Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung bei nicht fristgerechter Einlegung eines Rechtsmittels durch einen postulationsbefugten Vertreter infolge Mittellosigkeit
Leitsatz (NV)
Wiedereinsetzung bei nicht fristgerechter Einlegung eines Rechtsmittels durch einen postulationsbefugten Vertreter infolge Mittellosigkeit setzt voraus, daß der Beteiligte innerhalb der Rechtsmittelfrist alles in seinen Kräften Stehende und Zumutbare getan hat, um das in seiner Mittellosigkeit bestehende Hindernis zu beheben, insbesondere daß er bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist alle Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe schafft.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1, § 142 Abs. 1; ZPO §§ 114, 117
Tatbestand
Mit Schreiben vom 6. Juni 1996 legte der Kläger und Antragsteller (Kläger) gegen das Urteil vom 30. April 1996 (zugestellt am 11. Mai 1996) Rechtsmittel ein. Die Begründung wollte der Kläger einreichen, sobald er das "für Minderbemittelte vorgesehene Klagerecht" erhalten habe.
Mit Schreiben vom 26. Juni 1996 und 2. Juli 1996 begründete der Kläger seinen Antrag und legte eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor.
Entscheidungsgründe
Dem Antrag kann nicht entsprochen werden.
Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 Satz 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozeßkostenhilfe (PKH), wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das von ihm eingelegte Rechtsmittel gegen die Abweisung der Klage durch das Finanzgericht ist unzulässig, weil der Kläger bei der Einlegung nicht durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten war (Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
Zwar kommt, wenn ein Beteiligter infolge Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, das Rechtsmittel fristgerecht durch einen postulationsbefugten Vertreter einlegen zu lassen, insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) in Betracht. Diese setzt aber voraus, daß der Beteiligte ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist einzuhalten. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn der Beteiligte innerhalb der Rechtsmittelfrist alles in seinen Kräften Stehende und Zumutbare getan hat, um das in seiner Mittellosigkeit bestehende Hindernis zu beheben. Das bedeutet, daß er bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist alle Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH zur Einlegung des Rechtsmittels schaffen muß. Dazu gehört, daß er innerhalb dieser Frist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darstellt (§ 117 Abs. 1 ZPO) und zudem unaufgefordert die nach § 117 Abs. 2 ZPO dem Antrag auf Gewährung von PKH beizufügende Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem eingeführten Vordruck (§ 117 Abs. 4 ZPO) sowie entsprechende Belege beifügt (Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 14. September 1994 I S 13/94 u. a., BFH/NV 1995, 724).
Der Kläger hat die Begründung seines Antrags auf PKH und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erst verspätet eingereicht; die Rechtsmittelfrist lief bereits am 11. Juni 1996 ab. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könnte ihm daher nicht gewährt werden. Das Rechtsmittel bleibt in jedem Fall unzulässig.
Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen; Gerichtsgebühren sind nicht entstanden (§ 142 FGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO, § 1 Abs. 1 Buchst. c i. V. m. § 11 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes).
Fundstellen
Haufe-Index 421693 |
BFH/NV 1997, 60 |