Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht, Abgabenordnung Berufsrecht Verfahrensrecht, Abgabenordnung Grunderwerbsteuer, Kfz-Steuer, sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Gemäß seiner bisherigen Rechtsprechung hält der BFH daran fest, daß die Finanzgerichte und der BFH sowohl unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit als auch unter Berücksichtigung der Gerechtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) bei ihnen anhängige Verfahren, in denen die Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG streitig ist, bis zur Entscheidung des BVerfG in dem zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der genannten Vorschrift bei diesem Gericht anhängigen abstrakten Normenkontrollverfahren aussetzen dürfen und im Rahmen der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens aussetzen müssen.
GG Art. 3, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2, Art. 100 Abs. 1; BVerfGG § 13 Nr. 6, § 76 Nr. 2, § 79; FGO § 74;
Normenkette
FGO § 74; ZPO § 148; KVStG § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 6/2; GG Art. 93 Abs. 1 Nr. 2, Art. 100/1; BVerfGG § 13 Nr. 6, § 76 Nr. 2, § 79
Tatbestand
Die beklagte Behörde (FA) zog die Klägerin durch Steuerbescheid vom 12. August 1964 gemäß § 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG zu einer Gesellschaftsteuer von 28.750 DM heran. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das FA durch Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 1965 als unbegründet zurück. Gegen die Einspruchsentscheidung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 23. Juli 1965 Berufung eingelegt. Zur Begründung der Berufung hat sie darauf hingewiesen, daß die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG, auf der die Steuerfestsetzung beruht, nach einer Reihe von Urteilen des BFH, in erster Linie des Urteils II 12/61 S vom 3. Dezember 1964 (BFH 81, 55, BStBl III 1965, 19) verfassungswidrig ist.
Das FA hat beantragt, das Berufungsverfahren bis zur Entscheidung des BVerfG über das bei diesem Gericht anhängige Normenkontrollverfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG auszusetzen.
Die Klägerin hat dem Aussetzungsantrag widersprochen.
Das FG hat durch den mit der Beschwerde angefochtenen Beschluß vom 21. Dezember 1966 - IV 183/65 (III) den Antrag des FA auf Aussetzung des Verfahrens abgelehnt.
Entscheidungsgründe
Das FG ist mit diesem Beschluß von der im Ergebnis ständigen Rechtsprechung des Senats abgewichen, wie sie im Ergebnis übereinstimmend in den Beschlüssen II S 2/66 vom 23. Februar 1966 (BFH 86, 248, BStBl III 1966, 402), II B 3/66 vom 27. Juli 1966 (BFH 86, 504, BStBl III 1966, 546) und II S 30/66 vom 24. Januar 1967 (BFH 87, 517, BStBl III 1967, 205) enthalten ist. Die Grundlage dieser Entscheidungen des BFH bildet § 74 FGO, nach dem das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen kann, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits ausgesetzt wird.
In dem erstgenannten Beschluß II S 2/66 hatte der BFH es schlechthin für geboten erachtet, das Revisionsverfahren auszusetzen, wenn beim BVerfG ein abstraktes Normenkontrollverfahren zur Prüfung von Rechtsnormen anhängig ist, von deren Gültigkeit oder Nichtigkeit die Entscheidung in dem (beim BFH anhängigen) Revisionsverfahren abhängt. In dem weiteren Beschluß II B 3/66 hatte der II. Senat die Berechtigung zur Aussetzung auf die Fälle beschränkt, in denen der BFH eine Vorschrift (hier § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG) für nichtig erachtet und deswegen eine Landesregierung beim BVerfG die abstrakte Normenkontrolle beantragt hatte. In dem letztgenannten Beschluß II S 30/66 hat der BFH im Ergebnis an der Rechtsauffassung des zweitgenannten Beschlusses II B 3/66 festgehalten.
