Prof. Dr. Joachim S. Tanski
3.1.1 Bewertungsvereinfachung
Rz. 11
In einigen Fällen hat sich der Gesetzgeber entschlossen, – dem Gedanken der Wirtschaftlichkeit bzw. Wesentlichkeit folgend – die Grundsätze der Richtigkeit und der Einzelbewertung einzuschränken: Durch die Zulassung der Bildung von Gruppen für die Bewertung anstelle einer sonst notwendigen Einzelbewertung (§§ 240 Abs. 3 und 4, 256 HGB) wurde neben einer Inventurvereinfachung auch eine Bewertungsvereinfachung für zulässig erklärt. Ein weiteres Beispiel stellt die Festbewertung dar..
Rz. 12
Bei diesen Bewertungsvereinfachungen wird auf eine direkte Einzelbewertung der Vermögensgegenstände verzichtet, wodurch insbesondere der arbeitsaufwendige Identifikationsnachweis entfällt. Insbesondere für die vereinfachte Bewertung des Vorratsvermögens wurde eine Reihe von Verfahren entwickelt. Da bei einer Bewertung unter Heranziehung eines Bewertungsvereinfachungsverfahrens keine wesentlichen Abweichungen von einer Einzelbewertung entstehen sollen, werden diese Verfahren auch als indirekte Einzelbewertung bezeichnet.
Rz. 13
Für die Beurteilung von Bewertungsvereinfachungsverfahren ist deshalb immer auf den sich aus einer direkten Einzelbewertung ergebenden Wert als Vergleichsmaßstab abzustellen. Je mehr sich die Werte aus der direkten und der indirekten Einzelbewertung annähern, desto eher entspricht das Bewertungsvereinfachungsverfahren dem Grundsatz der Einzelbewertung.
3.1.2 Gesetzliche Grundlagen
Rz. 14
In einem ersten Schritt werden durch § 256 Satz 1 HGB nur die Verbrauchsfolgeverfahren als Verfahren der Bewertungsvereinfachung zugelassen, sodass die Festbewertung gem. § 240 Abs. 3 HGB und die Gruppenbewertung mit einem Durchschnittswert gem. § 240 Abs. 4 HGB als Inventurverfahren nicht auf die Bewertung im Jahresabschluss anwendbar wären. Eine unterschiedliche Bewertung im Inventar und im Jahresabschluss ist zwar grundsätzlich vorstellbar, wäre jedoch äußerst verwirrend. Auch deshalb hat der Gesetzgeber inzwischen die Verfahren des § 240 Abs. 3, 4 HGB als Bewertungsvereinfachung durch § 256 Satz 2 HGB anerkannt.
Rz. 15
Diese Gesetzessystematik anstelle einer einheitlichen Aufführung in einem Paragrafen wurde notwendig, weil die Festbewertung und die Gruppenbewertung bereits Verfahren der Inventurvereinfachung sind, während die Bewertungsvereinfachungsverfahren i. S. d. § 256 Satz 1 HGB mit der Unterstellung einer Verbrauchsfolge arbeiten, weshalb eine Anwendung auf die Inventur ausgeschlossen ist.
Rz. 16
Da § 256 HGB zum ersten Abschnitt des dritten Buches des HGB gehört, gelten die Regelungen über die Bewertungsvereinfachungsverfahren für alle Kaufleute. Eine ggf. notwendig werdende Erläuterung im Anhang gem. § 284 Abs. 2 Nr. 4 HGB ist dagegen nur für Kapitalgesellschaften vorgeschrieben, es sei denn, dass diese Erläuterung wegen § 5 Abs. 2 PublG auch von Nichtkapitalgesellschaften zu machen ist.
Die früher bereits aufgrund der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zulässige Bildung von Bewertungseinheiten beim Hedging ist durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz ab 2010 in § 254 HGB gesetzlich verankert worden. Änderungen der bisherigen Bilanzierungspraxis sollen deshalb nach der Gesetzesbegründung mit dieser Vorschrift, die festschreibt, in welchem Umfang die Bildung von Bewertungseinheiten zulässig ist und welche Anforderungen an die Bildung von Bewertungseinheiten zu stellen sind, nicht einhergehen. Die Bildung von Bewertungseinheiten ist ebenfalls eine Durchbrechung des Saldierungsverbots und stellt sowohl eine Bewertungsvereinfachung als auch eine Verbesserung des Einblicks in die Vermögenslage dar.