Leitsatz
Dem Großen Senat des BFH wird gem. § 11 Abs. 2 FGO die folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt: Erstreckt sich die Befreiung der Betriebskapitalgesellschaft von der Gewerbesteuer nach § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG bei einer Betriebsaufspaltung auch auf die Vermietungs- und Verpachtungstätigkeit des Besitz(personen-)unternehmens?
Normenkette
§ 2 Abs. 1 GewStG , § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG , § 15 Abs. 2 EStG
Sachverhalt
Der verstorbene Ehemann der Klägerin erwarb 1989 ein psychiatrisches Wohn- und Pflegeheim, welches er anschließend einschließlich Inventar an die von ihm als Alleingesellschafter gegründete C-GmbH (Betriebsgesellschaft) verpachtete. Die C-GmbH betreibt seither das Wohn- und Pflegeheim. Sie ist gem. § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG von der Gewerbesteuer befreit. Seit dem Tod ihres Mannes führt die Klägerin als dessen Alleinerbin das Pachtverhältnis mit der C-GmbH fort, deren alleinige Anteilseignerin sie ist.
Das FA ging davon aus, die Klägerin sei mit ihrem Verpachtungsbetrieb (Besitzunternehmen) nicht deshalb von der Gewerbesteuer befreit, weil die C-GmbH die Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt habe. Das FA erließ deshalb gegenüber der Klägerin die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre 1990 bis 1996.
Das FG gab der Klage, mit der die Klägerin die Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge auf 0 DM begehrt hatte, statt (EFG 2001, 86). Im vom FA angestrengten Revisionsverfahren legte der X. Senat des BFH dem Großen Senat die im Leitsatz genannte Rechtsfrage zur Entscheidung vor.
Entscheidung
Der X. Senat hält die bisherige Rechtsprechung des BFH (vgl. zuletzt BFH, Urteil vom 19.3.2002, VIII R 57/99, BFH-PR 2002, 261), welche die Vorlagefrage verneint hat, für nicht überzeugend und befürwortet deshalb eine Erstreckung der Gewerbesteuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 GewStG auch auf das Besitzunternehmen. Es sei folgerichtig und geboten, den zur Begründung der Betriebsaufspaltung und damit zur Umqualifizierung der an sich vermögensverwaltenden Tätigkeit des Besitzunternehmens in eine gewerbliche Betätigung bemühten Gedanken der "wirtschaftlichen Einheit" des Besitz- und des Betriebsunternehmens ebenso bei der Beantwortung der Frage heranzuziehen, ob sich die Gewerbesteuerbefreiung des Betriebsunternehmens auch auf das Besitzunternehmen erstrecke. Die mit § 3 Nr. 20 GewStG verfolgten Zwecke (Verbesserung der Pflegestrukturen; Kostenentlastung bei den Trägern von Krankenhäusern, Pflegeheimen usw.) würden nur unvollkommen erreicht, sofern man eine Ausdehnung der Gewerbesteuerfreiheit auf das Besitzunternehmen ablehne.
Hinweis
Die bisherige Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung lässt sich dahin zusammenfassen, dass ungeachtet der stets betonten rechtlichen Selbstständigkeit von Besitz- und Betriebsunternehmen (grundlegend: BFH, Beschluss vom 8.11.1971, GrS 2/71, BStBl II 1972, 63) die "genuin" vermögensverwaltende Tätigkeit der Vermietung und Verpachtung beim Besitzunternehmen nur deshalb als gewerblich qualifiziert wird, weil das Besitzunternehmen sachlich und personell mit dem gewerblich tätigen Betriebsunternehmen verflochten ist und folglich das Besitzunternehmen "über das Betriebsunternehmen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt" (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 23.9.1998, XI R 72/97, BStBl II 1999, 281) bzw. "über das Betriebsunternehmen auf die Ausübung einer gewerblichen Betätigung gerichtet ist" (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 10.11.1982, I R 178/77, BStBl II 1983, 136).
Stellt man also für den "Belastungsgrund" der Gewerblichkeit des Besitzunternehmens auf den Gedanken der personellen und sachlichen Verwobenheit ("wirtschaftliche Einheit") zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen ab, so erscheint es inkonsequent, sich beim "Entlastungsgrund" der Gewerbesteuerbefreiung von diesem Gedanken zu lösen und stattdessen dem Gebot einer strikten Trennung das Wort zu reden (vgl. auch Seer, BB 2002, 1833: "Zick-Zack-Kurs"; ferner Söffing, BB 1998, 2289).
Damit im Einklang stehend hat der III. Senat des BFH für den Bereich des Investitionszulagenrechts in ständiger Rechtsprechung betont, dass "die an sich gegebene rechtliche Selbstständigkeit von Besitz- und Betriebsunternehmen zu vernachlässigen und dem Prinzip der wirtschaftlichen Einheit der verflochtenen Unternehmen .... der Vorrang einzuräumen" sei (BFH, Urteile vom 16.9.1994, III R 45/92, BStBl II 1995, 75; vom 20.5.1988, III R 86/83, BStBl II 1988, 739). Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BFH, die die rechtliche Relevanz dieser zum Investitionszulagenrecht getroffenen Aussagen auch im Bereich der gewerbesteuerrechtlichen Befreiungstatbestände mit dem nicht näher begründeten Hinweis auf die spezielle Zwecksetzung des Investitionszulagenrechts leugnet, sind diese Erwägungen durchaus auch bei der hier zu beurteilenden Streitfrage tragfähig (so auch mit ausführlicher und überzeugender Begründung Söffing, BB 1998, 2289, 2290 ff.).
Überdies muss man sich darüber im Klaren sein, dass im Fall einer Ablehnung der Erstrec...