In der Begründung dieses Beschlusses II S 30/66 hat er zum Ausdruck gebracht, in der Regel berechtige zwar die verfassungsrechtliche Problematik für sich allein - sofern nicht bei einem konkreten Normenkontrollverfahren nach Artikel 100 GG auszusetzen ist - nicht zur Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO bis zur Entscheidung des BVerfG. Eine Aussetzung des Verfahrens erscheine jedoch ausnahmsweise gleichwohl geboten, wenn das im letzten Rechtszug zuständige und wiederum zur Entscheidung berufene Gericht sich bereits gegen die Gültigkeit der maßgebenden vorkonstitutionellen Norm ausgesprochen hat - hier durch das Urteil II 12/61 S (a. a. O.) zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG - und deswegen gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 13 Nr. 6, § 76 Nr. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) die abstrakte Normenkontrolle des BVerfG beantragt worden ist. Die gesetzeskräftige Entscheidung des BVerfG (§ 31 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) über die Gültigkeit oder Nichtigkeit einer für die Entscheidung des Rechtsstreits durch das Revisionsgericht erheblichen Norm beinhalte ein bindendes Erkenntnis auch über ein vorgreifliches Rechtsverhältnis, das das Revisionsgericht seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat. Der Senat hat es daher in dem genannten Beschluß II S 30/66 für zulässig und geboten erachtet, in Fällen nach Art des Streitfalls die Vorschrift des § 74 FGO sinngemäß anzuwenden. Er ist bei seiner in den früheren Beschlüssen vertretenen Auffassung im Ergebnis verblieben, daß er bei der im Rahmen der sinngemäßen Anwendung des § 74 FGO gebotenen Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens nach Anhängigmachung des abstrakten Normenkontrollverfahrens der Entscheidung des BVerfG nicht vorgreifen darf.
An dieser in dem letztgenannten Beschluß II S 30/66 (a. a. O.) vertretenen Rechtsauffassung hält der Senat auch für die in dieser Sache zu treffende Beschwerdeentscheidung mit der Massgabe fest, daß in sinngemäßer Anwendung des § 74 FGO auch das beim FG anhängige Berufungsverfahren in Abweichung von dem angefochtenen Beschluß des FG ausgesetzt werden darf und im Rahmen der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens ausgesetzt werden muß. Daher unterliegt der angefochtene Beschluß des FG der Aufhebung.
Die Ausführungen des FG und die Darlegungen der Klägerin geben dem Senat keine Veranlassung, seine Rechtsauffassung über die sinngemäße Anwendung des § 74 FGO und die gebotene Ermessensausübung zu ändern.
Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob und inwieweit der Auffassung des FA gefolgt werden darf, daß auch der Wortlaut des § 74 FGO, der nicht von einem konkreten Rechtsverhältnis, sondern von einem Rechtsverhältnis schlechthin spricht, die Entscheidung des Senats tragen könnte. Denn jedenfalls ist die sinngemäße Anwendung der Vorschrift des § 74 FGO gerechtfertigt und im Rahmen der Ermessensausübung geboten. Die Ansicht, daß § 74 FGO sinngemäß angewandt werden kann, wird übrigens auch in der neuesten (19.) Auflage des Kommentars von Stein-Jonas zur ZPO - 1967 - von Phole zu dem § 74 FGO wörtlich entsprechenden § 148 ZPO geteilt (vgl. Seite 767 unter Bemerkung III 3). Hier wird u. a. ausgeführt, daß auch im Fall der abstrakten Normenkontrolle die Aussetzung nach der allgemeinen Regel des § 148 ZPO in Frage komme, der in rechtsähnlichen Fällen "entsprechend" anzuwenden sei. Es genügt danach (nach Stein-Jonas, a. a. O.) für die sinngemäße Anwendung, daß in dem verfassungsgerichtlichen Verfahren für den Zivilprozess (hier: Steuerprozeß) "präjudizielle Fragen geprüft werden". Dieser Rechtsauffassung von Stein-Jonas haben sich auch in neuerer Zeit v. Wallis-List in dem Kommentar von Hübschmann-Hepp-Spitaler, Randbemerkung 7 zu § 74 FGO, Lieferung 48, Oktober 1966, angeschlossen. Mit Rücksicht auch auf diese neuen Ausführungen der genannten Kommentare vermag sich der Senat der abweichenden Ansicht, wie sie wohl noch überwiegend im verwaltungsgerichtlichen Schrifttum und der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu § 94 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vertreten wird, nicht anzuschließen (vgl. hierzu auch die Begründung des erstgenannten Beschlusses II S 2/66, a. a. O.).
