Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung von Umsätzen nach Zweifeln an der sachlichen Richtigkeit der Buchführung
Leitsatz (NV)
1. Die Pflicht des Unternehmers, die für die Besteuerung seiner Umsätze erheblichen Aufzeichnungen geordnet aufzubewahren, folgt aus § 47 Abs. 3 AO 1977.
2. Eine Geldverkehrsrechnung gibt ausreichend sichere Anhaltspunkte für eine Schätzung nicht erklärter Entgelte.
3. Von den erklärten Einkünften muß der steuerlich nicht abziehbare, aber die Geldrechnung berührende Eigenverbrauch abgesetzt werden.
Normenkette
AO 1977 § 47 Abs. 3, § 162 Abs. 1-2; UStG 1967/1973 § 22
Tatbestand
Streitig ist in dem Klageverfahren gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1976 bis 1978 (Hauptsache), über das noch nicht entschieden worden ist, ob der Antragsgegner, Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA - ) berechtigt war, Umsätze des Antragstellers, Klägers und Beschwerdeführers (Antragsteller) durch Einzelhandel mit Kosmetika und als Inhaber einer Judoschule hinzuzuschätzen. Streitig ist im Hauptverfahren außerdem, ob die letztgenannten Umsätze dem allgemeinen Steuersatz unterlagen.
Nach einer Außenprüfung änderte das FA die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß ergangenen Umsatzsteuerbescheide für 1976 bis 1978 gegen den Antragsteller und schätzte in dem Umsatzsteuer-Sammeländerungsbescheid für 1976 bis 1978 vom 27. Oktober 1981 wegen unvollständiger Einnahmeaufzeichnungen Umsätze hinzu. Es unterwarf die Entgelte aus der Unterrichtstätigkeit des Antragstellers in seiner Judoschule dem allgemeinen Steuersatz und erhöhte die Umsatzsteuer für die Streitjahre um insgesamt 41 637,15 DM.
Das FA wies den Einspruch durch die Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 1985 zurück. Darauf erhob der Antragsteller mit Schriftsatz vom 7. Juni 1985 Klage und beantragte am 14. Juni 1985 beim FG Aussetzung der Vollziehung. Er begehrte, die Vollziehung des Umsatzsteuer-Sammeländerungsbescheides für 1976 bis 1978 vom 27. Oktober 1981 ab Fälligkeit bis zum rechtskräftigen Abschluß des Hauptverfahrens auszusetzen. Zur Begründung machte er u. a. geltend, in der Judoschule habe er eine dem ermäßigten Steuersatz unterliegende freiberufliche Tätigkeit ausgeführt. Gegen die Hinzuschätzung der Umsätze wandte er ein, es fehlten keine Einnahmebelege. Das FA hatte einen während des Einspruchsverfahrens gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung durch Bescheid vom 19. März 1985 abgelehnt.
Das FG setzte die Vollziehung des angefochtenen Bescheids in Höhe von insgesamt 39 047 DM aus. Es hatte ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Besteuerung der Umsätze des Antragstellers aus der Unterrichtstätigkeit in seiner Judoschule mit dem allgemeinen Steuersatz. Die Hinzuschätzung von Umsätzen sah das FG dem Grunde nach als berechtigt an. Es folgte dabei den Feststellungen, die ein Prüfer des FG, - A -, in einem bei dem FG wegen der Gewerbesteuer-Meßbetragsbescheide 1976 bis 1978 anhängigen Verfahren getroffen hatte. Er hatte berichtet, bei den vom Antragsteller handschriftlich durchnumerierten Quittungsdurchschriften fehlten in der Judoschule 316 Belege für die Zeit vom 1. Januar bis 10. Juni 1977. Ab 13. Juni 1977 habe der Antragsteller alle Belegnummern abgeschnitten. Der Prüfer A gelangte aufgrund einer Gesamtgeldverkehrsrechnung für den Antragsteller und seine Ehefrau für den Zeitraum vom 1. Januar 1976 bis 31. Dezember 1978 zu dem Ergebnis, daß in der Buchführung des Antragstellers und seiner Ehefrau in den Streitjahren Betriebseinnahmen von insgesamt 70 192 DM nicht enthalten seien.
