aa) Ausgangslage im Strafverfahren
Die Steuerfahndung kann insb. im Rahmen von Durchsuchungsmaßnahmen auf Erkenntnisse zu datenschutzrelevanten Vorgängen stoßen. Dabei darf nach solchen Erkenntnissen oder Unterlagen nicht gezielt gesucht werden, da die Ermittlungsbefugnisse sich im Rahmen der für die Steuerfahndungsmaßnahme erlassenen Durchsuchungsbeschlüsse halten müssen (AStBV 2023/2024 Nr. 56 ff.). Anders sieht es jedoch bei Zufallsfunden aus, die bei Gelegenheit der Durchsuchung gemacht werden und keinen Bezug zur Steuerfahndungsprüfung haben, AStBV 2023/2024 Nr. 57. Der Steuerpflichtige ist hier nicht mitwirkungspflichtig, so dass der Schutzgedanke des § 30 AO nicht greift (Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 30 AO Rz. 114 [Jan. 2024]).
Die Weitergabe solcher Informationen an dritte Behörden bedarf aber auch in diesen Fällen einer Rechtsgrundlage.
bb) Rechtsgrundlage gemäß DS-GVO und AO
Art. 6 DS-GVO kann nicht herangezogen werden. Die Steuerfahndung verarbeitet die personenbezogenen Daten zum Zwecke der Verfolgung von Straftaten (oder Ordnungswidrigkeiten), so dass die Regeln der DS-GVO gem. Art. 2 Abs. 2 lit. d DS-GVO nicht greifen. Vielmehr ist die sog. JI-Richtlinie (RL EU 2016/680) heranzuziehen, welche ihre Ausprägung im nationalen Recht im BDSG, Teil 3, gefunden hat. Dies wird auch in § 2a Abs. 4 AO klargestellt, welcher für diese Konstellationen nur die Teile 1 und 3 des BDSG für anwendbar erklärt.
cc) Rechtsgrundlage gemäß BDSG
Die Weiterverarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der JI-Richtlinie unterliegt den Regelungen von §§ 49, 45 BDSG. Bereichsspezifisches Sonderrecht geht jedoch gem. § 1 Abs. 2 BDSG vor (hier z.B. das OWiG). § 49 BDSG erlaubt eine Weiterverarbeitung für Zwecke der Strafverfolgung i.S.v. § 45 BDSG (Verfolgung oder Ahndung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten [grds. jeder Art]) und bei ausdrücklicher gesetzlicher Regelung. Die Weiterverarbeitung muss einem Zweck dienen, zu dem der Verantwortliche befugt ist und sie muss erforderlich und verhältnismäßig sein (Albers/Schimke in BeckOK, BDSG, § 49 Rz. 20, 30 [Mai 2024]; Heckmann/Scheurer in Gola/Heckmann, BDSG, 3. Aufl. 2022, § 49 Rz. 14). Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit sind die Wertungen des § 30 AO zu berücksichtigen, d.h. aufgrund des Schutzzwecks dürfen nur Informationen für ein potentielles Strafverfahren (Abs. 4 Nr. 4) weitergegeben werden.
dd) Rechtsgrundlage gemäß StPO
Wird die Steuerfahndung im Strafverfahren tätig, so gelten spezialgesetzlich die Regelungen der StPO (z.B. § 483 StPO). Bei Zufallsfunden aus einem solchen Verfahren müssen die Beamten nicht an den Unterlagen/Dokumenten "vorbei gehen"; sie können diese vielmehr sogar nach § 108 StPO beschlagnahmen und die Staatsanwaltschaft hierüber in Kenntnis setzen. Im Einzelfall kann eine Abgabe des Verfahrens in Betracht kommen (AStBV 2023/2024 Nr. 22 Abs. 1 Nr. 4). § 108 StPO ermöglicht ein solches Vorgehen nur, wenn Hinweise auf eine Straftat bestehen. Ordnungswidrigkeiten sind vom Wortlaut her nicht erfasst (vgl. Hegmann in BeckOK, StPO, § 108 Rz. 3 [April 2024).
Die Information der Staatsanwaltschaft bei datenschutzrelevanten Straftaten ist damit zulässig.
Beraterhinweis Dir Frage, ob eine Beschlagnahme von Unterlagen bei Zufallsfunden rechtmäßig war oder nicht, ist hier noch Teil des Steuerfahndungsverfahrens. Im Zweifel sollte daher zeitnah eine gerichtliche Prüfung eingeleitet werden.
ee) Rechtsgrundlage gemäß OWiG
Soweit im Verfahren der Steuerfahndung Ordnungswidrigkeitenrecht anzuwenden ist, richten sich die Verarbeitungsregeln für personenbezogene Daten, und damit die Übermittlung an andere Behörden, gemäß AStBV 2023/2024 Nr. 137 Abs. 2 nach den §§ 49a bis 49d OWiG. Diese sind als Spezialvorschriften vorrangig vor den Regelungen des BDSG.
§ 49a OWiG gestattet die Übermittlung von Erkenntnissen aus einem Bußgeldverfahren für ein Strafverfahren oder anderes OWi-Verfahren, insb. aber unter Berücksichtigung der Einschränkungen des § 479 Abs. 1 StPO (Lampe in Karlsruher Kommentar, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 49a Rz. 14; Bücherl in BeckOK/OWiG, 42. Aufl. 2024, § 49a Rz. 17). Hier greift wieder das Steuergeheimnis als Begrenzungsnorm (Wittig in BeckOK, StPO, § 479 Rz. 4 [April 2024]). § 30 Abs. 4 Nr. 4a AO gestattet die Weitergabe nur für ein Strafverfahren. Die gleiche Regelungskette greift, wenn eine Bußgeldbehörde selbst nach § 49b OWiG ein Ersuchen stellt (Nr. 3). Auch hier darf eine Weitergabe nur hinsichtlich eines Strafverfahrens erfolgen. Da die Aufsichtsbehörden Strafverfahren nicht selber verfolgen, §§ 35, 40, 41 OWiG, kann nur eine Übermittlung an die Staatsanwaltschaft erfolgen.
Die Besonderheiten der Abgabenordnung führen hier zu einem besonders hohen Schutz des Steuerpflichtigen. Anders ist es z.B. in Kartellrechtsverfahren. Dort ist anerkannt, dass über § 46 Abs. 1 OWiG der § 108 StPO angewendet werden kann, wenn nur der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit besteht (Wiedemann, Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, § 57 Rz. 38, m.w.N. zur Rspr.).
Straftaten im datenschutzrechtlichen Bereich sind in § 42 BDSG geregelt. Dabei stehen gewerbsmäßige unrechtmäßige Datenübermittlungen sowie Taten mit Bereicherungs- oder Schädigungsabsich...