Zu den Einwänden, die auch die Klägerin des jetzt beim BFH anhängigen Beschwerdeverfahrens gegen die sinngemäße Anwendung des § 74 FGO aus der Entstehungsgeschichte der FGO (Streichung des § 72 Abs. 2 des Entwurfs) herleiten will, hat der Senat schon in den Gründen des drittgenannten Beschlusses II S 30/66 (a. a. O.) Stellung genommen; an dieser Stellungnahme wird festgehalten; auf die dortige Begründung wird Bezug genommen, Für die dort wiedergegebene Auffassung des Senats, daß der Rechtsausschuß des Bundestags die Verhinderung der Aussetzung des Revisionsverfahrens wegen eines abstrakten Normenkontrollverfahrens bei der Streichung des § 72 Abs. 2 des Regierungsentwurfs überhaupt nicht in Erwägung gezogen hat, spricht besonders folgender Gesichtspunkt: Der entscheidende Grund für die vom Rechtsausschuß vorgeschlagene, vom Bundestag im Ergebnis akzeptierte Streichung des § 72 Abs. 2 des Entwurfs war nach der Begründung offensichtlich, daß den Parteien der ausgesetzten Verfahren die Möglichkeit genommen werde, dem BFH ihre Rechtsauffassung durch von ihnen bestellte Parteivertreter vorzutragen. Solche Erwägungen sind aber bei Anhängigkeit eines abstrakten Normenkontrollverfahrens ohne Bedeutung, weil in diesem Verfahren eine Anhörung von Prozeßparteien überhaupt nicht stattfindet, vielmehr nur bestimmten Bundes- und Landesorganen Gelegenheit zur äußerung gegeben wird (§ 77 BVerfGG). Danach kann also ein gesetzgeberischer Wille, die Aussetzung auch bei Anhängigkeit eines abstrakten Normenkontrollverfahrens ausschließen zu wollen, nicht festgestellt werden. In übereinstimmung mit Koch (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Anmerkungen Finanzgerichtsordnung, § 74, Rechtsspruch 2 unter 1) verbleibt der BFH bei seiner Auffassung, daß jedenfalls ein solcher Wille des Gesetzgebers in der jetzigen Fassung des § 74 FGO keinen Niederschlag gefunden hat. Das gilt auch für den in der Begründung des Rechtsausschusses enthaltenen Hinweis auf die Möglichkeit des Ruhenlassens des Verfahrens. Durch diesen bloßen Hinweis in der Begründung kann im Gegensatz zu der Auffassung der Klägerin nicht der Schluß gezogen werden, daß dadurch in Abweichung von § 74 FGO die Aussetzung auf den Fall der Zustimmung beider Parteien beschränkt werden sollte, wie sie für das Ruhenlassen nach § 251 ZPO durch das Erfordernis eines Antrags beider Parteien vorgesehen ist.
