Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde gegen Ablehnung von Prozeßkostenhilfe; kein Anspruch auf Sonderabschreibungen nach dem Zonengrenzlandförderungsprogramm
Leitsatz (NV)
1. Zu den Voraussetzungen für die Gewährung von Prozeßkostenhilfe im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozeßkostenhilfe.
2. Den im Zonengrenzlandförderungsprogramm des Bundestags vom 2. 7. 1953 (vgl. Schreiben des BMF vom 12. 10. 1953 IV S 1940 - 1/52 II Ang) enthaltenen Gruppenregelungen fehlt die gesetzliche Grundlage.
Normenkette
FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 114 Abs. 1 S. 2; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; AO § 131 Abs. 1 S. 3
Tatbestand
I. 1. Der Kläger und Antragsteller (Kläger) war früher im Zonenrandgebiet als . . . freiberuflich tätig. Nach seinen Darlegungen hat er für seine Kanzleiräume in . . . insgesamt . . . DM an Anschaffungs- und Herstellungskosten aufgewendet. Für diese Aufwendungen machte er im Rahmen mehrerer Einkommensteuerveranlagungen Steuervergünstigungen nach dem Zonengrenzlandförderungsprogramm (ZFP) des Bundestags vom 2. Juli 1953 (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 12. Oktober 1953 IV S 1940 - 1/52 II Ang; abgedruckt in der Einkommensteuerkartei des Landes Nordrhein-Westfalen, Anhang Zonenrandförderung) geltend.
Für das Jahr 1967 lehnte der Beklagte und Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) die Anerkennung einer vom Kläger unter Bezugnahme auf das ZFP gebildeten steuerfreien Rücklage ab. Einspruch, Klage und Revision hatten keinen Erfolg. Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied mit Urteil vom 9. Dezember 1976 IV R 186/75, daß für die Bildung einer steuerfreien Rücklage im Jahre 1967 die Voraussetzungen gefehlt hätten.
Für das Jahr 1968 gewährte das FA dem Kläger im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1968 eine Sonderabschreibung aufgrund des ZFP in Höhe von . . . DM.
Die Gewährung einer weiteren Sonderabschreibung in Höhe von . . . DM im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1969 lehnte das FA dagegen ab, da der Kläger auf Sonderabschreibungen nach dem ZFP keinen Rechtsanspruch habe. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren machte der Kläger mit seiner Klage geltend, das FA verstoße gegen Treu und Glauben, wenn es seinem Antrag zwar für 1968 stattgebe, den Antrag für das Streitjahr 1969 jedoch zurückweise. Es liege im übrigen eine verpflichtende Zusage des FA auf Gewährung der Sonderabschreibung auch für 1969 vor.
2. Der Kläger stellte im Rahmen des - nunmehr im 2. Rechtsgang befindlichen - Klageverfahrens zur Einkommensteuer 1969 den Antrag, Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren. Diesen Antrag lehnte das Finanzgericht (FG) mit Beschluß vom 28. Januar 1985 ab, da die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Der Beschluß wurde dem Kläger am 1. Februar 1985 zugestellt.
Gegen den die PKH versagenden Beschluß legte der Kläger selbst mit Schreiben vom 12. Februar 1985 am 15. Februar 1985 Beschwerde ein. Zur Begründung führte er aus, entgegen der Auffassung des FG habe seine Klage Erfolgsaussichten. Ihm stehe auch für das Jahr 1969 eine Sonderabschreibung zu; das ergebe sich u. a. aus einem Schreiben des FA vom 22. Oktober 1968.
Für das Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung der PKH durch das FG begehrt der Kläger ebenfalls PKH.
Entscheidungsgründe
II. 1. Der Antrag auf Gewährung von PKH für das Beschwerdeverfahren ist zulässig. Wie der V. Senat des BFH mit Beschluß vom 18. Juli 1985 V S 3/85 (BFHE 143, 528, BStBl II 1985, 499) entschieden hat, kann wegen des Vertretungszwangs beim BFH (Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG -), der auch im Falle einer Beschwerde gegen die Versagung von PKH gilt (Beschluß vom 28. November 1975 VI B 130-132/75, BFHE 117, 223, BStBl II 1976, 62), für das Beschwerdeverfahren PKH (mit Beiordnung eines postulationsfähigen Vertreters) gewährt werden. Dieser Entscheidung schließt sich der erkennende Senat an.
