Berücksichtigung von Beteiligungsverlusten bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG
Hintergrund: Gesetzliche Vorgaben
Die Anschaffungskosten u.a. für Anteile an Kapitalgesellschaften, für Wertpapiere und vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte sind erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder bei Entnahme im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG).
Sachverhalt: Kläger betreibt gewerbliches Einzelunternehmen und ist an GmbH beteiligt
- Der Kläger war zu 50% an der 1988 gegründeten X GmbH (GmbH) beteiligt. Darüber hinaus erbrachte er im Rahmen eines gewerblichen Einzelunternehmens Beratungsleistungen und vermietete Wirtschaftsgüter, u. a. an die GmbH.
- Seinen Gewinn aus dem gewerblichen Einzelunternehmen hatte der Kläger zunächst durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt.
- In den Bilanzen zum 31.12.2003, zum 31.12.2004 und zum 31.12.2005 hatte er sowohl die GmbH-Beteiligung als auch diverse Darlehensforderungen gegen die GmbH aktiviert.
- Für das Jahr 2006 legte der Kläger keine Bilanz vor, sondern lediglich eine vorläufige Gewinn- und Verlustrechnung. Für die Jahre 2009 bis 2013 reichte er Einnahmen-Überschuss-Rechnungen beim Finanzamt (FA) ein.
- Bereits im Jahr 2007 hatte die GmbH ihren Geschäftsbetrieb eingestellt. Im Jahr 2008 war über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Insolvenzverwalter hatte im Juli 2008 berichtet, die GmbH sei spätestens seit dem 31.12.2000 überschuldet gewesen. Stille Reserven hätten nicht existiert. Eine Fortführung des Unternehmens sei ausgeschlossen.
Mit seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2012 erklärte der Kläger einen Verlust aus der Auflösung der GmbH nach § 17 Abs. 4 EStG. Das FA erkannte diesen Verlust nicht an.
Rechtsgang
Das FG wies die Klage im ersten Rechtsgang ab. Auf die Revision des Klägers hin hob der BFH dieses Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Für die weitere Sachbehandlung wies der BFH darauf hin, dass der Kläger unwidersprochen in den Jahren 2009 bis 2013 Zahlungen über insgesamt 47.228,46 EUR aus seinem Privatvermögen geleistet habe, die als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung in Betracht kämen.
Im zweiten Rechtsgang beantragte der Kläger zusätzlich mit seinem Hilfsantrag die Berücksichtigung des Verlustes bei den gewerblichen Einkünften für die Jahr 2012 und 2013.
Das FG wies die Klage erneut ab. Zur Begründung führte es aus, ein Verlust könne nicht nach § 17 Abs. 4 EStG berücksichtigt werden, weil die GmbH-Beteiligung nicht zum Privatvermögen des Klägers gehört habe. Sie sei vielmehr in den Veranlagungszeiträumen 2003 bis 2006 notwendiges Betriebsvermögen des Einzelunternehmens des Klägers gewesen und auch nach Einstellung des Geschäftsbetriebs der GmbH und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen weiterhin Betriebsvermögen geblieben. Denn der Kläger habe die Beteiligung bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraums 2013 nicht entnommen.
Entscheidung: Beteiligung gehörte bis zum Streitjahr 2013 zum Betriebsvermögen
Der BFH entscheidet, dass die Revision des Klägers begründet ist. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
Die GmbH-Beteiligung einschließlich der streitigen Darlehensforderungen haben jedenfalls bis zum Streitjahr 2013 zum Betriebsvermögen des Einzelunternehmens des Klägers gehört.
Die Betriebsvermögenseigenschaft wird grundsätzlich erst dadurch beendet, dass der Steuerpflichtige die Beteiligung aus dem Betriebsvermögen entnimmt. Eine Entnahme setzt regelmäßig eine unmissverständliche, von einem Entnahmewillen getragene Entnahmehandlung voraus.
Änderung der Gewinnermittlungsart wirkt sich nicht aus
Die Änderung der Gewinnermittlungsart wirkt sich auf die Zusammensetzung des Betriebsvermögens nicht aus und führt insbesondere nicht zur Entnahme der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter oder zu einer Aufdeckung der stillen Reserven. Die ist für den Übergang zur Gewinnermittlung nach § 13a EStG in § 4 Abs. 1 Satz 6 EStG ausdrücklich geregelt, gilt darüber hinaus aber allgemein, sofern die Besteuerung der stillen Reserven gewährleistet ist.
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG nachvollziehbar und für den Senat bindend entschieden, dass die streitige Beteiligung bis zur Einstellung des Geschäftsbetriebs der GmbH im Jahr 2007 zum notwendigen Betriebsvermögen des Einzelunternehmens gehörte. Das FG hat schließlich ebenfalls bindend entschieden, dass die GmbH-Beteiligung bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraums 2013 nicht entnommen worden sei.
Zeitpunkt der Berücksichtigung von Beteiligungs- und Darlehensverlusten
Die Anschaffungskosten für Anteile an Kapitalgesellschaften, für Wertpapiere und vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte sind nach § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder bei Entnahme im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.