Zu den Ausführungen des FG und der Klägerin zu § 79 BVerfGG ist folgendes zu bemerken: Nach § 79 Abs. 2 BVerfGG bleiben vorbehaltlich der Vorschrift des § 95 Abs. 2 BVerfGG oder einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht mehr anfechtbaren (außerstrafrechtlichen) Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 BVerfGG für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt. Es ist zuzugeben, daß durch diese Regelung der Gesetzgeber hinsichtlich der nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die eine für nichtig erklärte Norm zur Grundlage haben, dem Gedanken der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens vor der Forderung nach Gerechtigkeit den Vorrang gegeben hat (vgl. dazu im einzelnen Maunz-Sigloch, "Bundesverfassungsgerichtsgesetz" 1967, § 79 Randnummer 7, 8). Dieser Vorrang der Rechtssicherheit ist aber nur im Rahmen der gesetzlichen Regelung des § 79 BVerfGG als solcher vorhanden. Er setzt also voraus, daß schon eine Entscheidung des BVerfG nach § 78 BVerfGG vorliegt, nach der eine bestimmte gesetzliche Vorschrift nichtig ist. Er bedeutet nicht, daß schlechthin der Grundsatz der Rechtssicherheit den Vorrang vor der Forderung nach Gerechtigkeit bzw. Gleichmäßigkeit der Besteuerung haben muß. Im Streitfall steht eine Entscheidung des BVerfG über die Frage der Rechtsgültigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG noch aus. Es kann daher aus der besonderen Regelung des § 79 Abs. 2 BVerfGG nicht geschlossen werden, daß auch außerhalb einer schon erfolgten Nichtigkeitserklärung durch das BVerfG dem Gedanken der Rechtssicherheit der Vorrang vor der Gerechtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) gegeben werden sollte. Im übrigen erscheint es, wie das beklagte FA zutreffend ausführt, auch sehr zweifelhaft, ob dem Grundsatz der Rechtssicherheit im Sinn der Darlegungen des FG mit der angefochtenen Entscheidung zum Durchbruch verholfen werden würde. Würden nämlich die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit bei der vorliegenden verfahrensrechtlichen Situation rechtskräftig vor Ergehen einer Entscheidung des BVerfG über die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG im Sinne des BFH-Urteils II 12/61 S (a. a. O.) weiter zur Sache entscheiden, so würden sie gerade den Grundsatz der Rechtssicherheit dadurch verletzen; denn sie würden bewußt die Möglichkeit widersprüchlicher Entscheidungen für den Fall schaffen, daß das BVerfG die Auffassung des BFH hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG nicht teilen sollte.
Entscheidend steht auch einer Ablehnung der Aussetzung des Verfahrens der Umstand entgegen, daß die Finanzgerichte im Fall einer solchen Ablehnung die Befugnisse, die der Bundesregierung und anderen verfassungsmäßigen Organen im Rahmen des Artikels 93 Abs. 1 Nr. 2 GG (§ 76 Nr. 2 BVerfGG) zustehen, weitgehend illusorisch machen könnten. Denn die Verfassungsnorm des Artikel 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, die den Vorrang vor anderen gesetzlichen Bestimmungen (auch vor § 79 BVerfGG im Sinne der Auslegung des FG) hat, würde gegenstandslos gemacht werden können, wenn die Gerichte anhängige Verfahren vor der Entscheidung des BVerfG zum rechtskräftigen Abschluß bringen dürften. Das kann nicht der Sinn der Regelung der auf den Fall einer schon ergangenen Entscheidung des BVerfG beschränkten Vorschrift des § 79 BVerfGG sein.
Soweit das FG sowohl bei der Frage der Erörterung der Zulässigkeit der Aussetzung als auch bei seinen ermessensmäßigen Erwägungen hervorgeht, daß die Beteiligten Anspruch auf eine Gerichtsentscheidung nach der derzeit gültigen Rechtslage haben, so ist dazu zu bemerken, daß zur Zeit die gültige Rechtslage noch nicht feststeht. Das Urteil des BFH II 12/61 S (a. a. O.) gilt nur für den damals entschiedenen Streitfall; im Rahmen dieses Streitfalls und der Parallelentscheidungen des Senats ist von der Nichtigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG auszugehen. Im übrigen ist es erst die Aufgabe des BVerfG, nach seiner Anrufung mit rückwirkender Kraft festzustellen, wie die Rechtslage schlechthin ist, indem es entweder den BFH-Urteilen entsprechend auch seinerseits den § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG für nichtig erklärt oder, entgegen der Auffassung des BFH, den Wortlaut der genannten gesetzlichen Bestimmung als gültig bezeichnet. Der Hinweis des FG darauf, daß schon die Aussetzung des Verfahrens mit Rücksicht auf eine zu erwartende Rechtsänderung nicht zulässig sei (vgl. Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts I B 14/62 vom 13. Februar 1962, Neue Juristische Wochenschrift 1962, 1170), ist daher nicht einschlägig. Denn im Streitfall ist keine Rechtsänderung zu erwarten, sondern die Klarstellung der objektiven Rechtslage durch das BVerfG, die abzuwarten bleibt.
