Aufgabegewinn zu erfassen sei.
Eine rückwirkende Korrektur des Betriebsveräußerungs- oder -aufgabegewinns im Fall der Erfüllung ungewisser Forderungen käme nur dann in Betracht, wenn die Forderungen Restbetriebsvermögen des veräußerten oder aufgegebenen Betriebs geblieben wären. Sind sie hingegen – wie hier – zwischenzeitlich wieder in das Betriebsvermögen des Einzelunternehmens des früheren Mitunternehmers "zurückgefallen", fehlt es an einem erforderlichen Gewinnrealisierungstatbestand in Form der Entnahme.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.3.2002, XI R 9/01