Steuerliche Wertobergrenze von Rückstellungen
Im Juli 2012 sorgten die OFD Münster und Rheinland mit ihren Verfügungen im Zusammenhang mit der steuerrechtlichen Wertobergrenze von Rückstellungen für Diskussionen. Beide vertraten die Auffassung, dass im Fall eines höheren Rückstellungsbetrags für die Steuerbilanz der niedrigere Wert der Handelsbilanz zum Ansatz kommt und damit die neue Wertobergrenze darstellt.
Nach § 5 Abs.1 Satz 1 EStG gilt für die Steuerbilanz die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Vorschriften. Ausnahmen dieser Regelung sind lediglich beim Vorliegen steuerlicher Sondervorschriften, wie bei der Bewertung von Rückstellungen, zulässig. Da sich bis zur Einführung des BilMoG im Jahr 2009 grundsätzlich ein niedrigerer Rückstellungsbetrag für die Steuerbilanz ergab, wurde dieser gemäß der steuerlichen Sonderregelung angesetzt.
Änderungen in der handelsrechtlichen Bewertung von Rückstellungen
Mit dem BilMoG kam es allerdings im Bereich der handelsrechtlichen Bewertung von Rückstellungen zu einigen Änderungen. Die Bewertung hat seither nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB mit dem nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrag zu erfolgen. Zusätzlich gilt für Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von über einem Jahr ein Abzinsungsgebot mit dem der Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz der letzten sieben Jahre. Im Vergleich dazu gilt auf der steuerlichen Seite ein fester Zinssatz von 5,5 %. Abgezinst wird hier lediglich bis zur Erfüllung der Verpflichtung.
Aufgrund dieser abweichenden Vorschriften in Handels- und Steuerbilanz kann die Wertermittlung zu einem niedrigeren Ansatz in der Handelsbilanz führen, weshalb die steuerliche Wertobergrenze nach Auffassung der OFD Münster und Rheinland neu festgelegt werden musste. Insbesondere die Formulierung des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG soll demnach rechtfertigen, i.S.d. Maßgeblichkeit einen geringeren Rückstellungsbetrag der Handelsbilanz auch in der Steuerbilanz anzusetzen.
Die Regelung der EStR 2012
Die umstrittene Auffassung der OFD Münster und Rheinland wurde auch in die EStR 2012 übernommen. In R 6.11 Abs.3 EStR 2012 wurde klargestellt, dass die Bewertung von Rückstellungen in der Steuerbilanz auf den in der Handelsbilanz zulässigen Ansatz beschränkt ist. Damit ist der handelsrechtliche Rückstellungsbetrag für die steuerliche Bewertung einer Rückstellung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG selbst dann maßgeblich, wenn der Ausweis der Rückstellung in der Handelsbilanz niedriger ist als der sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG ergebende Wert. Somit sind Rückstellungen in der Steuerbilanz grundsätzlich mit dem niedrigeren der beiden ermittelten Werte auszuweisen. Für alle künftigen bzw. noch offenen VZ wird also immer der niedrigere Rückstellungsbetrag angesetzt.
Der BFH hat mit seinem Urteil vom 20.11.2019 (BFH Urteil vom 20.11.2019 - XI R 46/17) abschließend festgestellt, dass eine regelmäßige Bindung der Werte in der Steuerbilanz an die der Handelsbilanz bestehen bleibt. Der Maßgeblichkeitsgrundsatz wurde durch das BilMoG nicht aufgehoben.
Ausgenommen von dem Maßgeblichkeitsgrundsatz der Handelsbilanz für die Steuerbilanz sind Pensionsrückstellungen, für die auch weiterhin die steuerlichen Sondervorschriften gelten. Unabhängig von der Höhe des Wertes erfolgt der Ansatz in der Steuerbilanz immer mit dem steuerrechtlich ermittelten Rückstellungsbetrag nach § 6a EStG.
Übergangsregelung und neue gewinnmindernde Rücklage
Zur Abmilderung des Einmaleffekts aus der notwendigen Auflösung der steuerlichen Rückstellungen wurde eine Übergangsregelung eingeführt. Damit besteht für Rückstellungen die Möglichkeit bei ihrer Auflösung eine gewinnmindernde Rücklage zu bilden, vorausgesetzt diese wurde bereits vor dem 1.1.2012 gebildet. Die Rücklage ist auf 14/15 des Rückstellungsbetrags beschränkt und muss während den folgenden Jahren mit mindestens 1/15 aufgelöst werden. Maximal ist damit eine Gewinnverteilung über 15 Jahre möglich.
In den Fällen, in denen eine bestehende Verpflichtung wegfällt oder sich verringert, ist der Restbetrag der Rücklage jeweils zum Ende des entsprechenden Wirtschaftsjahres vollständig aufzulösen.