Leitsatz
Bewirtet ein leitender Arbeitnehmer mit variablen Bezügen seine Arbeitskollegen, insbesondere ihm unterstellte Mitarbeiter, so unterliegen die Bewirtungsaufwendungen nicht der Abzugsbeschränkung gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG.
Normenkette
§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2, § 9 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 5, § 12 Nr. 1 S. 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war als Chemiker bei einem Joint-Venture-Unternehmen der x-AG mit anderen Firmen angestellt. Bis 9/2000 war er "Gruppenleiter Verfahrensentwicklung" mit 24 Mitarbeitern; das Haushaltsvolumen der Gruppe betrug 6 Mio. DM. Ab 10/2000 nach seiner Beförderung zum Forschungsleiter unterstanden dem Kläger rd. 200 Mitarbeiter; das Haushaltsvolumen dieser Abteilung betrug 60 Mio. DM.
Die Gesamtvergütung des Klägers setzte sich aus einem festen Bestandteil und variablen Bezügen zusammen. Letztere orientierten sich am Unternehmenserfolg sowie am Erreichen persönlich vereinbarter Ziele. Die jährlichen Gesamtbezüge des Klägers betrugen in den Jahren 1998 bis 2001 zwischen 256 000 DM und 318 000 DM. Die variablen Bezüge schwankten zwischen 27 000 DM und 63 000 DM (rd. 10 % bis 20 % der Gesamtvergütung). Mit der Beförderung vom Gruppenleiter zum Forschungsleiter erhöhten sich die variablen Bezüge auf rd. 89 000 DM pro Jahr.
In der ESt-Erklärung für 2000 machte der Kläger bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit Aufwendungen für verschiedene Bewirtungen als Werbungskosten geltend. Das FA versagte den Abzug.
Das FG gab der Klage statt (FG Köln, Urteil vom 18.10.2006 10 K 5681/03, Haufe-Index 1855254, EFG 2008, 111).
Entscheidung
Die Revision des FA war erfolgreich und führte zur Zurückverweisung der Sache. Die Vorentscheidung werde einer umfassenden Prüfung aller wesentlichen Umstände des Streitfalls nicht gerecht. Das FG habe seine Entscheidung im Wesentlichen nur damit begründet, der Kläger habe (auch) variable Bezüge erzielt; seine Bezüge seien zu einem nicht unwesentlichen Teil von den Leistungen seiner Mitarbeiter abhängig gewesen. Zu den sonstigen Umständen der verschiedenen Bewirtungen (wie Anlass der Feier, Ort der Veranstaltung, Teilnehmer, sonstige Begleitumstände) habe das FG keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Dies sei im 2. Rechtsgang nachzuholen.
Hinweis
1. In jüngerer Zeit hat der VI. Senat in mehreren Entscheidungen im Wesentlichen geklärt, unter welchen Voraussetzungen Bewirtungsaufwendungen eines (leitenden) Arbeitnehmers als Werbungskosten absetzbar sind. Auf die Urteile vom 11.01.2007, VI R 52/03, BFH/PR 2007, 181, BFH/NV 2007, 591 und vom 19.06.2008, VI R 48/07, BFH/PR 2008, 496 (jeweils Brigadegeneral); vom 01.02.2007, VI R 25/03, BFH/PR 2007, 256, BFH/NV 2007, 1022 (Gartenfest) und vom 24.05.2007, VI R 78/04, BFH/PR 2007, 337, BFH/NV 2007, 1585 (Außendienstmitarbeiter) wird hingewiesen. Mit der vorliegenden Entscheidung dürften die rechtlichen Maßstäbe von (Arbeitnehmer-)Bewirtungen weitgehend feststehen.
2. Auch in der Besprechungsentscheidung betont der BFH zunächst überkommene Rechtsgrundsätze. Für die Beurteilung, ob Aufwendungen für eine Feier beruflich oder privat veranlasst sind, ist vom FG als Tatsacheninstanz in erster Linie auf den Anlass der Feier abzustellen. Allerdings ist der Anlass einer Feier nur ein erhebliches Indiz, nicht aber das allein entscheidende Kriterium. Ein gewichtiges Indiz für die Zuordnung von Aufwendungen zum beruflichen Bereich kann auch der Umstand bilden, dass der Steuerpflichtige eine variable, vom Erfolg seiner Arbeit abhängige, Entlohnung erhält (vgl. auch BFH, Urteile vom 18.10.2007, VI R 43/04, BFH/NV 2008, 357). Denn in einem solchen Fall hat es ein Arbeitnehmer in größerem Umfang selbst in der Hand, die Höhe seiner Bezüge zu beeinflussen.
3. Die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG gilt für Werbungskosten sinngemäß (§ 9 Abs. 5 EStG). Das bedeutet:
Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 18.09.2007, I R 75/06, BFH/PR 2008, 92, BFH/NV 2008, 269) ist der Begriff des "geschäftlichen Anlasses" nicht identisch mit demjenigen der "Veranlassung durch den Betrieb" (§ 4 Abs. 4 EStG) bzw. der "betrieblichen Veranlassung", sondern ein spezifizierter Unterfall. Der BFH hat sich insoweit der Ansicht der Verwaltung und Literatur angeschlossen, dass – entsprechend der schon vor Inkrafttreten der Vorschrift durch das Steuerreformgesetz 1990 bestehenden Rechtslage – nur die rein betriebsinterne Arbeitnehmerbewirtung keiner Abzugsbeschränkung unterliegt. Die Möglichkeit des unbeschränkten Abzugs über den Bereich der Arbeitnehmerbewirtung hinaus besteht nicht.
Für den Werbungskostenbereich geht der VI. Senat dementsprechend davon aus, dass der Begriff des "geschäftlichen Anlasses" auch nicht mit dem Begriff der "beruflichen Veranlassung" identisch ist. Dies hat bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zur Folge, dass die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG (auch) nicht greift, wenn ein Arbeitnehmer aus beruflichem Anlass Aufwendungen für die Bewirtung von Arbeitskolleg...