Leitsatz
1. Die berufliche Veranlassung von Werbungskosten ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen.
2. Bewirtungsaufwendungen, die einem Offizier für einen Empfang aus Anlass der Übergabe der Dienstgeschäfte (Kommandoübergabe) und der Verabschiedung in den Ruhestand entstehen, können als Werbungskosten zu berücksichtigen sein.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger, Berufssoldat im Rang eines Brigadegenerals, schied im Streitjahr 2000 wegen Pensionierung aus dem Dienst bei der Bundeswehr aus. Im Rahmen einer militärischen Veranstaltung gem. einem Kommandostabsbefehl wurden seine Dienstgeschäfte auf den Nachfolger übertragen und der Kläger in den Ruhestand verabschiedet. An dem anschließenden Empfang im Offiziersheim nahmen Bundeswehrangehörige und geladene Gäste teil.
Dem Kläger wurden Kosten für Speisen und Getränke i.H.v. 1.996 DM in Rechnung gestellt. Abzüglich einer Erstattung durch die Bundeswehr verblieben 796 DM, die der Kläger als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend machte.
Eine Anerkennung lehnte das FA ab. Die Klage blieb erfolglos.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Entsprechend den o.a. Praxis-Hinweisen stelle sich die Verabschiedung des Klägers in den Ruhestand mit der Übergabe der Dienstgeschäfte an den Nachfolger als eine Feier mit ganz überwiegend beruflichem Charakter dar. Die Bewirtungskosten seien dem Grunde nach beruflich veranlasst.
Die Sache sei jedoch deshalb nicht spruchreif, weil das FG keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob und in welchem Umfang § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG dem vom Kläger begehrten Werbungskostenabzug gegebenenfalls entgegenstehe. Dies sei im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
Hinweis
1. Der VI. Senat hatte bereits in seinem Urteil vom 28.1.2003, VI R 48/99, BFH-PR 2003, 214 Kriterien entwickelt, um eine betriebliche Feier eines Arbeitgebers von einem privaten Fest des Arbeitnehmers abzugrenzen. Damit greift der BFH in der Besprechungsentscheidung für die Ausgabenseite auf Gesichtspunkte zurück, die er bereits auf der Einnahmenseite bei der Unterscheidung zwischen steuerpflichtigem Arbeitslohn und Zuwendungen im eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers entwickelt hatte. Im Urteil in BFH-PR 2003, 214 wurde ausführlich dargelegt, dass die Unterscheidung zwischen einer betrieblichen Veranstaltung und einem privaten Fest des Arbeitnehmers nur anhand einer Würdigung aller Umstände des Streitfalls getroffen werden könne. Es obliege dem FG als Tatsacheninstanz, die für die jeweilige Veranstaltung maßgeblichen Umstände zu erforschen und zu bewerten.
2. Demnach kann für die Beurteilung von (Bewirtungs-)Kosten aus Anlass der Übergabe der Dienstgeschäfte und Verabschiedung eines Generals in den Ruhestand nicht nur auf den letztgenannten Umstand abgestellt werden. Für die berufliche oder private Veranlassung der Kosten ist z.B. auch von Bedeutung, in wessen Räumlichkeiten die Veranstaltung stattfindet, wer als Gastgeber auftritt, wer die Gästeliste bestimmt, ob es sich bei den Gästen um Kollegen, Geschäftsfreunde, Pressevertreter oder um private Bekannte oder Angehörige des Steuerpflichtigen handelt.
3. Im Streitfall hatte das FG im Ergebnis im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Verabschiedung in den Ruhestand ein herausgehobenes persönliches Ereignis im Leben des Klägers darstelle, mit dem eine persönliche Ehrung verbunden gewesen sei. Die Kosten der Verabschiedung stellten deshalb private Lebensführungskosten dar. Dieser Ansicht trat der VI. Senat unter Abkehr von – insbesondere in der Literatur heftig kritisierter – älterer Rechtsprechung, die etwa Bewirtungskosten anlässlich von Dienstjubiläen generell der Privatsphäre zugeordnet hatte, nicht bei.
4. Im Streitfall war die Tatsachenwürdigung durch das FG unvollständig. Aufgrund der festgestellten Umstände sah sich der BFH befugt, die Beurteilung, ob privat oder beruflich veranlasste Kosten vorlagen, selbst vorzunehmen. Angesichts der Gesamtumstände (Kommandobefehl zur Übergabe der Dienstgeschäfte, Arbeitgeber als Gastgeber, Festlegung der Gästeliste durch den Generalstab etc.) bestand für den BFH kein Zweifel, dass eine berufliche Veranstaltung des Arbeitgebers vorlag und der vom Arbeitnehmer – mangels ausreichender dienstlicher Mittel – selbst getragene bzw. übernommene Kostenanteil Erwerbsaufwendungen darstellte.
5. Im Übrigen hat nach Auffassung des VI. Senats eine Verabschiedung in den Ruhestand ganz überwiegend beruflichen Charakter. Ungeachtet der Tatsache, dass die Verabschiedung auch ein persönliches Ereignis im Leben eines Berufstätigen ist, stellt sie in erster Linie den letzten Akt im aktiven Dienst dar. Sie ist folglich Teil der Berufstätigkeit.
6. Den Gedanken, die vorliegenden Bewirtungskosten deshalb als privat veranlasst anzusehen, weil sich die Bundeswehr angesichts knapper Haushaltsmittel nicht imstande sah, die gesam...