Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Das Einkommensteuergesetz stellt an mehreren Stellen auf die "Betriebsstätte" ab. So unterliegen die Einkünfte aus einer inländischen Betriebsstätte der beschränkten Einkommensteuerpflicht. Der Betriebsstättenbegriff hat auch Bedeutung bei der sog. Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG. Dort sind Einkünfte ausländischer Betriebsstätten im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs des Gesamtunternehmens zu erfassen und führen zu einem um die ausländischen Gewinnanteile erhöhten oder verminderten Gewinn. Bei der Übertragung stiller Reserven bei der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter (insbesondere von Grund und Boden sowie Gebäude) nach § 6b EStG kommt eine steuerneutrale Übertragung u. a. nur dann in Betracht, wenn
- die veräußerten Wirtschaftsgüter im Zeitpunkt der Veräußerung mindestens 6 Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehört haben und
- die angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehören.
Für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte des Gewinneinkünfte erzielenden Steuerpflichtigen greift nach § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG die Beschränkung des Kostenabzugs auf die sog. Entfernungspauschale. Bei dieser Vorschrift wird die Diskrepanz zwischen dem für die Gewerbesteuer maßgebenden Betriebsstättenbegriff des § 12 AO und dem Betriebsstättenbegriff des § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG deutlich.
Für das Vorliegen einer gewerbesteuerrechtlichen Betriebsstätte ist eine über die bloße Nutzungsmöglichkeit hinausgehende, nicht nur vorübergehende, ggf. auch behördlich eingeräumte, rechtliche Verfügungsmacht an Geschäftseinrichtungen oder Anlagen erforderlich, die nicht nur einmalig, kurzfristig oder vorübergehend, aber nicht notwendigerweise ununterbrochen zu Unternehmenszwecken genutzt werden. Maßgebend ist die Ausübung der tatsächlichen Verfügungsmacht. Dementsprechend hat der BFH daher bei einem Bezirksschornsteinfegermeister entschieden, dass die zu seinem hoheitlichen Kehrbezirk gehörenden Kamine, Heizungen und sonstigen Einrichtungen weder für sich noch in ihrer Gesamtheit als gewerbesteuerrechtliche Betriebsstätte angesehen werden können. Denn die gewerbliche Tätigkeit als Bezirksschornsteinfegermeister umfasst nicht die erforderliche Verfügungsmacht über die zu reinigenden, zu wartenden oder zu prüfenden Anlagen.
Derselbe selbstständige Schornsteinfegermeister hat jedoch ertragsteuerlich eine Betriebsstätte i. S. v. § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG. Der dortige Betriebsstättenbegriff ist wegen der gebotenen Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Selbstständigen weiter zu fassen als im Rahmen des § 12 AO und als die von der Wohnung getrennte Beschäftigungsstätte zu verstehen. Eine abgrenzbare Fläche oder Räumlichkeit und eine hierauf bezogene eigene Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen ist – im Unterschied zur Geschäftseinrichtung oder zur Anlage i. S. v. § 12 AO – nicht erforderlich.
Forstflächen, die der Steuerpflichtige nicht mit einer gewissen Nachhaltigkeit, sondern nur gelegentlich aufsucht, stellen jedoch keine großräumige Betriebsstätte i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG dar.