Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe für Beigeladenen
Leitsatz (NV)
Einem Beigeladenen kann zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung vor dem FG Prozesskostenhilfe gewährt werden, wenn dieser ein berechtigtes Interesse daran hat, den sich für ihn durch die Beiladung ergebenden materiell-rechtlichen Folgen entgegen zu treten und zu verhindern, dass eine für ihn ungünstige, rechtlich nicht haltbare Rechtsauffassung des FG nach § 110 Abs. 1 Nr. 1 FGO Bindungswirkung auch ihm gegenüber erhält.
Normenkette
FGO §§ 57, 110 Abs. 1 Nr. 1, § 142; ZPO § 114
Tatbestand
I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) setzte durch Bescheid vom 2. Juni 1997 gegen die Klägerin "über eine Schenkung des H in X 1990 an Sie" in Höhe von 115 000 DM Schenkungsteuer in Höhe von 16 275 DM fest.
Die Klägerin hat gegen diesen Bescheid Einspruch eingelegt und u.a. geltend gemacht, H, ihr Onkel, habe 1990 der zu diesem Zeitpunkt schon hoffnungslos überschuldeten A-KG (KG), an der ihr Ehemann, der Beigeladene und Beschwerdeführer (Beigeladener), mit einer Einlage von 140 000 DM als persönlich haftender Gesellschafter sowie sie selbst mit einer voll eingezahlten Kommanditeinlage in Höhe von 70 000 DM beteiligt gewesen seien, in mehreren Teilbeträgen insgesamt 115 000 DM als zinsloses Darlehen gewährt. Kurz vor seinem Tode im Jahre 1993 habe H gegenüber dem Beigeladenen auf die Rückzahlung des Darlehens verzichtet.
Mit der Einspruchsentscheidung vom 16. Juli 1999 ermäßigte das FA die Steuer auf 5 269 DM und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Es folgte hierbei der Sachdarstellung der Klägerin und erfasste die Gewährung eines zinslosen Darlehens auf unbestimmte Zeit aus dem Jahre 1990 mit einem Wert von 58 822 DM als Vorschenkung und den Darlehensverzicht aus dem Jahre 1993 mit einem Wert von 115 000 DM als Schenkung an die KG und rechnete der Klägerin entsprechend ihrer Beteiligung an der KG 1/3 dieser Werte zu. Es erließ ferner am 21. September 1999 einen Schenkungsteuerbescheid gegen den Beigeladenen, dem es die restlichen 2/3 der Zuwendungen zurechnete. Der Beigeladene hat gegen diesen Schenkungsteuerbescheid Einspruch eingelegt.
Im anschließenden Klageverfahren begehrte die Klägerin die Aufhebung des gegen sie ergangenen Schenkungsteuerbescheides vom 2. Juni 1997 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 16. Juli 1999.
Das Finanzgericht (FG) hat durch Beschluss vom 14. Februar 2000 den Beigeladenen nach § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Verfahren der Klägerin beigeladen, weil es davon ausging, die Entscheidung könne gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen nur einheitlich ergehen.
Der Beigeladene hat am 7. März 2000 unter Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beantragt, ihm Prozesskostenhilfe (PKH) für dieses Verfahren zu gewähren. Diesen Antrag hat das FG durch Beschluss vom 6. Juni 2000 abgelehnt, weil die vom Beigeladenen beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg habe. Der Beigeladene hafte als Komplementär der KG für deren Verbindlichkeiten. Eine Haftung der Klägerin als Kommanditistin scheide aus. Demnach sei der Beigeladene Zuwendungsempfänger i.S. von § 7 Abs. 1 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG). Denn die zinslose Darlehensgewährung sowie der spätere Verzicht auf die Darlehensforderung sei unmittelbar seinem Vermögen zugute gekommen. Ohne Bedeutung sei, dass die Darlehensforderung in den Händen des H bereits wertlos geworden sei. Denn das Vermögen des Beigeladenen sei durch die Verminderung der Passivposten im Umfang des Nennbetrages der Forderung vermehrt worden.
