Leitsatz
Der Handelsbilanzwert für eine Rückstellung bildet auch nach Inkrafttreten des BilMoG gegenüber einem höheren steuerrechtlichen Rückstellungswert die Obergrenze (Anschluss an die BFH-Urteile vom 11.10.2012 ‐ I R 66/11, BFHE 239, 315, BStBl II 2013, 676; vom 13.07.2017 ‐ IV R 34/14, BFH/NV 2017, 1426).
Normenkette
§§ 5 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG, § 8 Abs. 1 KStG, § 249 Abs. 1 Satz 1, § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB
Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist im Abbau und der Verwertung von Rohstoffen tätig. Für Verpflichtungen zur Rekultivierung von Abbaugrundstücken bildete sie Rückstellungen.
In der Handelsbilanz zum 31.12.2010 erfasste sie Ansammlungsrückstellungen, wobei geschätzte Kostensteigerungen bis zum Erfüllungszeitpunkt einbezogen wurden und der Erfüllungsbetrag abgezinst wurde. Steuerrechtlich erfolgte die Ermittlung ohne künftige Kostensteigerungen und ohne Abzinsung. Der Rückstellungsbetrag in der Handelsbilanz betrug daher 295.870 EUR; der in der Steuerbilanz 348.105 EUR.
Nach einer Außenprüfung kürzte das FA die Rückstellung auch in der Steuerbilanz auf 295.870 EUR, weil ansonsten steuerrechtlich ein höherer Rückstellungsbetrag als in der Handelsbilanz ausgewiesen werde. Für den sich aus der erstmaligen Anwendung des BilMoG ergebenden Gewinn bildete es nach R 6.11 Abs. 3 Satz 2 EStR 2012 eine Rücklage i.H.v. 14/15 des sich aus der Auflösung der Rückstellung ergebenden Gewinns (jährlich 2.321 EUR).
Das FG (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7.12.2016, 1 K 1912/14, Haufe-Index 10484588, EFG 2017, 693) wies die Klage ab, weil der handelsrechtlich anzusetzende, abgezinste Wert nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG für die Steuerbilanz als Obergrenze zu beachten sei.
Entscheidung
Der BFH wies auch die Revision als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Nach Auffassung des BFH ergab sich vor Inkrafttreten des BilMoG aus dem Einleitungssatz des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG, wonach Rückstellungen "höchstens insbesondere" mit den Beträgen nach den folgenden Grundsätzen anzusetzen sind, dass die sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a bis f EStG ergebenden Rückstellungsbeträge den zulässigen Ansatz nach der Handelsbilanz nicht überschreiten dürfen (BFH, Urteil vom 11.10.2012, I R 66/11, BFH/NV 2013, 622, BStBl II 2013, 676, Rz. 14; BFH, Urteil vom 13.7.2017, IV R 34/14, BFH/NV 2017, 1426, Rz. 29). Der Ansatz in der Handelsbilanz bildete also die Obergrenze für den Ansatz in der Steuerbilanz.
2. Der Gesetzgeber des BilMoG führte in der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 16/10067, S. 41) aus, das BilMoG sei "grundsätzlich auf Steuerneutralität angelegt". Einzelne Änderungen wirkten sich jedoch "über den Grundsatz der Maßgeblichkeit auf die steuerliche Gewinnermittlung aus". Um diesen Auswirkungen entgegenzusteuern und das Ziel der Steuerneutralität zu wahren, seien "die im Gesetzentwurf enthaltenen steuerlichen Anpassungen" vorgenommen worden. Eine Änderung des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG erfolgte jedoch (trotz Änderung des § 249 HGB) nicht.
3. Dieses gesetzgeberische Unterlassen führt nun dazu, dass aufgrund des unveränderten Einleitungssatzes des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG handelsrechtliche Änderungen im Bereich der Rückstellung in manchen Fällen über den Maßgeblichkeitsgrundsatz auf das Steuerrecht durchschlagen. Möchte der Gesetzgeber das korrigieren, müsste er insoweit das Gesetz ändern.
4. Man kann sicher zweifeln, ob dies gleichheitsrechtlich völlig unproblematisch ist. Da das BVerfG (BVerfG, Beschluss vom 12.5.2009, 2 BvL 1/00, BStBl II 2009, 685, Rz. 33 ff.) jedoch beim Thema Rückstellung einen eher zurückhaltenden Standpunkt einnimmt ("nicht ohne weiteres verfassungsrechtlich erhebliche Einzelregelungen"), dürfte der Gesetzgeber mit der unterlassenen Anpassung des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStGkeinen Verfassungsverstoß begangen haben.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.11.2019, XI R 46/17