Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidung nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens
Leitsatz (NV)
Zur Zulassung der Revision wegen eines Verstoßes des FG gegen die Verpflichtung zur Entscheidung nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3
Tatbestand
Die Senatsverwaltung für Finanzen hat die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) beantragte Zulassung zur Steuerberaterprüfung mit der Begründung abgelehnt, daß die nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) vorgeschriebene 10jährige hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern nicht erfüllt sei. Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führt aus, die vom Kläger geltend gemachte Beschäftigungszeit "bei seinem Vater" bleibe bis einschließlich 15. Oktober ... schon deshalb unberücksichtigt, weil der Vater erst am 16. Oktober ... zum Steuerberater bestellt worden sei. Die ab diesem Zeitpunkt geltend gemachten berufspraktischen Tätigkeiten erfüllten nicht die 10-Jahres-Frist gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG.
Entscheidungsgründe
Die auf Verfahrensfehler gestützte Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Der Kläger hat Verfahrensfehler bezeichnet und hierfür Tatsachen vorgetragen (§ 115 Abs. 3 Satz 3, § 120 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), aus denen sich ergibt, daß die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Aus dem Antrag des Klägers zur Zulassung zur Steuerberaterprüfung 1995 sowie aus dem Tatbestand des FG-Urteils ergibt sich, daß dieser für den hier streitigen Zeitraum der berufspraktischen Tätigkeit vom ... bis 15. Oktober nicht seinen Vater als Steuerberater, sondern den LBV Lohnsteuerhilfeverein e. V. als Arbeitgeber benannt hat. Der Vater des Klägers hat nach einer in den Behördenakten befindlichen Bescheinigung als Beratungsstellenleiter dieses Lohnsteuerhilfevereins die Tätigkeit des Klägers als Mitarbeiter und Annahmestellenleiter des Vereins bestätigt. Nach den Ausführungen des FG hat der Kläger sein Vorbringen über die Arbeitgebereigenschaft von zwei von ihm benannten Lohnsteuerhilfevereinen in den Jahren ... dahin "berichtigt", daß er seinerzeit von seinem Vater beschäftigt worden sei, der in unterschiedlicher Funktion die Interessen der beiden Lohnsteuerhilfevereine wahrgenommen habe.
Bei dieser Sachlage durfte das FG die vom Kläger behauptete berufspraktische Tätigkeit bis zum 15. Oktober nicht allein mit der Begründung unberücksichtigt lassen, daß der Vater des Klägers erst nach diesem Zeitpunkt zum Steuerberater bestellt worden sei. Denn nach dem Inhalt der Akten lag es nahe, daß das i. S. des § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG maßgebliche Beschäftigungsverhältnis des Klägers zu dem bzw. den Lohnsteuerhilfeverein(en) bestand, wenn auch dessen Vater in seiner Eigenschaft als Beratungsstellenleiter oder in sonstiger Funktion für den bzw. die Lohnsteuerhilfeverein(e) den Anstellungsvertrag mit dem Kläger abgeschlossen haben sollte. Daß das FG auf diese nach dem Vorbringen des Klägers und dem Inhalt der Akten naheliegende Sachverhaltsgestaltung nicht eingegangen ist, stellt einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Entscheidung nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO dar. Zumindest liegt ein Verfahrensfehler darin, daß das FG, bevor es ein Beschäftigungsverhältnis allein zum Vater des Klägers annahm, den Sachverhalt nicht von Amts wegen aufgeklärt hat (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), was sich ihm nach der Aktenlage und dem insoweit nicht ganz eindeutigen Sachvorbringen des Klägers hätte aufdrängen müssen. Die Revision gegen das FG-Urteil war deshalb zuzulassen.
Fundstellen
Haufe-Index 423622 |
BFH/NV 1996, 698 |