OFD Münster, Verfügung v. 23.8.2012, Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 7/2012
Der BFH hat mit Urteil vom 16.3.2010, VIII R 20/08 entschieden, dass Schuldzinsen für die Finanzierung der Anschaffungskosten einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung im Sinne von § 17 EStG, die auf Zeiträume nach Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen, ab dem Veranlagungszeitraum 1999 wie nachträgliche Betriebsausgaben als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden können.
Ab dem Veranlagungszeitraum 2009 ist der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten grundsätzlich ausgeschlossen. Statt dessen wird bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen als Werbungskosten ein Betrag von 801 EUR bzw. 1.602 EUR abgezogen (Sparer-Pauschbetrag).
Der Gesetzgeber hat mit § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG eine Option zur Anwendung der tariflichen Einkommensteuer eingeräumt. Voraussetzung ist, dass ein Anleger entweder bereits
- aufgrund seiner unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungshöhe (mind. 25 %) oder
- aufgrund seiner unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungshöhe (mind. 1 %) in Kombination mit einer beruflichen Tätigkeit
wesentlichen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen ausüben kann. Ein einmal gestellter Antrag gilt gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG für den Veranlagungszeitraum der Antragstellung und für die folgenden vier Veranlagungszeiträume als gestellt. Nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG findet das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG in diesen Fällen keine Anwendung.
Wurde die Beteiligung beendet, sind folgende Grundsätze zu beachten:
Auflösung/Veräußerung der Beteiligung vor dem 1.1.2009
Wurde die Beteiligung vor dem 1.1.2009 beendet, scheidet eine Anwendung der tariflichen Einkommensteuer nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG und damit auch ein Werbungskostenabzug aus.
Auflösung/Veräußerung der Beteiligung nach dem 31.12.2008
Wurde die Beteiligung, für die die Option nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG ausgeübt worden ist, nach dem 31.12.2008 beendet, gelten die Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG letztmalig für den VZ der Beendigung als erfüllt.
§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG dient lediglich der Verwaltungsvereinfachung in Form eines erleichterten Nachweises der Tatbestandsvoraussetzungen und ersetzt nicht das Vorliegen einer Beteiligung nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG. Sinkt die Beteiligung unter die Grenzen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG ist auch innerhalb der Frist des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG ein Werbungskostenabzug ausgeschlossen.
Beispiel
A hielt als Alleingesellschafter 100 % der Anteile an der der A-GmbH. Der Erwerb der Beteiligung wurde fremdfinanziert. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2009 übte A sein Optionsrecht nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG für die Beteiligung an der A-GmbH aus und beantragte den Abzug der angefallenen Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Am 15.12.2010 veräußerte A die Beteiligung. Dabei verblieb ein Schuldüberhang. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2011 macht A nachträgliche Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend.
Lösung
Da die Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG im VZ 2011 zu keinem Zeitpunkt erfüllt waren, kommt ein Abzug der Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nicht mehr in Betracht.
Die Option nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG kann somit letztmalig für den Veranlagungszeitraum Wirkung entfalten, in dem die Beteiligung dem Steuerpflichtigen noch als Einkunftsquelle zuzurechnen ist. Dies ist das Jahr der Veräußerung oder in Auflösungsfällen das Jahr, in dem der Veräußerungsverlust nach § 17 Abs. 4 EStG realisiert worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 19.4.2005, VIII R 45/04, BFH/NV 2005 S. 1545). Der Veräußerungsverlust nach § 17 EStG entsteht grds. im Zeitpunkt der Beendigung der Liquidation; auf das Jahr der Auflösung der Kapitalgesellschaft (z.B. durch Liquidationsbeschluss oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens) kommt es regelmäßig nicht an.
Ist z.B. mit Einnahmen nicht mehr zu rechnen und steht die Höhe der Anschaffungskosten fest, kann der Zeitpunkt der Verlustberücksichtigung auch bereits vor diesem Zeitpunkt liegen (z.B. wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde).
Steht erst in einem späteren Jahr fest, dass mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist, besteht die Beteiligung noch bis zu diesem (späteren) Zeitpunkt fort (z.B. wenn die Höhe der Anschaffungskosten noch ungewiss ist, weil ein Rechtsstreit bzgl. abgegebener Bürgschaftsversprechen zwischen der Bank und dem Gesellschafter noch andauert).
Die Verlustberücksichtigung erfolgt in dem Zeitpunkt, in dem der Verlust hinreichend konkretisiert ist, d.h. mit wesentlichen Veränderungen nicht mehr zu rechnen ist.
Normenkette
EStG § 32d Abs. 2 Nr. 3