Das FG hielt die Richtigkeit dieser Rechnung aufgrund des Vorbringens des Antragstellers insoweit für ernstlich zweifelhaft, als in ihr Bargeld (in der vom FG angenommenen Höhe von 2 500 DM), eine Schenkung des Schwiegervaters des Antragstellers (in der geltend gemachten Höhe von 12 000 DM) und ein Darlehen (in Höhe von 10 000 DM) nicht berücksichtigt worden waren. Dagegen hielt das FG den in der Geldverkehrsrechnung des Prüfers A enthaltenen Abzug des Eigenverbrauchs von den Einkünften des Antragstellers und seine Ehefrau mangels verfügbarer anderweitiger Geldbeträge für zutreffend und verringerte auch die für die Lebenshaltung darin eingesetzten Beträge nicht. Somit setzte das FG von den nach der Geldverkehrsrechnung des Prüfers errechneten Mehreinnahmen von 70 192 DM nur 24 500 DM ab, verteilte den verbleibenden Betrag von 45 692 DM auf die drei Streitjahre 1976 bis 1978 und schätzte für jedes Streitjahr Umsätze mit Entgelten von 15 230 DM hinzu. Diese rechnete das FG dem Antragsteller nach den in den Steuererklärungen des Antragstellers und seiner Ehefrau ermittelten Verhältnisse der beiderseitigen Umsätze zu (Umsätze des Antragstellers rd. 90 v. H. der Gesamtumsätze). Es teilte den auf den Antragsteller entfallenden Hinzuschätzungsbetrag wiederum nach den Angaben in seinen Steuererklärungen auf die Umsätze durch Unterrichtstätigkeit und durch Kosmetikhandel auf. Dadurch ergab sich nur eine Steuererhöhung um ingesamt 2 590 DM. In Höhe des Unterschiedsbetrags zu den in dem angefochtenen Umsatzsteuer-Sammeländerungsbescheid festgesezten Umsatzsteuern (Differenz insgesamt 39 047 DM) setzte das FG die Aussetzung der Vollziehung aus. Es wies den Aussetzungsantrag im übrigen auch insoweit ab, als der Antragsteller die Aussetzung über einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Klage hinaus und soweit er sie schon ab Fälligkeit der Steueransprüche begehrt hatte. Dem zuletzt erwähnten Begehren gab das FG abweichend von der in dem Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. Juni 1977 V B 41/73 (BFHE 122, 258, BStBl II 1977, 645) vertretenen Ansicht auch nicht durch Aufhebung der bis zur Entscheidung verwirkten Säumniszuschläge statt. Solange Säumniszuschläge nicht durch Leistungsgebot oder auf sonstige Weise angefordert worden seien, so führte das FG zur Begründung aus, liege insoweit keine Vollziehung des zugrunde liegenden Steuerbescheids vor. Anderenfalls müßten bei einer Abweisung der Klage des Antragstellers vom Zeitpunkt der Entscheidung über den Aussetzungsantrag Aussetzungszinsen erhoben, für die Zeit davor dürften aber weder Aussetzungszinsen noch Säumniszuschläge angefordert werden. Den Belangen des Steuerpflichtigen werde nach der Abgabenordnung (AO 1977) ausreichend dadurch Rechnung getragen, daß die Erhebung von Säumniszuschlägen für die Zeit der Fälligkeit der Steuer bis zur Entscheidung über den Aussetzungsantrag im Billigkeitsverfahren überprüft werden könne.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Aussetzungsbegehren weiter.
