Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Begriff des Verfahrensmangels bei Prozeßurteilen
Leitsatz (NV)
1. Zulässigkeitsmängel eines Rechtsschutzbegehrens können durch einen Antrag nach § 68 FGO nicht geheilt werden.
2. Darin, daß das Gericht die innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO vorgebrachten Entschuldigungsgründe im Prozeßurteil nicht als ausreichend ansieht, liegt kein Verfahrensmangel i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.
Normenkette
FGO §§ 56, 68, 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Beim Finanzgericht (FG) erhob der Prozeßbevollmächtigte der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in deren Namen am 7. Oktober 1994 dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) gegenüber Klage "wegen Einkommensteuer 1994", bezeichnete den Verfahrensgegenstand mit "Steuerbescheid vom 6. 5. 94 / Einspruchsentscheidung vom 31. 8. 94" und kündigte an, "Anträge und Begründung ... bis zum 4. 1. 95" nachzureichen.
Nachdem letzteres nicht geschehen war, setzte der Berichterstatter den Klägern am 20. Februar 1995 unter Berufung auf § 65 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Bezeichnung des Klagebegehrens eine (mit Belehrung versehene) bis zum 20. März 1995 bemessene Ausschlußfrist. Zu dieser Verfügung, die dem Prozeßbevollmächtigten am 22. Februar 1995 zugegangen war, erreichte das FG am 1. April 1995 ein Schriftsatz vom 20. März 1995, aus dem sich das Ziel der Klage (Herabsetzung der für 1994 festgesetzten Einkommensteuer- Vorauszahlungen auf 0 DM) ergab, verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, das der Prozeßbevollmächtigte wie folgt begründete:
"In der Zeit von 23.33 Uhr bis 23.59 Uhr hat mein Büroangestellter ... versucht, den Schriftsatz per Fax an Sie zu übermitteln. Eine Übermittlung war jedoch nicht möglich, weil eine Verbindung zu Ihrem Gerät mangels Papier oder anderer Störungen nicht möglich gewesen ist."
Zum Beweis hierfür waren u. a. elf Sendeprotokolle vom 20. März 1995 und eine eidesstattliche Versicherung des Büroangestellten angeboten, diesem Schriftsatz aber nicht beigefügt worden. -- Sie gingen erst am 10. April 1995 (mit Schriftsatz vom 4. April 1995) beim FG ein. Ihnen ist folgendes zu entnehmen:
-- der eidesstattlichen Versicherung, daß die im Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten vom 31. März 1995 "angegebenen Tatsachen ... den Tatsachen entsprechen";
-- den Sendeberichten, daß zur Fax-Nummer des Gerichts zwischen dem 20. März 1995, 23.31 Uhr und dem 21. März 1995, 0.31 Uhr, elf Übermittlungsversuche unternommen wurden, jeweils mit dem Vermerk "FEHLER E052".
In der auf Anforderung des Gerichts schließlich am 11. Juli 1995 vorgelegten Bedienungsanleitung heißt es zu dem im Sendebericht genannten "Wählfehler": "Besetzt nach Wahlwiederholung. Die Gegenstelle war ständig besetzt. Prüfen Sie die Rufnummer und senden Sie erneut."
Das Eingangs-Journal des FG weist nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils für die hier interessierende Zeit weder Empfangssignale noch Störungen aus.
Das FG hat die Klage als unzulässig abgewiesen: Wegen der Versäumung der nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO gesetzten Ausschlußfrist könne Wiedereinsetzung schon deshalb nicht gewährt werden, weil die Zwei-Wochen-Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht gewahrt worden sei; innerhalb dieser Frist, die mit der Kenntnis vom Scheitern der Übermittlungsversuche am 20. März 1995, um 24 Uhr, begonnen und am 3. April 1995 geendet habe, sei nicht substantiiert und in sich schlüssig vorgetragen worden, daß den Prozeßbevollmächtigten hinsichtlich der Fristversäumung kein -- den Klägern anzulastendes -- Verschulden treffe.
Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der vor allem geltend gemacht wird: Das FG überspanne die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten, wenn es mehr verlange als die -- glaubhaft gemachte -- Aussage, daß zur fraglichen Zeit elf vergebliche Übermittlungsversuche unternommen worden seien. Zu Unrecht habe das FG außerdem darauf abgestellt, daß innerhalb der Begründungsfrist das Bedienungshandbuch nicht vorgelegt worden sei. Ein weiterer Verfahrensmangel liege in den Ausführungen des FG zur Unbegründetheit der Klage. Alle diese Fragen seien schließlich auch von grundsätzlicher Bedeutung, weil zu ihnen noch keine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vorliege.
Die Kläger beantragen, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Für das Streitjahr ist inzwischen der Jahressteuerbescheid ergangen. Hiergegen haben die Kläger, trotz Belehrung, nichts unternommen; sie haben auch in diesem Verfahren, trotz entsprechenden Hinweises, keine Prozeßerklärung abgegeben.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel ist unabhängig davon unzulässig, wie sich der Erlaß des Jahressteuerbescheids auf die Prozeßlage auswirkt: Selbst wenn auch hier § 68 FGO prinzipiell anwendbar und mangels Belehrung (§ 68 Satz 3 FGO) die Antragstellung noch binnen eines Jahres möglich sein sollte (vgl. dazu näher Senats-Urteil vom 17. April 1996 X R 98/95, BFH/NV 1996, 900, m. w. N.), könnte es zu einer Sachentscheidung nicht kommen, weil die Kläger der ihnen in diesem Verfahren nach § 115 Abs. 3 Satzt 3 FGO obliegenden Darlegungspflicht nicht in dem erforderlichen Maße nachgekommen sind und dieser Mangel des ursprünglichen Rechtsschutzbegehrens mit Hilfe eines Antrags nach § 68 FGO nicht geheilt werden könnte (vgl. BFH-Urteil vom 19. Februar 1993 VI R 70/92, .BFH/NV 1993, 552, 553, m. w. N.; zur grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 68 im Zulassungsverfahren: Gräber, Kommentar zur FGO, 3. Aufl., 1993, § 68 Rz. 4 und die dortigen Nachweise).
Die Kläger haben, von ohnedies unbeachtlichen Einwänden gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils (dazu Gräber, a. a. O., § 115 Rz. 58, m. w. N.) abgesehen, keinen Zulassungsgrund substantiiert und in sich schlüssig vorgetragen (dazu näher Gräber, a. a. O., Rz. 55 ff.).
1. Daß das FG die innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO vorgetragenen Entschuldigungsgründe nicht als ausreichend angesehen hat, ist -- die Richtigkeit des Beschwerdevorbringens unterstellt -- kein Verfahrensmangel (vgl. dazu allgemein: Senatsentscheidungen vom 21. März 1996 X R 100/95, BFH/NV 1996, 694, und vom 8. Mai 1996 X B 12/96, BFH/NV 1996, 833; speziell zu den Mindestanforderungen an die Begründungspflicht in Fällen der Datenübermittlung per Telefax-Gerät: BFH-Beschlüsse vom 20. Oktober 1993 IX S 6/93, BFH/NV 1994, 331; vom 22. Dezember 1994 X R 236/93 und VII R 77/94, BFH/NV 1995, 702 und 801; vom 16. Mai 1995 III B 119/94, BFH/NV 1996, 9, und vom 18. März 1996 I R 103/95, BFH/NV 1996, 630, jeweils m. w. N.; zu den erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen in solchen Fällen, zu denen im Streitfall überhaupt jeder Vortrag fehlt: Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 9. Februar 1995 V ZB 26/94 und 21. März 1995 VI ZB 5/95, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1996, 437).
2. Zur grundsätzlichen Bedeutung der Sache haben die Kläger nur allgemein Gehaltenes und Formelhaftes (dazu Gräber, a. a. O., § 115 Rz. 7 ff., 62), zur Klärungsfähigkeit in diesem Verfahren (s. Gräber, a. a. O., Rz. 11, 62) gar nichts vorgebracht.
Fundstellen
Haufe-Index 422217 |
BFH/NV 1997, 600 |