Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
Es ist verfassungsgemäß, dass der durch § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG i.d.F. des FamFöG für die Jahre 2000 und 2001 eingeführte Betreuungsfreibetrag nur für Kinder, welche das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder behindert sind, gewährt wurde.
Normenkette
§ 32 Abs. 6 Satz 1 EStG (i.d.F. des FamFöG) , Art. 3 GG und , Art. 6 GG
Sachverhalt
Das FA berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 2000 für die Kläger zwei Kinderfreibeträge gem. § 32 Abs. 6 EStG in Höhe von 13.824 DM. Einen Kinderbetreuungsfreibetrag zog es nicht ab, weil die Kinder bereits das 16. Lebensjahr vollendet hatten.
Die Kläger waren der Ansicht, dass die Beschränkung des Kinderfreibetrags auf Kinder unter 16 Jahren verfassungswidrig sei. Das FG wies die Klage ab (EFG 2004, 992).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das Urteil. Der Gesetzgeber habe den Betreuungsfreibetrag auf Kinder unter 16 Jahren beschränken dürfen. Er sei nicht verpflichtet gewesen, die Altersgrenze bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres oder bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres hinauszuschieben. Die Berücksichtigung eines Erziehungsbedarfs, wie dies in § 32 Abs. 6 EStG ab dem VZ 2002 vorgesehen sei, könnten die Kläger in den Streitjahren noch nicht beanspruchen.
Hinweis
Das BVerfG hat mit seinem Beschluss vom 10.11.1998 2BvR 1057/91 u.a. (BStBl II 1999, 182) die bisherige Regelung zum Kinderfreibetrag ab dem VZ 2000 für verfassungswidrig angesehen, soweit sie den Betreuungsaufwand von verheirateten Eltern nicht berücksichtigt. Der Gesetzgeber hatte deshalb mit dem FamFöG vom 22.12.1999 (BGBI I 1999, 2552) für Kinder unter 16 Jahren und für behinderte Kinder ab dem VZ 2000 einen Betreuungsfreibetrag eingeführt (§ 32 Abs. 6 EStG). Um die Frage, ob die Beschränkung des Freibetrags auf Kinder unter 16 Jahren der Rechtsprechung des BVerfG Rechnung trägt, ging es im vorliegenden Fall.
Die Frage stellte sich nur für die VZ 2000 und 2001. Denn mit dem 2. FamFöG vom 16.8.2001 (BGBI I 2001, 2074) trat an die Stelle des Freibetrags für den Betreuungsaufwand ab dem VZ 2002 ein einheitlicher Freibetrag für Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsaufwand; die Altersgrenze von 16 Jahren hat der Gesetzgeber aufgegeben. Ergänzend wird nach § 33a Abs. 2 EStG n.F. nur noch der Sonderbedarf bei auswärtiger Unterbringung volljähriger Kinder als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt.
Der BFH nahm die stufenweise Erweiterung des Kinderfreibetrags zum Ausgangspunkt seiner Begründung. In einem ersten Schritt sei nur der Betreuungsfreibetrag eingeführt worden; es entspreche aber sowohl der Lebenserfahrung als auch allen bisherigen Regelungen im Einkommensteuerrecht (§§ 33a, 32 Abs. 6 EStG), dass der Betreuungsbedarf eines Kindes mit dem 16. Lebensjahr ende; es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass das BVerfG in der o.g. Entscheidung hiervon abweichen wollte. Das habe sich erst mit der Einführung des einheitlichen Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsfreibetrags geändert, mit dem berücksichtigt worden sei, dass die einzelnen Bedarfe eines Kindes im Lauf des Berücksichtigungszeitraums (bis zum 27. Lebensjahr) jeweils unterschiedlichen Raum einnehmen; während am Anfang typischerweise der Betreuungsbedarf überwiege, werde dieser mit zunehmendem Alter immer mehr durch den Erziehungsbedarf und später durch den Ausbildungsbedarf verdrängt (BT-Drucks. 14/6160, Seite 11).
Damit hat der BFH die Verfassungsmäßigkeit der schrittweisen Erweiterung des Kinderfreibetrags bestätigt. Ob in der Nichtberücksichtigung des Erziehungsbedarfs eines Kindes in den Streitjahren ein verfassungsrechtliches Defizit zu sehen war, hat der BFH nicht mehr geprüft. Es wäre aber nach dem o.g. Beschluss des BVerfG (vgl. dort Anschn. D I. 2. und D II. der Gründe) hinzunehmen gewesen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.8.2004, VIII R 18/04