Er rügt die Höhe der vom FG in der Vorentscheidung nicht als zweifelhaft angesehenen, hinzugeschätzten Umsätze. Dazu macht er u. a. geltend: Das FG habe nicht erkannt, daß der Prüfer A in der Geldverkehrsrechnung den Eigenverbrauch nicht vom Gewinn habe absetzen dürfen. Der Gewinn stehe zur Verwendung für Eigenverbrauchszwecke zur Verfügung. Der Prüfer habe die Lebenshaltungskosten überhöht angesetzt. Er hätte sie nicht schätzen dürfen, sondern ermitteln müssen. Im übrigen lehnte der Antragsteller den Prüfer A als befangenen Sachverständigen ab. Als Grund gab der Antragsteller an, der Prüfer habe eine nicht zur Veröffentlichung bestimmte Archivmitteilung der Finanzverwaltung für die Schätzung der Lebenshaltungskosten verwendet, die ihm, dem Antragsteller, erst nachträglich in einem anderen Verfahren durch das FG bekanntgegeben worden sei. Dabei habe der Prüfer, der früher der Finanzverwaltung angehört habe, auch nicht berücksichtigt, daß die Werte in der Archivmitteilung Durchschnittswerte seien. Sie seien deshalb auf den Streitfall nicht anwendbar, weil sie Ausgaben enthielten, die bei der im Streitfall vorliegenden sparsamen Lebensführung nicht oder nicht regelmäßig entstanden seien. Schließlich habe er, der Antragsteller, alle Kasseneinnahmen täglich und ordentlich aufgezeichnet und dadurch die bisher nicht widerlegte Vermutung der Richtigkeit für sich. Es gebe auch keine gesetzliche Verpflichtung, die Einnahmebelege aufzubewahren. Die Vorentscheidung sei außerdem insoweit fehlerhaft, als sie von der Rechtsprechung des BFH zur Aufhebung der Vollziehung verwirkter Säumniszuschläge abweiche.
Der Antragsteller beantragt, den Beschluß des FG vom 29. September 1986 zu ändern und die Vollziehung des Umsatzsteuer-Sammeländerungsbescheides für 1976 bis 1978 vom 27. Oktober 1981 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 1985 ab Fälligkeit auszusetzen sowie die seit Fälligkeit verwirkten Säumniszuschläge aufzuheben.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des Antragstellers ist überwiegend unbegründet.
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuer-Sammeländerungsbescheids für 1976 bis 1978 in der Form der Einspruchsentscheidung, die über die vom FG in der Vorentscheidung durch Aussetzung der Vollziehung berücksichtigten Zweifel hinausgehen.
1. Das FG hat zutreffend angenommen, daß durch die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung während des Einspruchsverfahrens die Zugangsvoraussetzungen nach Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) für einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim FG nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt waren. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des BFH, daß auch die Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung durch die Finanzbehörde in einem vorangegangenen Verfahrensabschnitt gemäß Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 1 VGFGEntlG den Zugang zum FG eröffnet (BFH-Beschlüsse vom 8. Juni 1982 VIII B 29/82, BFHE 136, 67, BStBl II 1982, 608 unter 2.; vom 21. September 1983 II S 5/83, BFHE 139, 228, BStBl II 1984, 210).
2. Entgegen der Auffassung des Antragstellers bestehen keine weiteren als die vom FG in der Vorentscheidung dargelegten ernstlichen Zweifel i. S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuer-Sammeländerungsbescheids vom 27. Oktober 1981.
a) Zutreffend hat das FG angenommen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO), daß eine Schätzung der Umsätze des Klägers dem Grunde nach gemäß § 217 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 der Reichsabgabenordnung (AO), § 162 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 AO 1977 zulässig war. Die Buchführung des Antragstellers kann bei summarischer Prüfung der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden, weil nach den Umständen im Streitfall Anlaß besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden (§ 208 Halbsatz 2 AO, § 158 Halbsatz 2 AO 1977).