Der Hinweis der Klägerin, daß für ihre Auslegung des § 79 Abs. 2 BVerfGG - d. h. für Aussetzung unter dem von ihr angenommenen Gesichtspunkt der Rechtssicherheit - der Umstand spreche, daß die Vorschrift des § 79 Abs. 2 BVerfGG bemerkenswerterweise gerade in dem Abschnitt des BVerfGG enthalten sei - siehe die überschrift über "Zehnter Abschnitt" -, der die abstrakte Normenkontrolle behandelt, kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Denn dies ist auf den rechtstechnischen Aufbau der Bestimmungen zurückzuführen, bei denen die abstrakte Normenkontrolle im Vordergrund steht. Aus dieser rechtstechnischen Gestaltung können auch deshalb keine Folgerungen im Sinn der Darlegung der Klägerin gezogen werden, weil die Vorschrift des § 79 BVerfGG auch für das konkrete Normenkontrollverfahren in § 82 Abs. 1 BVerfGG und für die Verfassungsbeschwerde in § 95 Abs. 3 Satz 3 BVerfGG für entsprechend anwendbar erklärt ist.
Abschließend sei noch besonders auf den drittletzten Absatz des Beschlusses II S 30/66 (a. a. O.) hingewiesen: "Würde der BFH weiterhin entsprechend seinem Urteil II 12/61 S (a. a. O.) jeweils zur Sache entscheiden" (also nicht aussetzen) "so würde - unter der Unterstellung, daß das BVerfG den gegenteiligen Standpunkt einnehmen sollte - zumindest die Gleichmäßigkeit der Besteuerung, wenn nicht gar der Gleichheitssatz (Artikel 3 Abs. 1 GG) verletzt."
Was hier für den BFH gesagt ist, gilt entsprechend für die Frage, ob das FG vor der Entscheidung des BVerfG zur Sache entscheiden darf oder aussetzen muß. Das gilt im Streitfall auch für die ermessensmäßigen Erwägungen des FG, die aus den vorstehend dargelegten Gründen fehlerhaft sind.
Nach allem tragen sowohl der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit als auch entscheidend der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Artikel 3 GG) die getroffene Entscheidung des Senats (für die Gebotenheit der Aussetzung unter den Voraussetzungen der verfassungsmäßigen Situation des Streitfalles siehe auch ausdrücklich Maunz-Sigloch, a. a. O., § 80, Randnummer 287 und Fußnoten 6, 9).
Eine Anrufung des Großen Senats hält der erkennende Senat aus den in den beiden letzten Absätzen des Beschlusses II S 30/66 (a. a. O.) dargelegten Gründen nach wie vor nicht für erforderlich.
Auch die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten. Da es sich um kein Urteil handelt, sondern um einen Beschluß, ist die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zulässig (§ 90 Abs. 1 Satz 2 FGO).
Eine Verbindung dieser Beschwerdesache II B 8/67 mit den Beschwerdesachen II B 9, 10 und 11/67 gemäß dem Antrag des Prozeßbevollmächtigten vom 3. April 1967 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung nach der Kannvorschrift des § 73 Abs. 1 FGO hält der Senat nicht für angebracht.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin (§ 135 Abs. 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 412706 |
BStBl III 1967, 562 |
BFHE 1967, 178 |
BFHE 89, 178 |