Dipl.-Finanzwirt (FH) Jens Keese
Leitsatz
Nach Auffassung des FG München verstößt der seit 1.4.1999 gem. § 15 Abs.1a Nr.1 UStG i.V.m. § 4 Abs.5 Satz 1 Nr.2 EStG geltende Vorsteuerausschluss für den 20 %igen Anteil an den Bewirtungskosten aus geschäftlichem Anlass nach summarischer Prüfung im Aussetzungsverfahren gegen EU-Recht.
Sachverhalt
Die Antragstellerin betreibt als GmbH ein Baumanagementunternehmen und bewirtet gelegentlich existierende und zukünftige Vertragspartner im Zusammenhang mit Vertragsverhandlungen bzw. anlässlich von Baubesichtigungen vor Ort in Gaststätten. Mit der Umsatzsteuererklärung 1999 machte die Antragstellerin die auf die Bewirtungskosten entfallenden Vorsteuern in vollem Umfang geltend, da sie der Auffassung war, dass der teilweise Ausschluss des Vorsteuerabzugs gemäß § 15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG 1999 nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei. Das Finanzamt ließ die streitigen Vorsteuerbeträge in Höhe von 601 DM nicht zum Abzug zu. Die Einsprüche dagegen und gegen die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung wies das Finanzamt als unbegründet zurück.
Entscheidung
Der Antrag, die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids 1999 i. H. v. 601 DM wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen, ist begründet. Das FG München ist nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Beurteilung der Auffassung, dass das Recht der Antragstellerin auf vollen Vorsteuerabzug nicht durch die Neuregelung gemäß § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG eingeschränkt werden darf. Nach der gesetzlichen Regelung sind u. a. Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, die unter das Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG fallen. Dazu gehören Bewirtungsaufwendungen, soweit sie 80 % der Aufwendungen übersteigen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen und deren Höhe und betriebliche Veranlassung nachgewiesen sind. Es bestehen jedoch ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Ausschlussregelung mit Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG (nachfolgend EG-Richtlinie). Nach Art. 17 Abs. 2a der EG-Richtlinie ist der Steuerpflichtige befugt, soweit Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, damit zusammenhängende, von ihm geschuldete Mehrwertsteuerbeträge abzuziehen. Nach Art. 17 Abs. 6 Unterabsatz 2 der EG-Richtlinie können die Mitgliedstaaten alle Vorsteuerausschlüsse beibehalten, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Richtlinie in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen waren. Zum 1.1.1978 bzw. 1.1.1979, also zu dem Zeitpunkt, zu dem die EG-Richtlinie in Kraft trat und umzusetzen war, enthielt das Umsatzsteuergesetz keinen (teilweisen) Ausschluss des Rechts zum Vorsteuerabzug aus angemessenen und betrieblich veranlassten Bewirtungskosten. Demgegenüber enthält aber die Neuregelung des § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG für angemessene und in der Höhe und der betrieblichen Veranlassung nachgewiesene Bewirtungsaufwendungen einen Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug in Höhe von 20 % der in Rechnung gestellten Steuer. Das Umsatzsteuergesetz beinhaltet deshalb in diesem Umfang einen nach In-Kraft-Treten der EG-Richtlinie eingeführten Vorsteuerausschluss und erscheint deshalb richtlinienwidrig, weil auch keine Ermächtigung gemäß Art. 27 der EG-Richtlinie für die Neuregelung des Vorsteuerausschlusses in § 15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG von der Bundesregierung beantragt worden ist. Die Antragstellerin kann sich daher nach Ansicht des Gerichts auf das günstigere Gemeinschaftsrecht berufen.
Hinweis
Das Urteil des FG München widerspricht der Auffassung der Finanzverwaltung in dem zu den Reisekosten ergangenen BMF-Schreiben vom 28.3.2001 (BMF, Schreiben v. 28.3.2001, BStBl 2001 I S. 251). Dieses Schreiben bezieht sich auf die Entscheidung des BFH vom 23.11.2000 (BFH, Urteil v. 23.11.2000, V R 49/00, BStBl 2001 II S. 266), wonach die Einschränkung des Vorsteuerabzugs für Reisekosten gegen EU-Recht verstößt. Das BMF bringt darin u.a. zum Ausdruck, dass dieses Urteil für andere Tatbestände, die nach § 15 Abs. 1a UStG zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs führen, bedeutungslos sei. Es bleibt die Entscheidung in der Hauptsache und einem sich ggf. anschließenden Revisionsverfahren vor dem BFH abzuwarten. Allerdings bestehen nach der Entscheidung des FG München und der Auffassung in der Literatur gute Erfolgsaussichten für den vollen Vorsteuerabzug aus geschäftlichen Bewirtungskosten. Sie sollten in der Praxis deshalb den Vorsteuerabzug aus dem ertragsteuerlich nicht abziehbaren 20 %igen Bewirtungskostenanteil unter Berufung auf das Urteil des FG München - ggf. in der Jahreserklärung- geltend machen und sich dabei abweichend vom UStG auf das EU-Recht berufen. Gegen eine ablehnende Entscheidung sollte Einspruch eingelegt und das Ruhen des Verfahrens beantragt werden.
Link zur Entscheidung
FG München, Beschluss vom 02.12.2002, 14 V 3486/02