Der Antragsteller war als Unternehmer nach § 22 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967/1973) verpflichtet, Aufzeichnungen zu machen (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 2. März 1982 VIII R 225/80, BFHE 136, 28, BStBl II 1984, 504 unter I.1. b). Aus den Aufzeichnungen mußten u. a. die vereinbarten Entgelte für die von ihm ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen ersichtlich sein (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967 /1973). Aufzuzeichnen waren ferner die Bemessungsgrundlagen für den Eigenverbrauch (§ 22 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1967 /1973; vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 9. Oktober 1958 IV 119/57, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Reichsabgabenordnung, § 217, Rechtsspruch 20). Aus den Aufzeichnungen muß die Grundlage für die Berechnung der vom Unternehmer zu entrichtenden Steuer eindeutig und leicht nachprüfbar zu ersehen sein (§ 9 Abs. 1 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes, Mehrwertsteuer, - 1. UStDV -). Sie mußten vor allem nach der auch für die umsatzsteuerrechtlichen Aufzeichnungen geltenden Ordnungsvorschriften des § 162 Abs. 1 AO, § 146 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 (vgl. Wagner in Sölch / Ringleb / List, Umsatzsteuergesetz, 4. Aufl., § 22 Bem. 13) vollständig und richtig vorgenommen werden. Die von dem Antragsteller vorgelegten Aufzeichnungen über die vereinbarten Entgelte sind nicht vollständig. Das ergibt sich nicht nur aus den fehlenden Kassenzetteldurchschriften, sondern auch daraus, daß der Antragsteller Einnahmen aus dem Verkauf von Kosmetikartikeln auf Kassenblocks des Friseurmeisters X aufgezeichnet hat, in dessen Räumen diese Gegenstände geliefert worden sind.
b) Die entsprechenden Feststellungen in dem Bericht des vom FG in einem anderen Verfahren eingesetzten Prüfers A sind verwertbar.
A ist im Streitfall vom FG nicht als Sachverständiger herangezogen worden. Deswegen braucht über die im Beschwerdeverfahren gegen A geltend gemachten Ablehnungsgründe, die im übrigen verspätet und nicht in der gesetzlich geforderten Form vorgebracht worden sind (§ 82 FGO, § 406 Abs. 1, Abs. 2 Sätze 1, 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -), nicht förmlich entschieden zu werden. Vielmehr hat das FG den von A in einem anderen Verfahren vor dem FG angefertigten und den Beteiligten bekannten Bericht als Urkunde gewürdigt (§ 76 Abs. 1 Satz 1, § 96 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FGO). Die gegen A von dem Antragsteller geltend gemachten Ablehnungsgründe (Verwendung einer nicht allgemein zugänglichen finanzbehördlichen Archivmitteilung zur Schätzung des Eigenverbrauchs, die dem Antragsteller erst durch das FG bekanntgeworden ist; frühere Tätigkeit in der Finanzverwaltung) erschüttern die Feststellungen über die Unvollständigkeit der vorgelegten Einnahmeaufzeichnungen nicht.
Die Einwendungen des Antragstellers, nur er habe über die Kennzeichnung seiner Aufzeichnungen über Einnahmen zu entscheiden, und er sei nicht verpflichtet gewesen, die Aufzeichnungen aufzubewahren, sind nach den Ordnungsvorschriften über die umsatzsteuerrechtlichen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten nicht berechtigt. Die Kennzeichnung der Aufzeichnungen muß eindeutig sein und eine leichte Prüfung zulassen (§ 9 Abs. 1 der 1. UStDV). Die Pflicht, die Aufzeichnungen geordnet aufzubewahren, ergibt sich aus § 47 Abs. 3 AO 1977 (vgl. Hoffmann in Vogel / Reinisch / Hoffmann, Umsatzsteuergesetz, § 22 Rdnr. 9; Hartmann / Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 22 Rdnr. 2; Bunjes / Geist, Umsatzsteuergesetz, 2. Aufl., § 22 Anm. 4).
c) Das FG durfte für die Schätzung der Höhe der nicht ordnungsgemäß erklärten Umsätze des Antragstellers die vorhandene Geldverkehrsrechnung heranziehen. Die Geldverkehrsrechnung gibt ausreichend sichere Anhaltspunkte für die Schätzung nicht erklärter Einnahmen /Entgelte (vgl. dazu BFH-Urteile vom 28. Mai 1986 I R 265/83, BFHE 147, 105, BStBl II 1986, 723 unter II. 2. a; vom 21. Januar 1986 VIII R 10/84, BFH / NV 1986, 515.
Die im Streitfall durchgeführte Geldverkehrsrechnung entspricht den Grundsätzen, die der BFH im Urteil vom 21. Februar 1974 I R 65/72 (BFHE 112, 213, BStBl II 1974, 591) dargelegt hat. Die Einwendungen des Antragstellers gegen die Hinzuschätzungen von Umsätzen durch das FG aufgrund dieser Rechnung sind unberechtigt.
