Leitsatz
1. Die personelle Verflechtung verlangt – abgesehen vom Sonderfall der faktischen Beherrschung –, dass der das Besitzunternehmen beherrschende Gesellschafter auch in der Betriebskapitalgesellschaft die Stimmenmehrheit innehat und dort in der Lage ist, seinen Willen durchzusetzen; eine Beteiligung von exakt 50 % der Stimmen reicht nicht aus (Bestätigung des BFH-Urteils vom 30.11.2005 – X R 56/04, BFHE 212, 100, BStBl II 2006, 415).
2. Sind sowohl ein Elternteil als auch dessen minderjähriges Kind an der Betriebskapitalgesellschaft beteiligt, sind die Stimmen des Kindes jedenfalls dann nicht dem Elternteil zuzurechnen, wenn in Bezug auf die Gesellschafterstellung des Kindes eine Ergänzungspflegschaft angeordnet ist.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 181, § 1626 Abs. 1 Satz 2, § 1630 Abs. 1, § 1643 Abs. 3, § 1829 Abs. 1, § 1909, § 1915 Abs. 1, § 1922, § 2033 BGB, § 16, § 18 Abs. 1, § 35 Abs. 1, § 40, § 47 Abs. 1 GmbHG
Sachverhalt
Der im Streitjahr verstorbene Ehemann E der Klägerin war bis zu seinem Tode alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Nach deren Satzung reichte für die Beschlussfassung die einfache Mehrheit der Stimmen aus. Die Klägerin hatte der GmbH ein betrieblich genutztes Grundstück verpachtet. Nach dem Tode des E waren die Klägerin zu 50 % und ihre beiden Söhne V und M zu je 25 % an der GmbH beteiligt. M war noch minderjährig. Das Familiengericht ordnete eine Ergänzungspflegschaft für M an, die die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte und -pflichten des M in der GmbH umfasste. In der Gesellschaftsversammlung wurde mit Zustimmung der Ergänzungspflegerin beschlossen, die Klägerin zur einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführerin der GmbH zu bestellen.
Das FA sah die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung als erfüllt an. Die Klägerin könne die GmbH, obwohl sie nur 50 % der Stimmen innehabe, aufgrund ihrer elterlichen Vermögenssorge beherrschen. Das FG gab der Klage statt (FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 29.1.2019, 11 K 1398/16, Haufe-Index 14207664, EFG 2019, 1770).
Entscheidung
Das Revisionsverfahren, dem auch das BMF beigetreten war, führte nicht zur Aufhebung der Vorentscheidung. Der BFH urteilte, das FG habe zutreffend erkannt, dass es an der notwendigen personellen Verflechtung zwischen der Klägerin und der GmbH fehle.
Hinweis
Die wichtigste Erkenntnis dieses Urteil ist, dass eine "Patt-Situation", in der ein Gesellschafter nur exakt 50 % der Stimmen der Betriebsgesellschaft hält, grundsätzlich nicht ausreicht, um eine Betriebsaufspaltung zu begründen. Mit dieser Aussage bestätigt der X. Senat die langjährige höchstrichterliche Rechtsprechung.
1. Die für eine Betriebsaufspaltung notwendige personelle Verflechtung ist – abgesehen vom Sonderfall der faktischen Beherrschung – gegeben, wenn der Gesellschafter nach den gesellschaftsrechtlichen Stimmverhältnissen in der Lage ist, seinen Willen in beiden Unternehmen durchzusetzen. Für die Beherrschung einer GmbH ist es gesellschaftsrechtlich ausreichend – aber auch notwendig –, dass der Gesellschafter über die Stimmrechtsmehrheit verfügt, die der Gesellschaftsvertrag für Gesellschafterbeschlüsse vorschreibt. Dies gilt selbst dann, wenn der Gesellschafter ansonsten die laufende Geschäftsführung innehat (sog. Geschäfte des täglichen Lebens). Exakt 50 % der Stimmen reichen deshalb noch nicht aus.
2. Die Beherrschung einer GmbH ist auch zu verneinen, wenn ein Gesellschafter zwar nicht Mehrheitsgesellschafter ist, er aber als Geschäftsführer der GmbH die sog. Geschäfte des täglichen Lebens der Betriebsgesellschaft bestimmen kann. Es fehlt die notwendige Mehrheitsbeteiligung an der GmbH.
3. Bei der Prüfung der personellen Verflechtung können einem Elternteil die Gesellschaftsanteile seines minderjährigen Kindes nur dann zugerechnet werden, wenn gleichgelagerte wirtschaftliche Interessen gegeben sind.
4. Gemäß § 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB umfasst die elterliche Sorge auch das Vermögen des Kindes. Ist jedoch ein Ergänzungspfleger bestellt, erstreckt sich die elterliche Sorge gemäß § 1630 Abs. 1 BGB nicht auf Angelegenheiten des Kindes, für die ein Pfleger bestellt ist. Das bedeutet, dass Gesellschafterrechte und damit insbesondere auch Stimmrechte des minderjährigen Kindes ausdrücklich und vollumfänglich nicht mehr Teil der elterlichen Vermögenssorge sind.
Der Ergänzungspfleger vertritt die Interessen des minderjährigen Kindes in der Gesellschaft unabhängig von den elterlichen Interessen. Eine Vermutung, dass die Interessen des Elternteils und des minderjährigen Kindes gleichgelagert sind, besteht deshalb in einem solchen Fall nicht, sodass dem Elternteil die Gesellschaftsanteile im Rahmen einer Betriebsaufspaltung nicht zugerechnet werden können.
5. Mangels Entscheidungserheblichkeit musste der BFH auf die umstrittene Frage nicht eingehen, ob die zu Ehegatten ergangene Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 12.3.1985, 1 BvR 571/81, 1 BvR 494/82, 1 BvR 47/83, BStBl II 1985, 475) für minderjährige Kinder ents...