- Die Betriebsausgabe ist daher in dem Zeitpunkt anzusetzen, in dem die für das Wirtschaftsgut aufgewendeten Mittel endgültig verlorengegangen sind.
- Wann der Verlust in diesem Sinne endgültig ist, ist eine Frage der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls.
- Dem Steuerpflichtigen kommt hinsichtlich des Zeitpunkts der Verlustberücksichtigung kein Wahlrecht zu.
- In § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG ist zwar nicht geregelt, welche Folgen sich aus dem Verlust eines der dort genannten Wirtschaftsgüter ergeben. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist auch in solchen Fällen, wenn der Verlust des betreffenden Wirtschaftsguts betrieblich veranlasst ist, eine Betriebsausgabe in Höhe des aufgezeichneten Buchwerts (§ 4 Abs. 3 Satz 5 EStG) zu berücksichtigen.
Rechtsprechungsgrundsätze zur Berücksichtigung eines Beteiligungsverlustes nach § 17 Abs. 4 EStG greifen nicht
Auf die Rechtsprechungsgrundsätze zur Berücksichtigung eines Beteiligungsverlustes nach § 17 Abs. 4 EStG kann hier nicht zurückgegriffen werden.
Die Ermittlung des Gewinns oder Verlustes erfordert in diesen Zusammenhang eine Stichtagsbewertung auf den Zeitpunkt seiner Entstehung. Maßgebend ist dabei der Zeitpunkt, zu dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung der Gewinn oder Verlust realisiert wäre. Ein Verlust kann daher bereits in dem Jahr erfasst werden, in dem mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist. Das Zufluss-Abfluss-Prinzip des § 11 EStG gilt dort prinzipiell nicht.
Diese Grundsätze können hier aber keine Anwendung finden, da die Beteiligung nicht zum Privatvermögen des Klägers gehörte.
Verlust als „reguläre“ Betriebsausgabe
Der Verlust eines der in § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG genannten Wirtschaftsgüter stellt im Fall eines Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt, in entsprechender Anwendung des § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG eine „reguläre“ Betriebsausgabe dar. Diese ist im Rahmen der laufenden Gewinnermittlung zu erfassen. Eine hiervon abweichende, punktuelle – stichtagsbezogene – Gewinnermittlung mit einem Rückbezug aller nachträglich eintretenden Umstände auf den Veräußerungs- bzw. Verlustzeitpunkt, bei der der Anteilseigner den Verlust in einem einzigen zutreffenden Veranlagungszeitraum geltend machen muss, ist der Einnahmen-Überschuss-Rechnung fremd.
Der Verlust ist im Urteilfall daher zwingend in dem Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen, in dem die Mittel, die für das Wirtschaftsgut aufgewendet worden sind, endgültig verlorengegangen sind, ggf. nach Maßgabe der §§172 ff. AO.
Berücksichtigung in einem späteren Veranlagungszeitraum nicht möglich
Hat es der Steuerpflichtige versäumt, den Verlust zu diesem Zeitpunkt geltend zu machen, kommt eine Berücksichtigung in einem späteren Veranlagungszeitraum nicht in Betracht. Insoweit unterscheidet sich die Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung von der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich, bei der die Bilanzberichtigung gewinnwirksame Nachholungen ermöglicht.
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass die Mittel, die der Kläger – bis zum Jahr 2008 – für die GmbH-Beteiligung und die Darlehensforderungen aufgewendet hat, im Jahr 2008 endgültig verlorengegangen sind und daher nicht in den Streitjahren 2013 oder (hilfsweise) 2012 berücksichtigt werden können.
Hinweis: Kein Verlust nach § 17 Abs. 4 EStG aber möglichweise weitere laufende Betriebsausgaben im Streitjahr
Einen Verlust aus der Auflösung der GmbH nach § 17 Abs. 4 EStG konnte der Kläger im Urteilfall nicht geltend machen, weil seine Beteiligung nicht zum Privatvermögen gehörte. Die Sache war nach Ansicht des BFH aber noch nicht spruchreif; denn der Kläger hatte in den Streitjahren 2012 und 2013 möglicherweise noch weitere Aufwendungen im Zusammenhang mit der GmbH-Beteiligung getragen, die gegebenenfalls als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind. So enthielt eine im Jahr 2019 an das FG übersandten Aufstellung jedenfalls Zahlungen i. H. v. insgesamt 5.020 EUR, die auf das im Streitjahr 2013 entfallen würden. Ggf. seien diese Zahlungen nach den dargelegten Rechtsgrundsätzen als Betriebsausgaben der Streitjahre zu berücksichtigen. Das FG habe hierzu bisher keine Feststellungen getroffen. Es erhalte daher Gelegenheit, dies in einem dritten Rechtsgang nachzuholen.
BFH, Urteil v. 31.1.2024, X R 11/22; veröffentlicht am 29.8.2024
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