Soweit der Antragsteller einwendet, der Eigenverbrauch habe bei den verfügbaren Mitteln nicht von den erklärten Einkünften abgesetzt werden dürfen, verkennt er, daß dadurch die Einkünfte auf eine Geldrechnung umgestellt werden (vgl. auch BFH in BFHE 136, 28, BStBl II 1984, 504 zu I.1. a; Wolff-Diepenbock in Littmann / Bitz / Meincke, Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., §§ 4, 5 Anm. 2238; Littmann, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1967, 450). Von den erklärten Einkünften muß der steuerlich nicht abziehbare, aber die Geldrechnung berührende Eigenverbrauch (im Streitfall z. B. nicht abziehbare Kfz-Kosten für Fahrten aus betrieblichen Gründen zwischen Wohnung und Betriebsstätte oder Kosmetikartikel für den Privatverbrauch) abgesetzt werden. Das Ergebnis der Geldverkehrsrechnung wäre im übrigen gleich, wenn der Eigenverbrauch - wie es offenbar der Antragsteller will - als Posten der Mittelverwendung angesetzt würde. Sofern der Antragsteller aber zum Ausdruck bringen wollte, daß die als Eigenverbrauch von den erklärten Einkünften abgesetzten Beträge teilweise mit den als Lebenshaltungskosten bei der Mittelverwendung erfaßten Beträgen identisch sein sollten (etwa Kfz-Kosten für Privatfahrten), hat er dies weder substantiiert dargelegt noch mit den im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung zu beachtenden präsenten Beweismitteln glaubhaft gemacht.
Soweit sich der Antragsteller gegen die Höhe der für zwei Personen auf 18 000 DM (1976 und 1977) und 20 000 DM (1978) jährlich geschätzten Lebenshaltungskosten wendet, führt sein Vorbringen ebenfalls nicht zum Erfolg.
Die Darstellung des Antragstellers, er habe mit seiner Ehefrau nur ganz bescheiden gelebt und unnötige Aufwendungen vermieden, wird durch die unwidersprochen gebliebenen Feststellungen im Prüfungsbericht (Seite 31) widerlegt. Danach hat der Antragsteller 1976 für einen Pkw 24 000 DM und 1978 für eine Video-Anlage und eine Kamera rund 6 400 DM bezahlt. Mit den unsubtantiierten Behauptungen über die bescheidene Lebensführung genügt der Antragsteller auch seiner Mitwirkungspflicht nicht (§ 76 Abs. 1 Satz 2 FGO; vgl. dazu BFH-Urteil vom 1. Juli 1987 I R 284-286/83, BFH / NV 1988, 12 unter 3. b). Wegen der Beschränkung der Entscheidung durch das Beschwerdebegehren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) kann der Senat den Anhaltspunkten für höhere, nicht erklärte Umsätze des Antragstellers, als sie vom FG geschätzt worden sind, nicht nachgehen.
3. Die Beschwerde hat auch insoweit keinen Erfolg, als der Antragsteller Aussetzung der Vollziehung in dem vom FG bezeichneten Umfang bereits ab Fälligkeit der in dem angefochtenen Umsatzsteuer-Sammeländerungsbescheid für 1976 bis 1978 vom 27. Oktober 1981 festgesetzten Umsatzsteueransprüche begehrt.
Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, die Aussetzung der Vollziehung nicht rückwirkend zu gewähren (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 23. Juni 1977 V B 41/73, BFHE 122, 258, BStBl II 1977, 645). Bei der Aussetzung der Vollziehung handelt es sich um eine rechtsgestaltende Entscheidung, deren Wirkung sich nur auf die Zukunft erstreckt.
4. Dagegen hat die Beschwerde insoweit Erfolg, als der Antragsteller sich gegen die vom FG abgelehnte Aufhebung der Vollziehung verwirkter Säumniszuschläge wendet. Der Antragsteller hatte, wie das FG zutreffend dargelegt hat, auch beantragt, die Vollziehung des angefochtenen Umsatzsteuer-Sammeländerungsbescheids 1976 bis 1978 vom 27. Oktober 1981 aufzuheben, soweit Säumniszuschläge verwirkt worden sind.
