Entscheidungsstichwort (Thema)
Einbeziehung des Arbeitslosengelds in den Progressionsvorbehalt des § 32b EStG/Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung bei Rüge eines Verfassungsverstoßes
Leitsatz (NV)
1. Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache bei Geltendmachung der Unvereinbarkeit einer Vorschrift mit Verfassungsrecht.
2. Zur Rüge der gleichheitswidrigen Einbeziehung des nach § 3 Nr. 2 EStG steuerfreien Arbeitslosengelds in den Progressionsvorbehalt des § 32b EStG (Abgrenzung zum Überbrückungsgeld i.S. des § 57 SGB III).
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3; EStG § 3 Nr. 2, § 32b; SGB III §§ 57, 421l; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Nürnberg (Urteil vom 19.07.2007; Aktenzeichen 7 K 640/2007) |
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben keinen der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgeführten Gründe für eine Zulassung der Revision in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) hinreichend darzulegen, muss in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Diese Anforderungen gelten auch, wenn es um die Vereinbarkeit einer Vorschrift mit Verfassungsrecht oder sonstigem höherrangigen Recht geht (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. August 2005 II B 145/04, BFH/NV 2005, 2054, m.w.N., und vom 13. Januar 2006 II B 55/05, BFH/NV 2006, 978). Der geltend gemachte Verfassungsverstoß ist dann unter Benennung der einschlägigen Verfassungsnormen näher zu begründen. Dazu gehört insbesondere eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BFH (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 4. Januar 2005 III B 1/04, BFH/NV 2005, 1080, m.w.N., und vom 27. Februar 2008 VI B 59/07, BFH/NV 2008, 981).
2. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Kläger rügen eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, soweit das vom Kläger im Streitjahr (2005) bezogene Arbeitslosengeld in den Progressionsvorbehalt des § 32b des Einkommensteuergesetzes (EStG) einbezogen werde, ein Einkommenssurrogat in Gestalt des Überbrückungsgeldes i.S. des § 57 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) in der im Streitjahr geltenden Fassung hingegen nicht. Dabei weisen sie zwar zutreffend darauf hin, dass das Finanzgericht in seiner angefochtenen Entscheidung fälschlich davon ausgegangen sei, dass das genannte Überbrückungsgeld auch noch im Jahr 2005 dem Progressionsvorbehalt des § 32b EStG unterlegen habe. Es fehlt jedoch eine Auseinandersetzung der Kläger mit den Gründen, die den Gesetzgeber dazu bewogen haben, den im Streitjahr im Vierten Abschnitt des SGB III ("Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit") geregelten Anspruch auf Überbrückungsgeld zwar wie das Arbeitslosengeld in § 3 Nr. 2 EStG steuerfrei zu stellen, ihn jedoch anders als das Arbeitslosengeld im Streitjahr nicht mehr in den Progressionsvorbehalt des § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG einzubeziehen.
Der Gesetzgeber hat im Kleinunternehmerförderungsgesetz vom 31. Juli 2003 (BGBl I 2003, 1550, BStBl I 2003, 398) das nach § 57 SGB III geleistete Überbrückungsgeld mit Wirkung vom 1. Januar 2003 nicht mehr in den Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG einbezogen u.a. mit der Begründung, das Überbrückungsgeld stelle eine dem Existenzgründungszuschuss i.S. des § 421l SGB III vergleichbare Leistung dar (BRDrucks 130/03, 12). Nach § 421l SGB III wird ein Existenzgründungszuschuss gezahlt, wenn ein Arbeitsloser durch die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beendet (sog. Ich-AG). Der Existenzgründungszuschuss war bereits durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl I 2002, 4621) mit Wirkung vom 1. Januar 2003 steuerfrei gestellt worden (§ 3 Nr. 2 EStG), jedoch nicht in den Katalog der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Leistungen einbezogen worden.
Des Weiteren hätten die Kläger unter Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG zur Zulässigkeit steuerlicher Lenkungsnormen darlegen müssen, dass die von ihnen angegriffene Ungleichbehandlung nicht durch vom Gesetzgeber verfolgte Lenkungszwecke gerechtfertigt ist. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. zum Folgenden nur Beschluss vom 17. April 2008 2 BvL 4/05, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2008, 854, BFH/NV Beilage 4/2008, 295, unter C.I.1.b und C.II.3.b, m.w.N.) ist nämlich der Gesetzgeber im Steuerrecht grundsätzlich nicht gehindert, bestimmte Personen, Gruppen oder Sachverhalte aus Gründen des Gemeinwohls steuerlich zu begünstigen. Der Gesetzgeber darf nicht nur durch Ge- und Verbote, sondern ebenso durch mittelbare Verhaltenssteuerung auf Wirtschaft und Gesellschaft gestaltend Einfluss nehmen. Steuerliche Begünstigungsnormen müssen aber besonderen Anforderungen genügen. Führt ein Steuergesetz zu einer steuerlichen Verschonung, die einer gleichmäßigen Belastung der jeweiligen Steuergegenstände innerhalb einer Steuerart widerspricht, so kann eine solche Steuerentlastung vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber das Verhalten des Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls lenken will. Neben der Orientierung einer steuerlichen Förderung am Gemeinwohl muss der Lenkungszweck von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen und seinerseits wiederum gleichheitsgerecht ausgestaltet sein. Dass die von ihnen angegriffene Freistellung des steuerfreien Überbrückungsgeldes (jetzt Gründungszuschuss) vom Progressionsvorbehalt des § 32b EStG diesen verfassungsgerichtlich konkretisierten Anforderungen nicht genügt, führen die Kläger nicht aus. Auch eine Auseinandersetzung mit einschlägigem Schrifttum und Verwaltungsmeinungen lässt die Beschwerdebegründung vermissen.
Fundstellen