Prof. Dr. René Schäfer, Simon Hauck
Rz. 40
Zivilrechtlich gehört das Gebäude als wesentlicher Bestandteil zu einem einheitlichen Vermögensgegenstand, dem Grundstück, mit dem es verbunden ist (§§ 93, 94 BGB). Einkommensteuerrechtlich sind Grundstücke und Gebäude selbstständige Wirtschaftsgüter. Dennoch können das Grundstück und das Gebäude nur einheitlich dem Betriebsvermögen oder dem Privatvermögen zugeordnet werden, weil der Grund und Boden und das darauf errichtete Gebäude nur einheitlich für betriebliche oder private Zwecke genutzt werden können. Bei Grundstücken und Gebäuden gilt der Grundsatz der Unteilbarkeit nicht.
Rz. 41
Wird ein Gebäude teils eigenbetrieblich, teils fremdbetrieblich, zu eigenen und teils zu fremden Wohnzwecken genutzt, ist jeder der 4 unterschiedlich genutzten Gebäudeteile ein besonderes Wirtschaftsgut, weil das Gebäude in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen steht. Wegen der unterschiedlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhänge, in denen die verschiedenen Gebäudeteile stehen, ist es gerechtfertigt, gerade "ebenso viele" Wirtschaftsgüter anzunehmen. Der sog. Einheitlichkeitsgrundsatz ist aber insoweit zu beachten, nach dem es unzulässig ist, einen fremdbetrieblich genutzten Gebäudeteil von vornherein teilweise dem Betriebs- und teilweise dem Privatvermögen zuzuordnen.
Nach § 8 EStDV brauchen aber eigenbetrieblich genutzte Grundstücksteile von untergeordnetem Wert nicht als Betriebsvermögen behandelt zu werden, wenn ihr Wert nicht mehr als 1/5 des gemeinen Werts des gesamten Grundstückes und nicht mehr als 20.500 EUR beträgt.
Rz. 42
Tritt nachträglich eine Nutzungsänderung eines Gebäudeteils ein, kann weder die Nutzungsänderung als solche noch die Tatsache, dass nunmehr ein Funktionszusammenhang zu einem vergleichbar genutzten weiteren Gebäudeteil besteht, als schlüssige Entnahmehandlung gewertet werden. So verliert ein zunächst betrieblich genutzter Gebäudeteil seine Eigenschaft als Betriebsvermögen nicht dadurch, dass er zu fremden Wohnzwecken vermietet wird und sich in dem Gebäude ein weiterer zu fremden Wohnzwecken vermieteter Gebäudeteil befindet, der zum Privatvermögen gehört.
Der Steuerpflichtige hatte zuerst eine Wohnung zu eigenen beruflichen Zwecken genutzt; dann erfolgte eine Vermietung zu fremdgewerblichen Zwecken, die abgelöst wurde von einer Vermietung zu Wohnzwecken. Durch die erste Vermietung hatte die Wohnung ihre Eigenschaft als Betriebsvermögen verloren, war aber kein notwendiges Privatvermögen geworden, sondern nunmehr als geduldetes Betriebsvermögen (vgl. dazu Punkt 1.3, Rz. 12) dem betrieblichen Bereich des Steuerpflichtigen zuzuordnen. Die zweite Vermietung hat an dem Zustand nichts geändert. Der Steuerpflichtige hatte die Wohnung weiterhin in seinem Anlageverzeichnis als Betriebsvermögen ausgewiesen. Die Wohnung ist weiterhin Betriebsvermögen geblieben.
Weiteres Beispiel:
Ein bisher zum Privatvermögen gehörender Gebäudeteil, der nunmehr für fremde gewerbliche Zwecke vermietet wird, bleibt Privatvermögen, auch wenn der Steuerpflichtige einen weiteren, schon vorher für fremde betriebliche Zwecke vermieteten Gebäudeteil dem gewillkürten Betriebsvermögen zugeordnet hat. Der BFH betonte, dass die Aufteilung eines Gebäudes in verschiedene Gebäudeteile bei der nachträglichen Nutzungsänderung eines bilanzierten Gebäudeteils nicht deshalb zu einer Entnahme führt, weil nunmehr ein Funktionszusammenhang zu einem vergleichbar genutzten weiteren nicht bilanzierten Gebäudeteil besteht. Ein nachträglich entstandener einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang kann nicht zu einer Einlage führen.
Rz. 43
Sofern Gebäudeteile nicht in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem betreffenden Gebäude stehen, sind sie selbstständige Wirtschaftsgüter. Ein gesonderter Nutzungs- und Funktionszusammenhang, der zu einer Einordnung als selbstständige Gebäudeteile führt, besteht insbesondere bei Betriebsvorrichtungen, bei Scheinbestandteilen und bei Ladeneinbauten. Keine selbstständigen Wirtschaftsgüter sind Fahrstuhlanlagen, Heizungsanlagen sowie Betriebsstätten- und Entlüftungsanlagen, also solche Bestandteile, die nur der Nutzung des Gebäudes selbst dienen. Gehört das Grundstück nur teilweise dem Betriebsinhaber, kann es nur insoweit Betriebsvermögen sein, als es dem Betriebsinhaber gehört.