Mit der Beschwerde verfolgt der Beigeladene seinen PKH-Antrag weiter. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Das FA hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist begründet. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die vom Beigeladenen beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat.
Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ist einem Beteiligten i.S. von § 57 FGO, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Im Ausschluss mutwilliger Prozessführung kommt der allgemeine Grundsatz zum Ausdruck, dass PKH nur in dem Umfang in Anspruch genommen werden kann, wie es für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig ist.
Im Streitfall bedarf der Beigeladene zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Klageverfahren der Klägerin vor dem FG der Vertretung durch einen Rechtsanwalt. Denn er hat ein berechtigtes Interesse daran, den sich für ihn durch die Beiladung ergebenden materiell-rechtlichen Folgen entgegen zu treten und zu verhindern, dass eine für ihn ungünstige Rechtsauffassung des FG nach § 110 Abs. 1 Nr. 1 FGO Bindungswirkung auch ihm gegenüber erhält. Für die Verfolgung dieser Interessen bestehen gute Erfolgsaussichten. Denn der Beigeladene kann mit Erfolg einwenden, an dem Lebenssachverhalt, der Gegenstand des Klageverfahrens der Klägerin gegen das FA ist, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beteiligt zu sein, und dass die Einspruchsentscheidung aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben ist.
Gegenstand des Klageverfahrens der Klägerin ist der gegen sie gerichtete Schenkungsteuerbescheid vom 2. Juni 1997. Dieser erging "über eine Schenkung des H im Jahre 1990 an die Klägerin in Höhe von 115.000 DM". Das FA ging ―wie sich im Übrigen auch aus seinem Schreiben vom 26. Juni 1997 ergibt― dabei davon aus, dass H an die Klägerin im Jahre 1990 "mindestens 115.000 DM gezahlt" habe. Das FA hat somit eine bereits 1990 ausgeführte freigebige Zuwendung des H, des Onkels der Klägerin, an seine Nichte, die Klägerin, angenommen und besteuert. Der streitigen Besteuerung liegt somit ―anders als im Beiladungsbeschluss des FG dargelegt― weder eine Schenkung in das gesamthänderisch gebundene Vermögen noch eine Inanspruchnahme der Klägerin als Kommanditistin unter dem Gesichtspunkt einer (durch den Kommanditanteil) beschränkten Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten zugrunde. Da zwischenzeitlich feststeht, dass H seiner Nichte, der Klägerin, im Jahre 1990 keinen Geldbetrag geschenkt hat, ist bei zutreffender Beurteilung, auf die der Beigeladene im Verfahren hinwirken kann, der angefochtene Bescheid aufzuheben, und zwar ohne dass sich hieraus materiell-rechtliche Folgen für ihn ergeben können. Denn an dem der Besteuerung zugrunde liegenden Lebenssachverhalt ist der Beigeladene unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beteiligt.
Soweit das FA in der Einspruchsentscheidung den mit dem Bescheid vom 2. Juni 1997 erfassten Lebenssachverhalt durch einen anderen Lebenssachverhalt ersetzt hat, indem es davon ausging, dass H 1990 der KG ein zinsloses Darlehen gewährt und erst 1993 auf seine (Darlehens-)Forderung der KG gegenüber verzichtet hat, liegt hierin ein Verstoß gegen § 348 Abs. 1 der Abgabenordnung ―AO 1977― (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. Januar 1994 II R 32/90, BFH/NV 1994, 758), der schon aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Einspruchsentscheidung führen muss. Bindungswirkungen materiell-rechtlicher Art können sich deshalb hieraus für den Beigeladenen nicht ergeben.
Der Beigeladene ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 114 ZPO), ihm ist deshalb PKH zu bewilligen. Im Hinblick auf die Höhe des nach § 115 Satz 4 ZPO "einzusetzenden Einkommens" des Beigeladenen, beträgt die festzusetzende Monatsrate 30 DM.
Fundstellen
Haufe-Index 667073 |
BFH/NV 2002, 361 |