In einem aktuell entschiedenen BFH-Urteil, veröffentlicht am 11.4.2024[1], wurde bei einem Restaurantbetreiber für die Jahre 2011 bis 2024 eine Betriebsprüfung durchgeführt. Den überwiegenden Teil seiner Einnahmen nahm der Restaurantbetreiber bar ein und verwendete hierfür eine elektronische Registrierkasse einer Bauart, die in den 1980er Jahren entwickelt worden war. Das FA ging im Rahmen der Prüfung davon aus, dass die Aufzeichnungen des Restaurantbesitzers nicht ordnungsgemäß erfolgten und nahm eine Vollschätzung der Erlöse vor, was zu einer Vervierfachung der bislang erklärten Umsätze führte.

Hiergegen wandte sich der Restaurantbetreiber. Im Rahmen des geführten Rechtsstreits vor dem FG Niedersachsen beauftragte das FG einen Sachverständigen mit der Begutachtung der vom Steuerpflichtigen eingesetzten Registrierkasse. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass ein bestimmter, interner Zähler der Kasse, der die Lückenlosigkeit der Tagesausdrucke sicherstellen soll, durch Eingabe entsprechender Codes verändert werden könnte. Eine solche Veränderung der Kasse könnte allerdings im Zuge von Kassenreparaturen erforderlich werden. Das FG nahm aufgrund des Gutachtens an, dass die Kasse als objektiv manipulierbar eingruppiert werden muss und damit dem FA der Weg der Vollschätzung offenstünde. Eine tatsächliche Manipulation konnte das FA, aber auch das FG nicht feststellen.

Der BFH hob die Entscheidung zur Vollschätzung des FG auf und begründete seine Entscheidung wie folgt:

Die Verwerfung der Gewinnermittlung eines Steuerpflichtigen und Vornahme einer Vollschätzung seiner Umsatzerlöse ist nur zulässig, soweit gravierende Mängel in der Gewinnermittlung und Kassenführung festgestellt werden. Die Nutzung eines objektiv manipulierbaren Kassensystems kann einen formellen Mangel mit hoher Gewichtung darstellen. Das Gewicht dieses Mangels kann sich unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Vertrauensschutzgrundsatzes in Einzelfällen auf ein geringeres Maß reduzieren. Das Gewicht dieses Mangels lässt sich insbesondere dann reduzieren, wenn das genutzte Kassensystem zur Zeit seiner Nutzung verbreitet genutzt und allgemein akzeptiert war und darüber hinaus eine vorgenommene Manipulation unwahrscheinlich erscheint.

Der BFH führt weiter aus, dass die Verwendung einer objektiv manipulierbaren, elektronischen Registrierkasse einfacher Bauart vorliegende formelle Mangel keine Schätzungsbefugnis begründet. Insbesondere dann nicht, wenn der Steuerpflichtige in anderer Weise Aufzeichnungen führt, die in hinreichender Weise für die Vollständigkeit der erfassten Einnahmen sprechen.

Mit dieser Rechtsprechung ergänzt der BFH seine Aussagen zum sog. Zeitreihenvergleich.[2]

 
Wichtig

Gewichtung vornehmen

Mit seinem Urteil v. 28.11.2023 macht der BFH erneut deutlich, dass Hinzuschätzungen bei Vorliegen materieller Mängel nicht ohne weitere Prüfung eine Vollschätzung durch das FA hingenommen werden muss. Vielmehr ist der materielle Mangel zu gewichten.

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