Soweit die Rechtmäßigkeit des bezeichneten Umsatzsteuer-Sammeländerungsbescheids nicht ernstlich zweifelhaft ist, kommt eine Aufhebung der Vollziehung nicht in Betracht (§ 69 Abs. 3 Satz 4 i. V. m. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO).
In dem Umfang, in dem die angefochtenen Steuerfestsetzungen jedoch ernstlich zweifelhaft sind, gestattet § 69 Abs. 3 Satz 4 i. V. m. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO, ihre Vollziehung mit der Maßgabe aufzuheben, daß in der Vergangenheit entstandene Säumniszuschläge entfallen. Für die Bestimmung des Zeitpunkts, von dem an die Wirkungen der Vollziehung aufzuheben sind, kommt es darauf an, ab wann ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids erkennbar vorlagen (BFH-Beschluß vom 10. Dezember 1986 I B 121/86, BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389 unter II 3).
a) Die dagegen vom FG vorgebrachten Bedenken greifen nicht durch.
Der Senat schließt sich zur Begründung den Ausführungen in dem bezeichneten Beschluß des BFH in BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389 an. Danach hängt die Aufhebung der Vollziehung auch nach der AO 1977 nicht davon ab, daß die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts durch Verwaltungsakt verwirklicht wird. Die Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO umfaßt auch die Kraft Gesetzes verwirkten Säumniszuschläge (§§ 38, 218 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, § 240 AO 1977). Die Aufhebung der Vollziehung ist somit auch ohne Anforderung der Säumniszuschläge durch Leistungsgebot (§ 254 Abs. 1, 2 AO 1977) möglich. Dem steht entgegen der Ansicht des FG auch der Zweck der Säumniszuschläge und das Verhältnis von Säumniszuschlägen (§ 240 AO 1977) und Aussetzungszinsen (§ 237 AO 1977) nicht entgegen. Der von den Säumniszuschlägen ausgehende Druck auf den Steuerpflichtigen, Steuern rechtzeitig zu zahlen, ist nicht gerechtfertigt, soweit und solange ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Steueranspruchs bestehen. Die Regelung in § 240 Abs. 1 Satz 4 AO 1977 betrifft die rechtlich nicht ernstlich zweifelhaften Steueransprüche.
Selbst wenn im Fall der rückwirkenden Aufhebung von Säumniszuschlägen Aussetzungszinsen nicht festgesetzt werden könnten, was im Streitfall nicht entschieden zu werden braucht, wäre dies eine Folge der lückenhaften Regelung über Aussetzungszinsen (§ 237 AO 1977). Diese Lücke könnte die Auslegung des § 69 Abs. 3 FGO aber nicht beeinflussen.
b) Der Senat sieht davon ab, die Sache wegen der Bestimmung des Zeitpunkts für die Aufhebung der Säumniszuschläge an das FG zurückzuverweisen. Es sind für die im Aufhebungsverfahren ebenso wie im Aussetzungsverfahren nur summarisch durchzuführende Prüfung genügend Anhaltspunkte vorhanden, nach denen angenommen werden kann, daß sich die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung in dem vom FG bezeichneten Umfang bereits seit der Besprechung des Antragstellers mit dem Prüfer am 3. Juni 1986 über den von diesem festgestellten Sachverhalt, dargestellt im Prüfungsbericht vom selben Tag, ergeben. Der Antragsteller hat dabei die Einwendungen erhoben, die vor dem FG zum Erfolg seines Aussetzungsbegehrens geführt haben. Mangels eigener Darlegung des Antragstellers war der Senat nicht zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen gehalten (vgl. auch BFH-Beschluß vom 16. Dezember 1986 VIII S 3/85, BFH /NV 1987, 701).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO für das Anragsverfahren und auf § 135 Abs. 2 FGO für das Beschwerdeverfahren. Dabei ist nur das unmittelbare finanzielle Interesse des Antragstellers am Ausgang des jeweiligen Verfahrens zu berücksichtigen (vgl. BFH-Beschluß vom 24. Januar 1971 I R 91 /78, BFHE 127, 300, BStBl II 1979, 441).
Fundstellen
Haufe-Index 416313 |
BFH/NV 1989, 746 |