2. Dem Antrag auf Gewährung von PKH für das Beschwerdeverfahren ist allerdings nur stattzugeben, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung (das Beschwerdeverfahren) hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
a) Eine ,,hinreichende Aussicht auf Erfolg" fehlt zwar nicht schon deshalb, weil während des Laufs der Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 129 Abs. 1 FGO) lediglich der Kläger selbst Beschwerde eingelegt hat, ohne hierbei durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigter vertreten gewesen zu sein. Wegen des Vertretungszwangs (Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG), dem auch Beschwerden gegen die Versagung der PKH für ein Klageverfahren unterliegen, ist zwar eine ohne die erforderliche Vertretung eingelegte Beschwerde unzulässig. Dem Antragsteller könnte jedoch gemäß § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumung der Beschwerdefrist gewährt werden, falls ein - im Rahmen der PKH zu bestellender - Prozeßbevollmächtigter erneut Beschwerde einlegen und gleichzeitig einen entsprechenden Wiedereinsetzungsantrag stellen würde. Die Unzulässigkeit einer bisher nur vom Antragsteller selbst eingelegten Beschwerde wäre im Falle einer zulässig eingelegten Beschwerde unbeachtlich (BFHE 143, 528, BStBl II 1985, 499).
b) An der ,,hinreichenden Aussicht auf Erfolg" fehlt es dem Antrag auf Gewährung von PKH für das Beschwerdeverfahren auch nicht deshalb, weil sich das Beschwerdeverfahren gegen die Versagung von PKH auf ein Klageverfahren bezieht, das bereits (mit Urteil vom 6. Februar 1985) abgeschlossen ist.
Grundsätzlich erledigt sich zwar der Antrag auf Bewilligung von PKH bzw. die gegen deren Versagung eingelegte Beschwerde mit der Beendigung einer Instanz. Von diesem Grundsatz besteht aber eine Ausnahme dann, wenn der Bewilligungsantrag mit den erforderlichen Unterlagen während des Klageverfahrens gestellt, aber nicht verbeschieden worden ist. Ebenso bleibt auch eine Beschwerde zulässig, wenn der Antragsteller die PKH rechtzeitig beantragt, das Gericht über den Antrag aber erst so spät entscheidet, daß dem Antragsteller die Einlegung der Beschwerde vor Abschluß der Instanz nicht mehr möglich oder zumutbar war (BFH-Beschluß vom 7. August 1984 VII B 27/84, BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838).
c) Die Beschwerde ist in diesem Fall aber unbegründet, wenn die beabsichtigte Fortführung des Verfahrens (durch Einlegung der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht.
Im Streitfall bestehen für die Fortführung des Verfahrens keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Das FG hat die Klage zutreffend mit der Begründung abgewiesen, daß dem Kläger kein Rechtsanspruch auf die Gewährung einer Sonderabschreibung für das Jahr 1969 zustehe. Ein Anspruch auf Gewährung einer Sonderabschreibung ergibt sich für den Kläger insbesondere nicht aus dem ZFP. Wie der Senat in seinem Urteil vom 9. Juli 1970 IV R 34/69 (BFHE 99, 448, BStBl II 1970, 696) ausgeführt hat, fehlt den im ZFP enthaltenen Gruppenregelungen zur Gewährung von Steuervergünstigungen die gesetzliche Grundlage. Zwar konnten Sonderabschreibungen als einzelne Billigkeitsmaßnahme i. S. des § 131 Abs. 1 Satz 3 der Reichsabgabenordnung (AO) gewährt werden (BFHE 99, 448, BStBl II 1970, 696); denn es konnte mit Zustimmung des Steuerpflichtigen zugelassen werden, daß einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit berücksichtigt werden. Voraussetzung für eine solche Maßnahme wäre jedoch gewesen, daß entsprechende Billigkeitsgründe vorlagen. Daran hat es im Streitfall gefehlt. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 9. Dezember 1976 IV R 186/75 zur Gewährung einer Sonderabschreibung für das Jahr 1967 ausgeführt hat, bietet die Tatsache, daß der Kläger zum Erwerb der für seine Kanzlei benötigten Räume größere Aufwendungen hat machen müssen, für sich allein noch keinen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer seine wirtschaftliche Existenz gefährdenden Lage. Die derzeitige - viele Jahre nach dem betreffenden Veranlagungszeitraum eingetretene - Notlage des Klägers kann auf die Frage, ob die Versagung einer Sonderabschreibung im Kalenderjahr 1969 unbillig war, keinen Einfluß haben.
Der Kläger kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, daß ihm die Gewährung einer Sonderabschreibung für das Streitjahr 1969 vom FA zugesagt worden ist. Eine Bindung des FA an Zusagen war in dem hier maßgebenden Zeitraum (vor Inkrafttreten der Abgabenordnung 1977 - AO 1977 -; vgl. § 415 AO 1977) nur unter den von der Rechtsprechung des BFH hierfür entwickelten Voraussetzungen möglich (vgl. hierzu Urteil vom 4. August 1961 VI 269/60 S, BFHE 73, 813, BStBl III 1961, 562). Diese Voraussetzungen haben hier nicht vorgelegen. Das Schreiben des FA vom 22. Oktober 1968, auf das sich der Kläger beruft, enthält lediglich einen Bescheid, aufgrund dessen dem Kläger für die Kalenderjahre 1965 und 1966 die Bildung steuerfreier Rücklagen nach dem ZFP in Höhe von je . . . DM bewilligt wurde. Eine Zusage von Sonderabschreibungen für das Streitjahr 1969 kann hieraus nicht entnommen werden.
Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 FGO, § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO, § 11 des Gerichtskostengesetzes).
Fundstellen
Haufe-Index 414337 |
BFH/NV 1987, 668 |